
[420607–1‑1]
Sonntag, den 7. Juni 1942
Geliebte! Meine liebe, liebste [Hilde]! Mein Leben, Du!
Und nun zu meinem Herzelein! Ja, bis jetzt habe ich nämlich mit den lieben Eltern geredet – und Du hast doch dahinter gestanden und ich mußte doch dabei immer einmal nach Dir ausschauen, nach meinem Liebsten, Herzallerliebsten in der Welt, Du! Du!!!
Und da steht es doch vor mir, mein Herzensschätzelein; heute habe ich mir das Bild hervorgesucht, wo Du dastehst als Radfahrer im Dirndl und so lieb und tief und innig vorausschaust – ach, zu Deinem [Roland]!
Eigentlich müßte ich ein andres Bild hervorsuchen, heute bei der Hitze – aber das ist zu klein – und das liebe Gesichtel – ach Du, das Blümelein vom Herzblümelein, ist verwackelt darauf und undeutlich – und das ist mir doch das liebste, allerliebste! Ach Du! Du! Herzlein! In Deine lieben Augen möchte ich schauen – ach Du! Möchte mein Herzblümelein bescheinen und strahlen machen vor Glück und Freude – oh Geliebte! Geliebte!!!!! !!!!! !!! Ich denke immer Dein! Ich halte Dich so ganz fest. Du bist mir so ganz lieb verbunden. Gott hat uns verbunden. Er wird uns führen und segnen.
Oh Geliebte! In Deinem lieben Montagboten erzählst Du mir, daß Du sooo lieb mein denken mußtest. Weißt Du, das Mannerli fühlt es. Ich habe doch gedacht, daß Du vielleicht auf der Reise krank geworden sein möchtest – dieselben Anzeichen waren es, die ich hier verspürte, Du! Will sich gar keine Spannung bilden im Mannerli – und all die Tage erkannte ich, daß ein Dieb dagewesen sein mußte – konnte nur ein Menschenkind gewesen sein – weiß nur eine, wo das Mannerli sein Gespartes aufhebt – Du! Du!!! Du!!!!! Du Dieb! Du Herzensdieb – mein Herzensdieb – ich hab Dich doch soooooo lieb!!! Und Du darfst doch alles stehlen, Du! Bist doch auch mein ganzes Vermögen! Ach Herzelein! So sind wir über alle Ferne so eng und lieb verbunden, sind ganz Eines [sic], unverlierbar, ewig in Liebe verbunden! Oh, laß uns Gott allzeit danken! Laß ihm uns ganz anvertrauen. Laß uns auch jetzt wieder ganz stille werden und dankbar bedenken, daß er es zu unserem Besten hinausführen will! Oh Herzelein! weil ich Dich nur habe, kann ich doch gar nicht traurig sein und düster dreinschauen – muß hoffen und gläubig vorausschauen, muß ganz mutig hindurchwollen – zu Dir! zu Dir!!!
Hör nur an: Sollen wir doch alle drei zum Kursus kommen. Will aber das Kommando einen zurückstellen, der die neuen Schreiber einrichtet. Ich kam dafür nicht in Frage, weil ich in der Kompanie Dienst tue. War nun der Kamerad H. bestimmt, aus welchen Gründen und Erwägungen weiß ich nicht, wissen auch die beiden Kameraden nicht – also Spruch der Schicksals, wem zuliebe oder zuleide, das weiß man nicht. Nach unseren Überlegungen für Kamerad H. nur insofern ein Glücksumstand, als er nicht in der Sommerhitze (er schwitzt furchtbar leicht) den Kursus zu leisten hat und ihm die Möglichkeit eines früheren Urlaubes winkte, den er insonderheit auch verdiente in Anbetracht des zu erwartenden glücklichen Ereignisses. Ist doch der Kamerad K. heute zum Vorgesetzten gelaufen und hat erwirkt, daß er bleiben kann, ohne sich vorher mit Kamerad H. in Verbindung zu setzen – hat dem Kameraden H. sein „Glück“ gleichsam aus der Hand geschlagen, um es sich zu nehmen. Ja, er müsse nun seine Frau zum zweitenmal um den Urlaub betrügen, die sei schon ganz fertig und herunter.
Ist doch gemein und eigennützig gehandelt! Ach Du! Soooviel ich Dich liebe über alles, das hätte ich doch nicht fertiggebracht – dann gäbe es wohl noch andre Mittel und Wege. Kannst Dir denken, wie dem Kameraden H. zumute ist. Es geht ihm so wie mir es ginge in solchem Falle: Soviel Rücksichtslosigkeit und Unkameradschaftlichkeit macht sprachlos. Man vertraut der Rücksicht und Einsicht und dem Wohlwollen eines Kameraden – und wird darin betrogen. Nun fahre ich mit ihm zum Kursus. Weißt — ich könnte mich ja an dem so erworbenen Urlaub gar nicht freuen – ich müßte immerzu an die Frau des Kameraden denken, die mit dem neugeborenen Kindlein nach ihrem Manne ausschaut. Oh Du! Was wäre in mir wohl für ein Aufruhr, wenn mir solches widerfahren wäre! Kamerad K. ist allein unterwegs heute. Ich will mich nachher des Kameraden H. noch ein wenig annehmen.
