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[OBF-420910-001-01]
Briefkorpus

Donnerstag, den 10. Sept. 1942

Herzallerliebste mein! Du, meine [Hilde]! Geliebte!!!

Vorbei ist nun die dumme Fragerei, gut vorbei, Herzelein. Ich war doch zuletzt ganz ungeduldig, denn die Uhr ging schon auf 11, und um 10 Uhr begehrt doch ein Bote schon Einlaß, den ich nur ganz gezwungen warten lasse. Kennst Du ihn wohl? Der Tag und Nacht zum Mannerli kommen darf, ohne anzuklopfen, der alle Schlüssel bei sich hat, auch die Geheimschlüssel bis zum letzten Herzkämmerlein – ach Du, der in meinem Herzen ein- und ausgeht und darin sich auskennt wie ich selber – und in manchem vielleicht sogar besser? Oh Du! Du!!! Geliebtes Wesen! Ich habe doch nichts lieber, ich bin doch überglücklich, wenn Du durch die Kämmerlein gehst, wenn die Türen gehen, von Deiner Hand bewegt, wenn Du, Holde, über alles Geliebte, darin wohnst und gebietest! Herzelein! Herzelein! Ganz leer stand die Wohnung doch – und war doch alles schon lieb und festlich bereitet – für die Eine, die Einzige, die Geliebte! Für Dich! für Dich!!! Mein liebe [Hilde]!!! Oh Herzelein! Ich kann doch heute gar nichts schönes schreiben, die Feder kann gar nicht folgen – weil ich so bewegt bin von Freude und Glück, die Du, Geliebte, mir in Deinem lieben Boten bringst! Du mußt wohl die frohe Kunde vernommen haben, über alle Ferne, die ich an eben dem Donnerstag für Dich hatte! Ach Herzelein! Und Du hast sie wohl auch eben heute erhalten! Du liebes, liebes Herz! Daß ich Dir diese Kunde bringen konnte! Daß ich Deine Hoffnung gewissermaßen kannte! Oh Du! Könnte ich Dir doch viel Lieberes noch erweisen! Oh Du! Bleib mir! Bleib mir gesund! Hüte Dich recht, Schätzelein! Typhuskranke sind im Ort. Du selber bist nicht wohl, und nun sind auch noch die bösen Tage gekommen, es wird Dich geschwächt haben. Hüte Dich, Herzelein! Wenn nun wieder die Herbstzeit kommt mit ihren Erkältungen, und die Kinder tragen dann Krankheiten, heißt es tüchtig aufpassen. Ich bin in der glücklichen Lage, daß ich nicht so leicht anfällig bin, und daß mich die umgehenden Krankheiten, wenn überhaupt, dann nur leicht packen. Beuge immer beizeiten vor, und halte auf einen ge[wi]ssen Stand Deiner Kfte – rücksichtslos, Geliebte!!!

Ach Du! Du!!! Ob das Mannerli auch schon an den Urlaub denkt? Du! Du!!! Aber leise noch immer! Du, kann auch geschehen, daß ihr daheim einen Urlaub unmöglich macht: wäre Typhus im Ort, könnte ich nicht nach Oberfrohna kommen – aber nach Kamenz – Du! wir würden uns schon eine Tür offenhalten, gelt? Ach, was wirst [Du] denn nun sagen, wenn das Mannerli jetzt all Deine Pläne durcheinander bringt – das ganze liebe Frauchen durcheinanderbringt, gelt? – Und da ist ja auch noch Kirmes, daran hätte ich gar nicht gedacht! Du! Wenn das Mannerli heimkommt, können wir eigentlich Besuch gar nicht gut brauchen – gelt? Aber, da brauch ich mein Schlauköpfle gar nicht drum anzustrengen, für diese Geheimsachen habe ich doch in meinem Frauchen, in meinem Evchen – bist Du’s denn noch?!!! – den besten Anwalt und Verteidiger! Und wenn das Mannerli Dir mal etwas nur andeutet wie neulich, so hat das auch einen ganz besonderen Grund, Du!, in diesem Falle nämlich den, daß ich es in einem Brief nicht schreiben darf. Geheimnisse? – Du hast doch die Schlüsslein alle – alle – ja, ja, alle, Du! Du!!!!!!!!!!!!! Aber nun bin ich doch eigentlich neugierig, wie Du entscheidest. Wenn ich dir nur recht bald Gewisseres sagen könnte. Vielleicht versuch ich’s heut[`] abend noch einmal.

Ach Herzelein! Nun leuchtet mir aus Deinen Augen, Deinem Herzen alle Freude wider, alle Liebe, alles Glück!!!

