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Briefkorpus

Freitag, den 5. Juni 1942

Herzensschätzelein! Herzallerliebste mein! Meine [Hilde]!!!

Herzblümelein! Dein Sonnenstrahl will zu Dir kommen. Hast ihn doch geschaut auch hinter dem kleinen Wölkchen? Du! Du!!! Du!!!!! !!!!! !!!

Und wenn es einmal eine Wolke wäre, Dein Sonnenstrahl steht dahinter und scheint hindurch – und mein Herzblümlein, steckt hinter der Wolke und wartet auf seinen Sonnenschein! Herzelein! Unwandelbar ist unsre Liebe – das Beständigste hier auf Erden, so beständig wie unser Leben selber! Ach Du! Du!!! Herzelein! Laß Dich ganz lieb, lieb küssen, laß Dich ganz lieb umfangen von Deinem [Roland]! Ich bin Dir sooo gut – ich habe dich soooooo ooo ooo o lieb, so lieb!!!

Oh Herzlein! Ich stehe zu Dir – ganz fest zu Dir!!! Oh gebe Gott, daß wir recht lang umeinander sein können. Du! Wenn wir gesund sind – dann möcht ich doch richtig alt mit Dir werden, ganz lange möcht ich um Dich sein – ach immer, Du! ewig!!! Und Du sollst um mich sein! Du!!! Du!!!!!

Ach Herzelein! Weißt Du denn, wie lieb ich Dich habe? Wie lieb ich Dein Wesen umfange? Wie glücklich ich Dich in meinem Herzen wohnen fühle? Oh Du! Du!!! Geliebte mein!!!!! !!!!! !!! Ganz herzinnig liebe ich Dich, wie ich noch nie geliebte habe!!! Du! ich möchte doch gleich bei Dir sein, um Dir zu zeigen, wie lieb ich Dich habe – aber ganz allein müßten wir dann sein – ganz allein – und ganz hell darf es auch nicht sein – weil wir einander dann ganz ganz nahe sein müssen, ganz herzinnig lieb vereint – Herz an Herz – Geliebte! Geliebte!!! Meine [Hilde]!!!!! !!!!! !!!

Herzelein! Du bist doch wieder so lieb, sooo lieb zu mir gekommen, Treuherzelein! Dein lieber Bote vom Sonnabend nachmittag ist zu mir gekommen – und hat mir alles ausgerichtet, der gute treue Bote – und hat mir das Liebste gebracht, den Sonnenschein, die Herzenskraft, die Lebensfreude: Deine Liebe!!!

Weißt, in unsrer Schreiberei hier gibt es offene, geheime, und ganz geheime Sachen. Die offenen und geheimen Sachen darf auch Dein Mannerli bearbeiten. Die geheimsten nur ein ganz eng begrenzter Personenkreis. Und nun unsere Schreiberei? Du!!! So geheimste Sachen gibt es doch gar nicht wieder, gelt? Sind nur für zwei Personen, für zwei Herzen bestimmt. Und wenn wirklich einmal einer erbrochen wird, dann sind es nur erst die Zeichen, die in fremde Hand gerieten, nicht aber der Schlüssel zu ihrem Verständnis, den bewahren doch nur wir beide in unseren Herzen – oh Du! Du!!! Herzelein! Nur Gott weiß noch, wie so lieb wir uns haben – und ein paar liebe Menschen ahnen es – und wir beide, wir ermessen es kaum, wir stehen nur ganz im Banne, in der Urgewalt dieser Liebe!!! Und so ergeht es mir doch eben wie Dir, daß ich ganz allein bin am liebsten, ganz unbeobachtet – wenn ich mein Herze will zu Dir sprechen lassen – und am empfindlichsten war doch auch ich daheim im Elternhause. Ach Herzelein! Einsam will die Liebe gehen, will herrschen und gebieten über ein Land, über ein Reich. Weißt – und dieser Eigenwille, dieser Eigensinn, dieses Sichsondern ist doch der rechte Lebensfunke für das Kindlein, für ein neues Ich, ein neues Menschenkind, Du! Geliebte!!!

Herzelein! Nun läßt Du mir wieder so viel Liebes bestellen, ach, bringst ganz Dich selber mir dar, wie das eben geht mit Worten. Du machst mich sooo glücklich! Herzelein! Und dieses Glück ist verankert in unseren Wesen, in unseren Herzen – so tief, so fest! Wir sind seiner nicht Herr, nicht mächtig – es hat sich unsrer bemächtigt – es ist ein Gottesgeschenk. Wir vermöchten es selbst nicht so zu schmieden – und vermögen es selbst auch nicht zu zerbrechen! Oh Geliebte! Du bist glücklich in meiner Liebe – bist mein Herzblümelein – und ich darf dein Sonnenstrahl sein! Es gibt nicht noch einen, der so glücklich scheint, der soooviel Freude hat an seinem Herzblümlein, der so in Liebe an seinem Herzblümelein hängt, der sooo froh i[h]m scheint – entzückt, Goldherzelein! Ach Herzelein! Keinen, der noch sooo innige Liebe sucht und bei ihm findet, Du!!! Du!!!!! !!!!! !!! Herzelein! Geliebte! Mein liebes Weib! Mein!!! Ich will Dir scheinen, sooo lieb scheinen, immer, immer! Und Du wirst mir blühen – oh Herzelein! wie gern werd ich immer zu Dir kommen! Ach Du! ich muß zu Dir kommen – ganz geschwind und lieb, immer, immer nur zu Dir!!! Walte es Gott, daß wir recht bald am Ziel unsrer Sehnsucht stehen dürfen!

