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[OBF-420918-001-01]
Briefkorpus

Freitag, den 18. Sept. 1942

Geliebtes, teures Herz! Meine [Hilde]! Geliebte!!!

Schnell, ganz schnell komm ich zu Dir, Herzelein! zwischen den „Festen“. Vorbei ist die Prüfung. Ob ich froh bin? Ach Du!

Morgen um diese Stunde werde ich froher sein – wenn auch die „Feier" vorüber ist – wenn dann nichts mehr vor mir liegt – als das Urlaubsland. Ach Du! Du!!! Ich weiß noch immer nicht, ob und für wann es festgesetzt ist – das sture Volk besteht auf seiner Frist, und morgen ist nun der Tag, an dem wir es erfahren "dürfen". Ach Herzlein! Dadurch lassen wir uns nicht betrüben und erbosen – es muß ja nun mal Urlaub geben. Ach Du! Du!!! Wir wollen Gott danken, daß er uns an diese Freude führte, gesund und froh!

Geliebtes Herz! Dein lieber Sonnabendbote ist zu mir gekommen! Er bringt mir wieder soviel Freude, Sonne und Liebe! Er zeigt mir aber auch, wie Du atemlos beinahe durch diese Tage gehst, Du! Du!!! Ich werde im Urlaub wohl einmal darüber mit Dir reden müssen. Ach Herzelein! Geliebte! Dieser Bote ist wohl nun der letzte, den ich an Dich richten kann, wenn wir am Dienstag fahren dürfen. Ich möchte ja heute am liebsten nun bei Dir bleiben – ach Du! Und nun kann ich eben nur ganz flüchtig Dein denken mit dem Stift. Um 6 Uhr müssen wir wieder in der Stadt sein. Da wird uns die Beförderung bekanntgegeben. Um 7 Uhr schon beginnt die Feier – und dann sollen wir heute gleich drin schlafen. Da kann ich kaum noch einmal zu Dir kommen – so gern ich es möchte. Ach, Du glaubst nicht, mit welcher Unlust ^ich an diese Feier gehe. Die Gesellschaft der jungen Burschen ist mir im Grunde zuwider. Aber auch diese paar Stunden werden vorübergehen wie schon so manche Stunden im Leben, denen man mit Unlust entgegensah. Viel lieber würde ich das Ereignis mit den älteren Kameraden feiern. Denk nur, die jungen Kerle sind vor einer halben Stunde schon zur Stadt gefahren, um sich vorher anzutrinken – ein Volk, ein Volk!

Herzensschätzelein! Wirst in Kamenz weilen?

Geliebte! Nun ist es 24 Stunden später, daß ich mich wieder zu Dir setzen kann, endlich! Gestern ging es doch nun überhastet fort, ich mußte alles stehen und liegen lassen, auch Deinen Boten.

Herzelein!

Geliebte! Nun das wichtigste mal zuerst:

Am Donnerstag, den 24. September, also 2 Tage später als geplant, darf ich in Urlaub fahren, zusammen mit Kamerad H. Endlich ist es entschieden,  Herzelein! Ach Du! Wenn wir nun auch 2 Tage länger noch ^uns  gedulden müssen, so dürfen wir doch von Herzen froh sein. Darf ich doch auch zwei Tage länger bei Dir bleiben! bei Dir bleiben – Geliebte! Du!! Du!!!!! Bin ich doch bei Dir in den Tagen der größten Sehnsucht! Du! Du!!! Bei Dir! Bei Dir! ganz bei Dir! geliebtes Weib! Dein Mannerli wird bei Dir sein. Du! Du!!!! !!!!! !!!

