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[OBF-420805-001-01]
Briefkorpus

Mittwoch, den 5. August. 1942

Herzensschätzelein! Geliebtes Weib! Meine liebe, liebste [Hilde]!

Mittwoch – da kann ich doch ein Stündchen länger zu Dir kommen – und darauf habe ich mich schon den ganzen Tag gefreut – ach Du! Du!!! Goldherzelein! Beendet ist der Dienst – und dein Mannerli sitzt auf dem Dachgarten – so wie mein Frauchen nicht dasitzen durfte – höchstens, wenn es mit dem Mannerli ganz allein wäre – das liebe Herzlein will doch auch nach Luft schnappen, gelt? – Du!!!

Heute früh sind wir doch zur Geländeübung ausmarschiert, die ganze Kompanie – den ganzen Bimmelbammel umgehängt: Stahlhelm, Gasmaske. Zeitiger brauchten wir nicht aufzustehen. Die Feindpartei war schon eine halbe Stunde früher aufgebrochen. Es gab also ein richtiges Soldatenspiel, das der Wirklichkeit natürlich nicht entsprechen kann. Viel zu nahe gerät man aneinander, und die Waffen, die Fernwaffen kamen nicht zu Worte und gaben den Unternehmungen einen unwahrscheinlichen Verlauf. So wären wir längst gesehen worden, hätten Feuer bekommen und wären gezwungen gewesen, weiterhin ganz anders vorzugehen. Interessant war mir der Einblick in die Gegend. Durch Weinfelder sind wir gekrochen – hm [sic], die feinen Trauben, aber noch hart, sie brauchen noch vier Wochen. Durch Mais- und Sonnenblumenfelder sind wir gegangen. Mächtige Kolben stecken in den grünen Hüllen, an mancher Pflanze zwei, mehr als hundertfältige Frucht. Der Mais steht sehr dicht, und dazwischen, am Boden, kriechen die Kürbis- und Melonenpflanzen. Gut angebaut das Land. Alles, was an Hecken und Büschen wild wächst, ist dornbewehrt, und wenn man nicht acht hat, kann man sich ganz schön ritzen. Das Getreide ist ja schon vor einem Monat geerntet worden. In dieser Gegend werden auch Gemüse feldmäßig gebaut wie in Kamenz: Bohnen, Zwiebeln, Paprika. Die Paprika wächst an Büschen, die der Bohne ganz ähnlich sieht.

Auf dem Rückmarsch, nach dem Sammeln, sind wir durch ein Dorf gezogen, Zarewo. Wenn ich länger hier wäre, müßte ich diese Gegend durchstreifen, um sie kennen zu lernen. Wir sind ja zu uns[e]rer Übung landwärts, also auch bergwärts gegangen und hatten so rückblickend immer das Meer, die Bucht, eingefaßt von blauenden [sic] Höhen und Ufern, vor uns. Die Marschleistung war ganz unbedeutend, aber das Bewegen im Gelände hat uns doch in Schweiß gebracht, müde gemacht – und hungrig. Wir waren ganz pünktlich, um 11 Uhr, daheim, haben gleich ein Bad genommen – und konnten uns dann richtig sattessen.

Einen kleinen Unglücksfall gab es dabei: ein Soldat hat sich mit einer Platzpatrone eine Verletzung zugezogen. Er wurde gleich mit dem Wagen heimgebracht. Weißt, eine kleine Ahnung, eine Ahnung hnur, bekommt man von den Leistungen und Strapazen der Soldaten, die so dem Feinde stehen müssen im Felde [sic]. Unmögliches kann natürlich kein Mensch vollbringen, und all die weil [sic] in die Linien des Feindes vorstoßenden Angriffe sind ohne Panzer nicht zu denken. Und welche seelische Anspannung dann noch zu der körperlichen, wenn die tödliche Kugel Lücken reißt in die Reihen, wenn man, wie in diesem Kriege, sich hunderte, tausende von Kilometern von der Heimat entfernt und über diese Strecken nur Öde, Verlassenheit, trostlose Weite weiß. Darf dann die Post lange nicht nachkommen [sic], so sind das Proben auf die letzten Kräfte, die an keinem Menschen spurlos vorübergehen.