Freude, eitel Freude ist in uns auf ein Wiedersehen, weil wir einander sooo lieb haben – weil wir uns so sehnen, so warten aufeinander – weil wir uns so ganz haben – ach Herzlein, weil mit dem Wiedersehen uns glückvollstes Einssein verheißen ist. Weil nicht ein Wölkchen, weil nicht ein Schatten zwischen unsren Herzen steht – weil wir denn ineinander den Ort letzter Traute finden – oh Herzelein! Geliebte! Um solches Glück, um solche Liebe lohnt es sich zu leben, zu warten und zu dulden. Lohnt sich vieltausendmal, aber nur um solche Liebe! Oh Herzensschatz! Wie liebst Du mich! – wie lieb ich Dich!!! Du kannst ja nicht anders wie ich: mußt dieser Liebe leben und harren – oh Du! Du!!! Du!!!!!!!!!!!!!

Ach du! Geliebte! Wenn ich erst wieder bei Dir sein kann! Neben Dir sitzen, und die geliebten Hände in den meinen halten! Und fein vorlesen will ich Dir, magst Du? Wir kriechen miteinander unter die Decke und stecken die Beineln [sic] zusammen - und dann lese ich für Dich! Oh Du! Das tu ich doch so gern! Dann red ich doch zu Dir – allein zu Dir! Dann bin ich Dir so nahe! Fein, fein, daß Du etwas von Dauthendey besorgt hast. Und ich weiß auch noch andere Geschichten. Ach Herzelein! Geliebte! Die Tage langen ja gar nicht aus, das längste Leben reicht nicht aus, daß unsre Liebe sich erschöpfen könnte! Herzelein! Geliebte! Ich habe es Dir schon so oft bekannt: Wie hast Du mein Leben sooo reich gemacht! Herzelein! Das ist doch das untrüglichste Zeichen aller guten Liebe: daß sie alles Gutsein aufruft in uns, daß sie alles, das letzte von uns fordert, und daß wir es beglückt einander bringen zum Geschenk. Oh Herzlein! All mein Lieben kreist um Dich, um Deine Person, um Dein Wesen – Herzelein, sie schlägt zusammen zu hüllendem, schützendem Mantel – Hand in Hand gehen wir miteinander und wollen miteinander das Beste, das Höchste, das Eigenste –Erfüllung dieses Lebens. Unsre Liebe treibt zum Leben – und das Leben wieder vertieft unsre Liebe! Oh Herzelein! Ich bin um Dich! immer, immer – Du hältst mich in Deinem Bann! Du Zauberschätzelein! Ach Du! Du!!! Wie lieb ich Dich! Wie lieb ich Dich? Sooo sehr!!! Herzelein! Ich hab doch vorhin gefragt: unser Urlaub ist genehmigt, Du! – ist genehmigt! Oh Herzelein! Laß uns dankbar die Hände halten zum Himmel! Gott führe alles zum Guten hinaus.

Herzlein! Das Mannerli ist doch eben aus der Stadt herein, war diese Woche zum ersten mal drin, Kamerad H. war mit mir! Ich wollt[`] doch wieder mich umschauen – für mein Schätzelein! Das Mannerli hat Glück gehabt – hat eingekauft ohne Geld; hat alles zurücklegen lassen, weil wir das Geld erst kurz vor unserem Urlaub bekommen – ach Schätzelein – Was? Das ist nun aber ein Geheimnis, das ich vor Dir habe –bis — in 14 Tagen vielleicht!!! Mein Feinslieb hat soviel Liebes zu verstecken immer – will das Mannerli ihm es nur ein klein wenig nachtunm, gelt? Und wenn ich dann bei Dir bin, sollst Du alles entdecken, Du! Geliebte!!!!! Ach Herzelein! Es sind das alles nur Nebenfreuden, Nebensonnen, neben der einen großen Freudensonne des Wiedersehens, die uns nun wiederaufgehen soll.

Du, Schätzelein! Nun muß ich Dir auch das Mündlein stopfen – wie mach ich's nur? –Mit tausend lieben Küssen, Du! Du!!! Du!!!!! !!!!! !!! Wirst [Du] Dir das gefallen lassen?

Ach, Du wärst nicht mein liebes Weiberl, wenn Du Dich nicht zur Wehr setzen würdest mit – tausend lieben Küssen – Du! Du!!! Da langt aber der Tag nicht aus – Du! – ach, das sind nun Probleme üb.[er] Probleme! Die müssen wir dann miteinander lösen – müssen unsre Köpfe zusammenstecken Du!!! Du!!!!!