Oh Herzensschätzelein! Nun müssen wir doch noch ein paar Tage ganz geduldig sein. Wenn Du Dir nur nicht erst schwere Gedanken machst, daß ich nicht ganz pünktlich komme. Mein Bote wird Dich ja zu spät erreichen. Am Donnerstag wirst Du mein warten. Am Freitag wird Dich mein Telegramm erreichen, das ich, wenn irgend möglich, von Wien aus senden will. So wirst Du 24 Stunden im ungewissen sein. Wenn ich noch Geld übrig habe –das ist aber ganz unwahrscheinlich – schicke ich ein Telegramm von hier aus, das ist möglich. Ach Herzelein! Kannst Dir denken, daß auch ich nun so auf die Gewißheit gewartet habe. Nun weiß ich doch, woran ich bin. So Gott will, bin ich am Sonnabendmorgen bei Dir – und über achte Tage um diese Stunde, da haben wir einander – oh Du! Du!!! Du!!!! !!!!! !!! Da haben wir einander! Mein Schätzelein möcht' mich so gerne abholen! Und ich möcht' mich doch sooo gerne abholen lassen! Wollt` doch mit Dir gleich mal die ganze Strecke fahren! Ach Herzelein! Ganz still und brav neben Dir sitzen und schauen – und Deine liebe, liebe Hand wollte ich halten, und eine wollt` ich hüllend um Dich legen – Geliebte! Ich ließe Dich doch gleich mal bis Wien entgegenkommen, wenn nur alles gewisser wäre.

Ach, Du sollst mich heimholen, geliebtes Weib. Und glücklich, ganz glücklich wollten wir unserem Heim, unseremNest zufahren. Du! Dein [Roland] läßt sich doch sooo gerne heimholen – nur von Dir! von Dir!!! Und er will sein Weibchen, sein liebes Frauchen sooo glücklich, so im tiefsten Herzen glücklich, heimführen! Und Du wirst mir ebenso glücklich folgen, sooo glücklich! Heim – ganz heim, ganz heim! Du!!!!! !!!!! !!! Herzlein! Ich will doch auch anrufen von Chemnitz. Ich weiß nun die Züge gar nicht von Dresden nach Chemnitz, kann auch nichts Bestimmtes sagen. Der Urlauberzug kann Verspätung haben – und was noch alles sein kann. War doch schon ein Treffen zwischen Lichtenhain und Oberfrohna schwer zu verabreden – zwischen Sofia und Oberfrohna ist es noch ein wenig komplizierter. Aber wenn alles pünktlich geht, dann kann ich von Dresden wohl einen Personenzug nehmen, der gegen 8 Uhr in Chemnitz eintrifft, oder einen D-Zug, der gegen ½ 10 Uhr da ist. Und ich will doch durch die Hauptsperre gehen und werde nach meinem Schätzelein schauen, ob es unter den Wartenden steht –

oh Du!! nach meinem Herzlieb, nach meiner [Hilde] schauen! Ob ich sie erkenne? Oh Du! Du!!

Die ist’s unter den Menschen, die am liebsten und sehnlichsten wartet! Das Menschenkind mit dem größten, tiefsten Herzen, das am raschesten, am glücklichsten schlägt? Ach, nicht das auffälligste unter den Wartenden – aber die Eine, die Feine, die Einzige — oh Du! Die Einzige!! Die Meine, die so fest und tief und unlöslich meinem Herzen verbunden ist – mein Weib! Meine [Hilde]! Du! Oh Du!!! Geliebte mein!!! Über alles Geliebte! Meine [Hilde]!

Meine [Hilde]! Meine liebe [Hilde], Du!!!!! !!!!! !!! Ach Herzelein! Wenn ich dieses Augenblickes denke, dann will doch meine Geduld sich losmachen von allen Fesseln – oh Du! Du!!! Ich liebe Dich so sehr! Ich habe Dich so unendlich lieb gewonnen! Immer immer lieber! Oh Du! Mein Alles! Mein Leben!!! Oh Herrgott im Himmel! Schenke uns Kraft und Geduld! Segne unsre Liebe! Halte uns demütig im Glücke! Laß uns einander wohlbehalten wiedersehen! Amen!