Oh Herzelein! Im tiefsten Frieden hat Dein Mannerli immer sein können bisher, es hat noch nicht eine solche Probe zu bestehen brauchen, und vom Kriegsgewitter hat es noch kaum einen Wetterschein gesehen. Mancher, viele vielleicht, mögen das ein Mißgeschick nennen, eine Benachteiligung – ach Du! im Blick auf unser Leben, auf uns[e]re Lebenspläne, auf uns[e]re Liebe mag ich es doch nur als ein gutes Geschick preisen. Dein Mannerli würde gewiß seinen Mann stehen und die Zähne zusammenbeißen – es würde aber auch darunter leiden und mehr Kräfte daher daransetzen als viele andere. Das ist nun so. Und das weiß ich, dieser Grenzen bin ich mir bewußt – und deshalb nenne ich es ein gütiges Geschick.

Zwei liebe, liebe Booten liegen mir doch zur Seite – vom Dienstag und Mittwoch – sie sind heute zu mir gekommen und haben mir doch soviel Freude gebracht – ach Du, Geliebte! [Sie] Haben mich doch uns[e]res Glückes wieder ganz froh und bewußt gemacht – und ganz offen steht mein Herze – hat Dir sich geöffnet und will Dir alles Glück zurückstrahlen, Du! Du!!!

Ach, Herzelein, wenn Du es nur schauen könntest! Ganz offen steht Dir mein Herze, Dir allein! Dich zu umpfangen [sic] und Dich zu beschenken! Oh Du! Du!!! Wie ich Dich liebe! Wie ich Dich liebe! Oh Herzelein! Du bist mein!!!!! Bist mein, Du! Du!!!!! !!!!! !!! Auch Dich verlangt es im gedrängtesten Alltag das Liebste zu suchen – auch Dir ist der Alltag nur Hülle ‚unter und hinter Dir‘ Du Dein Eigenleben hast und führst, hinter der sich die Traute und das Eigenleben uns[e]rer Liebe verbirgt. Ach Herzelein! Dieses Bekenntnis macht mich so froh, weil es mir einmal mehr zeigt, wie wir einander verwandt sind, und wie Du unser Glück, unser Liebstes so tief in Dir trägst, daß Du nur zwischen uns als eine eigene Welt, die ganz unser Eigen ist, als unser Land der Liebe es gelten läßt. So sind wir beide: daß wir unser Glück verbergen möchten vor anderen, daß wir vor den Menschen wohl frei und einträchtig und treu uns zeigen, aber unser Liebsein, uns[e]re heiße, innige, leidenschaftliche Liebe verbergen als unser Heimlichstes, Liebstes, Köstlichstes, Ureigenes. Ach, so hat dein Mannerli ja schon immer ein Doppelleben geführt – eines vor der Öffentlichkeit, der Beruf bringt es mit sich, und ein Eigenleben daheim. Ach Du! Und zu diesem Eigenleben fehlte doch das Schönste, das Liebste! Was wäre die Sonne ohne die Welt, die sie bescheint zu ihrem Glücke? Ach Herzelein! Ich konnte doch gar nicht Zwiesprache halten als nur mit mir selber. Oh Du! Du!!! Mein Herzblümelein! Meines Zagens Widerhall und Widerschein! Herzens Ruhe und Heimat, Du! Oh Geliebte! Welch[‘] tiefes Sehnen hast Du mir erfüllt! Mit Dir bin ich doch erst ganz und vollkommen! Du gehörst zu mir, Du!! Du!!! Du nimmst ihn doch ganz ein, den Thron in meinem Herzen! Oh Du! Mein liebes, einziges Weib! Du! Meine Geliebte [Hilde]!!! Mein! Mein!!!!! !!!!! !!! Ach Herzelein! So kann ich doch gar nicht bangen darum, daß wir uns auseinanderleben. Alles, alles hüten und bewahren wir einander in heißer Liebe und Treue! Oh Herzelein! Ich komme nur zu Dir mit allem – ich kann nur zu Dir kommen! Meine Treue, meine Liebe zu Dir und Deine Liebe zu mir, mein ganzes Wesen und dazu noch die Fremde schützt uns[e]re Liebe, unser Glück. Mein Schicksal ist uns[e]re Liebe – ich kann nicht anders! Und Du, Geliebte, auch Du bist nicht minder lieb und treu! Du mußt mich ebenso liebhaben – meine Liebe findet zu Dir – und Du mußt sie erwidern – aber ich weiß es doch noch glücklicher: Wie Deine Liebe nicht nur Antwort und Widerhall ist, wie sie selber drängt zu mir – ach Du! Du! Das ist doch eben uns[e]rer Liebe Geheimnis: dass wir beide so tief zueinanderneigen mit uns[e]ren Herzen und Wesen! Daß es uns beide drängt zu innigstem Einssein! Ach Du! Du!!! Du wartest mein! Du bleibst mir! Du hältst mir die Treue! Schicksal ist auch Dir uns[e]re Liebe! Des Lebens Ziel und Erfüllung und ganze Freude!