Ach Herzlein! Wie hast Du mich sooo lieb! zu lieb hast Du mich!

Aber ich hab Dich nicht weniger lieb!

Herzelein! Es ist doch jetzt Freitag morgen. Mannerli hat schlecht geschlafen heute nacht – wir sind gestern geimpft worden gegen Typhus, da gab es ein wenig Fieber; aber mehr wohl deshalb, weil mein Herzensschätzelein sooolieb [sic] und lang mein gedacht hat!

Wenn Du nur wieder recht gesund bist. Herzelein! Ich möchte es Dir ganz sehr einschärfen noch einmal: Hüte Deine Gesundheit. Halte auf Deine Kräfte — rücksichtslos! Was nützen der blitzblanke Keller, die gebohnerten Treppen, die blitzende Wohnung – wenn Du dann daliegst! Und so wie dann im Hause alles nebensächlich ist, so erst recht aer dem Hause – und nicht erst daran denken, wenn es zu spät ist! Herzelein! Wir sind nun vernunftbegabte Menschen, und haben doch unsre Schwächen, haben unseren falschen Ehrgeiz auch, die sich im entscheidenden Augenblick rächen, jetzt im Kriege doppelt. Herzelein! Denk immer dann an das Mannerli in Deinem Herzen! Es wäre ganz streng darin, wenn es bei Dir daheim wäre, Herzelein! Und wenn es Dir nicht darum ist, dann bleibt eben das Großreinemachen. Hängt denn eine Seligkeit daran? Ist es denn auch nur einen Tag Unwohlsein wert? Nein! Und wenn es mir nicht darum ist, da kann schon eine Doppelkirmes kommen, dann fällt sie eben aus, dann unterbleiben alle Vorbereitungen. Herzelein! Das ist der einzige, vernünftige und zu verantwortende Standpunkt, den ich in unserem Heim unnachsichtig durchsetzen werde! Und ich werde es dann selber übernehmen, die Gäste abzubestellen usw. Und diese Vernuft sollst Du schon in Deinem jetzigen Kreise anbahnen. „Mensch, werde wesentlich!” [Angelus Silesius] so lautet ein Streitruf, der wohl so ernst und bedeutsam ist wie kein and[e]rer, der sein Gegenstück hat in dem „Eins ist not!” der Bibel [Lukas 10,38-42]! Dieses Wort will uns die Augen öffnen vor all den Nichtigkeiten, Nebensächlichkeiten, dem Falschen, dem Plunder, mit denen wir unser Leben behängen und belasten.

Es ist tatsächlich keine größere Seite des Menschen, als wenn er unterscheiden lernt zwischen falsch und echt, zwischen wichtig und nichtig.

Ach Du! Mein ich es bös[`]? Du! Du!!! Vieltausendlieb mein[`] ich es mit Dir!

Du wolltest es nicht glauben? Du! Du!! Ich schließe Dich in meine Arme – ich presse Dich an mein Herz – und küsse Dich – und lasse Dich nicht! – weil ich Dich so lieb habe! Weil Du mein Alles bist! Meines Lebens ganzes Glück! Mein Leben selber!

In unwandelbarer Liebe und Treue

ewig

Dein [Roland]!

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Autor Roland Nordhoff
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Über den Autor

Roland Nordhoff

Foto von Roland Nordhoff. Nahaufnahme, Person sitzend in einem Fensterrahmen.
Ba-OBF K01.Ff2_.A39, Roland Nordhoff, 1940, wahrscheinlich Bülk, Fotograf unbekannt, Ausschnitt.

 

Roland Nordhoff wurde 1907 in eine bürgerliche Familie in einem ländlichen Dorf im östlichen Sachsen, Kamenz, hineingeboren. Nachdem er ein Musikstudium aufgegeben hatte, arbeitete er als Dorflehrer in Oberfrohna, nahe Chemnitz. Im Frühjahr 1938 wurde er nach Lichtenhain in Sachsen versetzt

Über die Korrespondenz

Oberfrohna

Fotografie des Brautpaars Nordhoff am Tag ihrer Hochzeit vor dem Portal der Kirche.

Das Konvolut aus Oberfrohna befindet sich gut erhalten in privaten Händen in Deutschland. Es umfasst 24 Aktenordner mit ca. 2600 Briefen, die zwischen 1 und 20 Seiten lang sind. Der Briefwechsel beginnt im Mai 1938 und dauert, mit einigen kurzen (Urlaubs bedingten) Unterbrechungen, bis Februar 1946

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