Ach Geliebte! Nun wird doch die Ungeduld mächtig aufstehen in den nächsten Tagen – keine rechte Arbeit vor uns – nur warten! warten!! Gut, daß ich die Kameraden habe. Der Mittwoch wird mit den letzten Vorbereitungen voll ausgefüllt sein. Und an den Tagen vorher wird sich auch mancherlei finden. Kamerad R. soll ein [sic] Tag früher, also am Mittwoch fahren. Das neue Kommando erfahren wir 3 Urlauber jetzt noch nicht, erst nach Rückkehr aus dem Urlaub. 3 von den übrigen Kameraden kehren zu ihrem alten Kommando zurück, einer kommt nach Od. [sic], zwei verbleiben vorläufig hier. Nun will ich Dir nur ganz kurz von unsrer Feier erzählen.

Um 6 Uhr waren wir wieder in der Stadt. Um 7 Uhr wurden die Prüfugsergebnisse bekanntgegeben und die Beförderungen ausgesprochen. Alle haben bestanden. Das Mannerli ging als erster durchs Ziel – gewiß, weil es so fleißig ans Weiberl gedacht hat – Du! Ich habe doch gar keinen Ehrgeiz entfaltet. Kannst Dir denken, daß die jungen nun schon ihren Drasch gehabt hatten mit den Dekorationen, den Litzen und Tressen, und kaum war die Beförderung ausgespochen, da hatten sie schon alles dran. Für die ist das alles spannender und wichtiger. Wir hatten nicht einmal Litze und Anker bekommen und haben uns heute erst noch einmal gekümmert, weil wir`s nun ja anlegen müssen. Dem Mannerli fiel nun plötzlich noch die Aufgabe der Tischrede zu. Dann war er aber ledig aller Pflicht. Es gab eine gute Suppe, einen Entenbraten mit Rotkraut, einen guten Wein – und dann wurde getrunken: Bier, Eierkognak, „Masliko“ (ein kräftiger Anisschnaps), alles durcheinander, zu einer Quetschkommode wurde gesungen und so gingen die Stunden hin bis zu dem Zeitpunkt, den ich mir gesetzt hatte. Um 12 Uhr lagen wir 3 älteren Kameraden, – Kamerad K. hielt sich zu den jungen – im Bettlein, und hörten nur noch von Ferne den Lärm derer, die des Guten zu viel taten. Heute am Vormittag blieben wir in der Stadt. Wir bummelten durch die Straßen – und waren so von ganzem Herzen froh – am meisten aber Dein Mannerli – ich habe doch so fest und lieb immer Dein gedacht! Du! Du!!! Über ein Stündchen haben wir an einem Kinderspielplatz gesessen und hatten Gelegenheit, ungeschickte Mütter zu beobachten. Eine, die mit dem ^Dienst Mädchen daherkam, das Kindchen für den Spielplatz umzog, ihm ein langes, weißes Kleid antat (!) – eine andre, die mit Löffel und Kochgeschirr hinter ihrem knapp zweijährigen Bübchen herlief und den Ausbund so fütterte. So haben wir uns des längeren von [sic] Kindererziehung unterhalten. Kamerad R. hat eine gute, herzige, ernste Art, über solche Dinge zu reden. Kamerad H. hat dazu geschwiegen – und das Mannerli, hat fleißig mitgeredet, theoretisiert, gesagt, wie es sein solle – na, ein wenig Praxis hat es doch auch, wenn auch noch nicht an den eigenen Kindern. Gelt, liebes Weib, noch nicht! Du!!! Ach, wir werden Gott bitten, daß er uns gute Kinder schenkt zu rechter Zeit. Ich werd darüber so glücklich sein wie Du!

Herzelein! Unsre Kindlein! Von Deinem und meinem Blut! Ach Du! Von Deinem! Von Deinem auch! nur von Deinem!!! Geliebte !!!!!!!!!!!!!

Herzelein! Ganz allein bin ich doch jetzt mit Dir! Alle sind ausgeflogen. Ach, ich muß doch erst einmal bei meinem Herzensschätzelein bleiben – Du! Du!!! Deine lieben Bilder habe ich mir wieder vorgenommen – oh Du! Daß ich doch bei Dir sein könnte!!! Ein wenig Geduld nur noch, Geliebte! Wo wirst Du weilen? In Kamenz noch? Ach Du! Jetzt um die Abendstunde möchte ich bei Dir sitzen und einer schönen Musik lauschen! Euer Radio spielt doch wohl nun auch besser, seit Ihr die Antenne legen ließet?