Oh Du! Geliebte! Und wir können nicht anders glauben, als daß Gott diese Liebe, dieses Wollen segnen wird! Ach Du! Ewig wollen wir ihm dafür danken und ihn loben! Und ihm dienen!

Berichtest mir nun so lieb von allen Neuigkeiten[.] Zweiter vergeblicher Besuch bei Frau S. Ist der Herr S. wohl schon gestorben? Die liebe Mutsch hast Du mitgenommen – arbeitet sie denn schon an der neuen Stelle? Zum Mittwoch sahst Du Leute geputzt zur Bahn gehen schon am Nachmittag. Also gibt es solche auch noch? Das kann Dein Gewissen nur beruhigen. [Du] Hast ja wieder soviel [sic] Pläne und alle Hände voll Arbeit und Beschäftigung. Und wer wollte sagen, daß sie nicht notwendig sei? Und ich bin doch froh, daß Du Dir immer etwas zu schaffen machst, daß Du so über die böse, lange Wartezeit hinwegkommst. Ach, und mit meinen Boten will ich sie Dir doch verkürzen helfen – Du! Liebes, liebes Weib! [Du] Mußt sooo lange auf Dein Mannerli warten diesmal. Ach Du! Herzelein! Die Hoffnung auf ein baldiges Wiedersehen lebt doch auch in mir! Nur dieser Kursus steht wie ein unüberwindliches Steinhindernis davor. Wenn er nur erst vorüber ist – dann ist die Hoffnung erst wieder ganz frei – Geliebte! Und wenn der Kursus nur erst in seinem ersten Teil vorüber ist, dann können wir freier blicken. In den nächsten Tagen entscheidet sich, wann und wofür wir zum Fachlehrgang abkommandiert werden. Denk, bald müssen wir schon wieder ans Packen denken! Und nun ist das Mannerli schon wieder ein wenig schwerer bepackt – alles für den Urlaub doch! Du! Du!!!!! !!!!! !!!

Kamerad H. erhielt heute Nachricht aus Saloniki: Kamerad K. ist in Urlaub! Wir neiden ihm den Urlaub nicht. Kamerad H. hat den Lehrgang bis jetzt sehr gut durchgestanden, obwohl er eine ganz kurze Rekrutenausbildung nur gehabt hat. Und wenn die letzte Woche noch ganz anders werden sollte, so dürfen wir doch sagen, daß der Himmel uns ganz gnädig war. Schon der nächste Lehrgang wird Strand und Meer nicht mehr so ausnützen können. Die Befürchtungen wegen der Hitze sind gar nicht zugetroffen. Na – und wenn das Mannerli dann Maat ist, wird es über seinen Urlaub noch ein wenig besser wachen können als bisher – gelt? Geliebtes Herz!

Ach Ja, Du, liebes liebes Herzblümelein! Darüber könnte ich schon manchmal traurig werden, daß ich Dich nicht bescheinen [sic] kann. Die Kameraden um mich her können es ja auch nicht und die vielen Blümelein daheim, die auch die Sonne entbehren müssen. Aber ich wollte doch mein Herzblümelein doppelt lieb bescheinen! Ich habe es doch noch gar nicht so lange entdeckt und wollte es doch mit meinen Strahlen eben ganz erfüllen und erschließen! Ach Geliebte! Wenn ich nur fühlte, daß Du ein wenig unzufrieden wärest, daß mein Herzblümelein fröre und deshalb nach anderen Sonnenstrahlen sich umschauen müßte – ich würde ja vergehen vor Ungeduld und Traurigkeit.