Ja, Herzlein, nun möchte ich Dir wieder eine neue Nummer schreiben. Ich habe sie doch alle hier. Und kann sich immer noch etwas ändern. Aber das können wir nicht berechnen. Also hör: Sobald Du diesen Boten erhältst schickst Du Deine Boten erst mal nicht mehr ab, sie treffen mich sonst hier nicht mehr. Und ab Dienstag, den 16. Juni schickst Du sie ab an die neue Nummer: 34 437[.] Wenn nun die Reise wirklich losgeht, kannst Du damit rechnen, daß meine Boten 4 oder 5 Tage ausbleiben oder unregelmäßig kommen. Wir werden reichlich zwei Tage unterwegs sein.
Ach Herzelein! Wir dürfen so glücklich sein darum, mit solchen Gewißheiten noch rechnen zu können – wieviele können das noch wie wir! Berichtest mir in Deinen Boten so lieb ausführlich über Deine Wege, Eure Fahrt nach B. Sollst gar nicht einmal denken, daß mich das nicht interessiert, daß es mich langweilt, von Deinem Alltag und seinen Kleinigkeiten zu hören. Du! Du!!! Herzelein! Alle Spuren sind mir lieb und ich gehe sie alle in Liebe Dir nach – ja, ja, Du! Dein Mannerli steigt Dir nach – sooo verliebt, Du!!! – aber mit der Rückenansicht begnügt es sich nicht lange – es holt Dich ein, und will neben Dir, mit Dir gehen – und Du nimmst es ja überallhin so lieb mit, Du! Du!!! Jetzt halt ich Dich aber gleich einmal an – und muß Dich küssen und ganz lieb an mich ziehen – Du! Du!!! Ich habe Dich doch sooooooooooooo lieb! Herzelein! Geliebte! Meine [Hilde]! Ach Du glaubst es kaum, wie ich mich sehne, all diese Wege mit Dir zu gehen mich sehne, Dein Wandergesell, Dein Lebensgefährte zu sein! Geliebte!!! Dieser Wunsch ist sooo mächtig in mir! Es ist mein Herzenswunsch.
Nun freue ich mich mit Euch, daß Ihr so gut eingekauft habt. Dank für die Grüße von allen Seiten.
Du! Herzelein! Ist die Geschichte der Adelheid nicht wieder ein deutliches Beispiel für die Willkür und die Sturheit des Einsatzes? Sie ist doch auch eine empfindsame Seele und hat viel dazugetan, etwas Rechtes zu lernen. Ist es nicht schrecklich eigentlich, daß man dann nach einem Kindlein fragt, nur um dieser Willkür und Unfreiheit zu entgehen? Herzelein! Verteidige Deine Freiheit! Unsre Freiheit! Du! Ach, ich vertraue Dir darin! Du wirst immer an mich denken!
Vorgestern gab es doch auch bei uns Erdbeeren, gestern Kirschen zur Abendkost. In der Stadt bezahlt man das Pfund Kirschen mit 4 RM. Kamerad H. sagt, daß das Obst dieses Jahr eine gute Ernte verspricht.
Zum Schluß will ich mich noch an meine liebe Zuckerschnut wenden. Ich mag doch gern ein süßes Weiberl. Ein saures Mannerli sucht sich ein süßes Weiberl. Bin ich so ein saures? Meinst ich will mich retten, wenn Du mich küssen willst? Oh Herzlein! Ganz weit auf spann ich meine Arme – komme nur – ich fang Dich auf! Bring sie nur, die vielen süßen Küsse, ich pfücke sie alle, alle Du! Ich will mich nicht retten — ich will mit Dir ertrinken im Meer der Liebe!!!!! Oh, lieb mich nur – ich lieb Dich wieder! Geliebte! Geliebte!!!!!
Behüte Dich Gott! Sei mit mir recht froh! Ach Du, Herzlein!, sei ganz gewiß meiner treuen Liebe! Ich bin sooo sooooo glücklich in der Deinen! Halt aus mit mir!
Oh hilf uns, Gott im Himmel!
Ich bin so ganz Dein! Ich gehöre doch zu Dir! Dir am allerersten und ‑letzten und ‑nächsten. Ich liebe Dich!
Und küsse Dich herzinnig!
Dein [Roland]! Dein!