Hier in S. [sic] weilt ab morgen auf drei Tage das Berliner Philharmonische Orchester mit dem Dirigenten Knappertsbusch. Ich habe gehört, daß er morgen am Vormittag vor den Soldaten im Opernhaus spielen wird. Wenn irgend möglich, werde ich dieses Ereignis nicht versäumen. Ich kann Dir nun gar nicht sagen, was wir in den nächsten Tagen beginnen werden, ob wir einen Dienst tun müssen. Vielleicht. Aber wenn ich es auch wüßte und Dir sagte – eher, als ich es Dir erzählen kann, wirst Du es ja kaum erfahren. Denn das Mannerli wird so schnell sein wie der Bote, wenn nicht noch schneller, Du!!! Ach! Noch fünfmal ins Bettlein steigen – dann geht die Reise los! Und das sechstemal brauche ich gar nicht allein hinein zusteigen!

Ach Herzelein!

Geliebte![*] Viel, viel Liebes möchte ich Dir noch sagen! Von meiner Freude! Von meiner Sehnsucht! Von meinem Heimverlangen! Von meiner Liebe, die so mächtig, sooo übermächtig, zu Dir drängt – oh Geliebte!!! Die Worte reichen nicht aus, sie sind zu schwach – und das Herze muß ich ganz fest in beiden Händen halten – und müde bin ich auch heute. Habe jetzt mehrere Nächte nicht gut geschlafen und muß nun etwas nachholen. Gleich werde ich mir Deine lieben Boten noch ein Stündchen vornehmen – werde mich führen lassen von Deiner Liebe zu Deinem Herzen!

Herzelein! Herzensschätzelein! Geliebte!

Behüt Dich Gott! Bleib mir froh und gesund!

Ich will Dir doch nun bald heimkehren! Will ganz bei Dir wohnen, an Deinem Herzen ausruhen, in der Sonne Deiner Liebe gehen – und will Dir Ruhe sein, und Sonne – will mein Herzblümlein bescheinen, bescheinen – sooo lieb, soooooo lieb!!! Oh Du! Du!!! Wartest mein! Wartest mein!!! Das liebste und reichste und schönste Weib wartet mein!

Oh Du! Meine [Hilde]! Du wartest mein! Und ich will zu Dir kommen! Zu Dir! Oh Geliebte! Wir sind so glücklich!

Ich küsse Dich vieltausendlieb! Ich habe Dich so lieb, sooo lieb! Ach Du! Ich kann es Dir doch gar nicht sagen – aber ich will zu Dir kommen!

Meine [Hilde]! Mein Alles! Mein Leben!

Ich bleibe ewig

Dein [Roland],

Dein glückliches Mannerli!

 

[* Fast vollständig bedeckt von einem Tintenfleck]

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Autor Roland Nordhoff
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Über den Autor

Roland Nordhoff

Foto von Roland Nordhoff. Nahaufnahme, Person sitzend in einem Fensterrahmen.
Ba-OBF K01.Ff2_.A39, Roland Nordhoff, 1940, wahrscheinlich Bülk, Fotograf unbekannt, Ausschnitt.

 

Roland Nordhoff wurde 1907 in eine bürgerliche Familie in einem ländlichen Dorf im östlichen Sachsen, Kamenz, hineingeboren. Nachdem er ein Musikstudium aufgegeben hatte, arbeitete er als Dorflehrer in Oberfrohna, nahe Chemnitz. Im Frühjahr 1938 wurde er nach Lichtenhain in Sachsen versetzt

Über die Korrespondenz

Oberfrohna

Fotografie des Brautpaars Nordhoff am Tag ihrer Hochzeit vor dem Portal der Kirche.

Das Konvolut aus Oberfrohna befindet sich gut erhalten in privaten Händen in Deutschland. Es umfasst 24 Aktenordner mit ca. 2600 Briefen, die zwischen 1 und 20 Seiten lang sind. Der Briefwechsel beginnt im Mai 1938 und dauert, mit einigen kurzen (Urlaubs bedingten) Unterbrechungen, bis Februar 1946