Aber sooo froh und glücklich Du sein darfst darum, daß ich ganz fest gehalten bin und erfüllt von Deiner Liebe, oh Du, bis in des Herzens Tiefen!, so darf ich es sein in der Gewißheit, daß Du ganz glücklich bist in meiner Liebe, daß sie Dich ganz ausfüllt, und Dein Herz wärmt und erhellt mit Sonnenschein! Oh Herzelein! Geliebte! Die Herzstraßen finden zu Dir und zu mir! Und sie nähren den Quell uns[e]rer Liebe – sie lassen die Hoffnung auf ein glückliches Wiederschenken als das Höchste und Köstlichste in uns stehen und lebendig sein. Oh Du, Geliebte! Dieser Tag wird voll größten Glückes sein, da Gott uns einander wiederschenkt! Oh Du! Wir wissen darum: Gottes Geschenk ist es so wie uns[e]re Liebe selber!

Herzelein! Nun ist die Sonne wieder hinunter – zu Dir! Heute früh mußte ich doch gegen 4 Uhr mal aus dem Bettlein steigen, da stehen im Osten zwei liebe, liebe Morgensterne – ich denke, Jupiter und Venus. Du, daß ist ja ein richtiger Paar. Ach weißt [Du] – hinter den lieben Sternen birgt sich manches Geheimnis – manchmal scheint es mir, der Liebe Geheimnis selber. Ich Und ich muß immer wieder hinsehen nach ihnen – so, wie ich immer nur auf Dich schauen muß, Du! Lieber, lieber Stern! Ach Du, mein liebster, allerliebster Stern! Sternengeschwister – Sternenmenschen! – und wenn wir am Himmel stünden, da wäre doch gar kein Platz dazwischen, da wäre so wenig, daß es wie ein Stern schiene – und die Menschen müssten immerzu darnach [sic] aufschauen und würden sagen: „Die haben einander aber so lieb“. Ach … und das möchten wir doch gar nicht – ganz allein wollen wir mit uns[e]rer Liebe – ein Nestchen, ein Kämmerlein, oder unter dem Sternenzelt selber im Mantel der Nacht – ach Du! Du!!! Geliebte! Ich habe Dich so lieb! Sooo von ganzem Herzen lieb!

Gott sei mit Dir! Er schenke Dir bald wieder volle Gesundheit! Ich bin Dir ganz nahe voll Liebe und Zärtlichkeit! Du! Du!!! Liebes Herz! Oh Du! Du!!! Ich darf Dir ganz nah sein!!!!! !!!!! !!!

Ich küsse Dich/ ganz leis! Und tausendlieb! Du! Du!!! Mein Alles! Mein Leben!

Meine [Hilde]!!!

Ich bleibe ewig

Dein [Roland]! Dein glückliches Mannerli.

 

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R. berichtet von einer Übung („Soldatenspiel“) mit vollem Marschgepäck, die er aber als unrealistisch einschätzt im Vergleich zu den Kameraden im Feld. Er ist dankbar, dass ihm das bisher erspart blieb, meint aber, dass andere gerade das bedauern würden. Gleichzeitig berichtet er von seinen Eindrücken zum Ackeranbau. Anschließend innige Liebeserklärungen an H.

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Autor Roland Nordhoff
Korrespondenz Oberfrohna
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Über den Autor

Roland Nordhoff

Foto von Roland Nordhoff. Nahaufnahme, Person sitzend in einem Fensterrahmen.
Ba-OBF K01.Ff2_.A39, Roland Nordhoff, 1940, wahrscheinlich Bülk, Fotograf unbekannt, Ausschnitt.

 

Roland Nordhoff wurde 1907 in eine bürgerliche Familie in einem ländlichen Dorf im östlichen Sachsen, Kamenz, hineingeboren. Nachdem er ein Musikstudium aufgegeben hatte, arbeitete er als Dorflehrer in Oberfrohna, nahe Chemnitz. Im Frühjahr 1938 wurde er nach Lichtenhain in Sachsen versetzt

Über die Korrespondenz

Oberfrohna

Fotografie des Brautpaars Nordhoff am Tag ihrer Hochzeit vor dem Portal der Kirche.

Das Konvolut aus Oberfrohna befindet sich gut erhalten in privaten Händen in Deutschland. Es umfasst 24 Aktenordner mit ca. 2600 Briefen, die zwischen 1 und 20 Seiten lang sind. Der Briefwechsel beginnt im Mai 1938 und dauert, mit einigen kurzen (Urlaubs bedingten) Unterbrechungen, bis Februar 1946