Nun will ich aber rasch erst mal eine Nadel zur Hand nehmen und mein Herzelein dorthin führen, wo das Mannerli gegangen ist, knapp ein Jahr vor der Zeit, da wir uns kennen lernten. Alles ist drauf, fein, fein! Die Kirche. Und der Weg, der da den Berg hinansteigt über die Kirche hinaus mit Vogelbeerbäumen zur Seite, den ist das Mannerli doch so oft gegangen, erst an freien Nachmittagen, und später zur Schule nach Nassau über den Berg hinweg. Und auf dem Berge selber habe ich doch oft die Weite gesucht, die das tiefe Tal einem vorenthält, habe hinübergeschaut nach dem Keilberg und Fichtelberg und zur Augustusburg – als ob ich dort in der Nähe etwas zu suchen hätte – ja, ja, etwas ganz Wichtiges und Liebes harrte mein in dieser Richtung – näher und näher bin ich ihm gerückt – Du! Du!!! Und der Weg verliert sich doch in dem schönen Hochwald. Ganz [r]ichtig hast die Schule gefunden, das ehemalige Herrenhaus des Schlosses Rechenberg – die früheren Pferdeställe heute Schulzimmer. Ganz rechts im Bilde erscheint auch meine Bleibe, das Haus des Schleifereibesitzers und Stuhlbauers H. Erkennst auch das Bähnle, das durch das Tal sich schlängelt, rechts im Bilde führt es hinauf nach Moldau, links hinab nach Freiberg. Ach, es ist schon ein entzückendes Plätzchen für einen kurzen Aufenthalt – für eine Hochzeitsreise, ganz fern von allen Bekannten, fern von allem Trubel, in traulicher Einsamkeit! Die nächste Haltestelle am Bähnle aufwärts ist Holzhau, als Sommerfrische und Wintersportplatz noch mehr bekannt. Wenn man länger dort sein muß, überkommt einen der Hunger nach der Weite, nach dem Ausblick – immer öfter habe ich die Höhe erklommen, um ihn zu stillen – und habe dem Bähnle nachgeschaut und ihm meine Sehnsucht nachgeschickt – ins Uferlose damals – heute? Herzelein Geliebte! zu Dir! all zu Dir!!!

Fein, wenn die liebe Mutsch so mal ein paar Wochen herauskäme aus der Tretmühle des Alltags. Anders ist es in diesem Jahre wohl kaum möglich. Wäre wohl auch die Möglichkeit, daß Du sie begleitest? Gar nicht unrecht! Ach Du! Da liegen doch deine Härlein! Aus dem Zöpfchen sind sie wohl nicht, will ich hoffen! Hast mit dem silbernen gleich noch zwei andere mit erwischt. Jedes ist anders im Gespinst und in der Farbe. Das dunkelste ist das Feinste, das silberne das straffeste. Ja, das Mannerli sagt silbern, n[icht] weiß. Ein weißes Härlein macht noch kein altes Weibel – und hundert weiße Härlein noch kein altes Mannerli – gelt? Damit will ich nicht gesagt haben, daß es bei mir hundert sind. Ich habe gar nimmer danach ausgeschaut. Herzelein – ob jung oder alt – wenn wir uns nur ganz lieb haben, wenn wir nur gleichen Schritt halten, wenn wir einander ganz lieb verstehen – die Liebe, die wahre, gute, kann gar nicht alt werden!

Herzelein! Gleich ist wieder Schlafenszeit. Fein küst [sic] ist's und es wird ein schönes Schlafen geben. Nur ein Zahn muckert mir wieder. Ich muß gleich morgen mal zum Zahnklempner gehen. Es ist einer, den er erst jüngst bearbeitet hat. Er wird den Nerv behandeln müssen.

Schätzelein! Ein Fernrohr möcht ich haben, aber ich ganz allein, daß ich nach Dir ausschauen könnte – wirst schon im Bettlein liegen? – fein neu[ge]waschen heute, ist doch Badetag gewesen! Beim Mannerli erst morgen. Ach, Du wirst mein denken – wirst Dich sehnen nach mir, nach unserem Leben wie Dein [Roland]. Meine [Hilde]! Laß uns Gott unsre Liebe anbefehlen – laß ihn uns führen, laß ihm uns vertrauen!

Bald komme ich wieder zu Dir! Ich denke immer Dein!

Voll Liebe und Sehnsucht! Ich liebe Dich! Du!!!!! !!!!! !!!

Ich küsse Dich vieltausendlieb und herzinnig!

Dein glückliches Mannerli! Dein [Roland]!

Ewig Dein! Dein!!!!!

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Autor Roland Nordhoff
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Über den Autor

Roland Nordhoff

Foto von Roland Nordhoff. Nahaufnahme, Person sitzend in einem Fensterrahmen.
Ba-OBF K01.Ff2_.A39, Roland Nordhoff, 1940, wahrscheinlich Bülk, Fotograf unbekannt, Ausschnitt.

 

Roland Nordhoff wurde 1907 in eine bürgerliche Familie in einem ländlichen Dorf im östlichen Sachsen, Kamenz, hineingeboren. Nachdem er ein Musikstudium aufgegeben hatte, arbeitete er als Dorflehrer in Oberfrohna, nahe Chemnitz. Im Frühjahr 1938 wurde er nach Lichtenhain in Sachsen versetzt

Über die Korrespondenz

Oberfrohna

Fotografie des Brautpaars Nordhoff am Tag ihrer Hochzeit vor dem Portal der Kirche.

Das Konvolut aus Oberfrohna befindet sich gut erhalten in privaten Händen in Deutschland. Es umfasst 24 Aktenordner mit ca. 2600 Briefen, die zwischen 1 und 20 Seiten lang sind. Der Briefwechsel beginnt im Mai 1938 und dauert, mit einigen kurzen (Urlaubs bedingten) Unterbrechungen, bis Februar 1946