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Mittwoch, den 3. Juni 42

Herzensschätzelein! Geliebte! Meine liebe, liebste [Hilde]!

Es ist noch Dienst. Aber ich bin so fein allein und komme gleich einmal zu Dir! Wirst vielleicht eben aus Deinem Dienst zurücksein, von Deinen Lieben – und nun wartet zu Haus Dein großer Bub – wartet auf sein Herzlieb, daß es zu ihm kommt – ach, und wenn es müde ist, daß es nur bei ihm ausruht, daß es sich an ihn lehnt, daß es in seinen Armen ruht – das ist doch schon alles Glück, Du! Du!!! Herzelein! Sollst bei mir immer die schönste Ruhe finden, meine Augen wollen am liebsten, allerliebsten auf Dir ruhen, meine Arme wollen Dich am zärtlichsten umschlingen, am allerliebsten und allerherzlichsten soll Dein Wesen von mir umfangen und bewahrt sein. Oh Geliebte! Wie sehne ich mich, so um Dich zu sein!!! Nun schlägst Du die lieben Augen zu mir auf – und alles Glück, Geliebte, strahlt mir aus ihnen entgegen: Du bist bei mir – Du bleibst bei mir – Du bist mein, mein!!! Und so lieb hast Du mich, so lieb habe ich Dich – Du! Du!!! Du!!!!! !!!!! !!!

Ja, wie es kommt, daß ich so allein bin? Die Kompanie ist bei einem Vortrag, samt dem stellvertretenden Feldwebel, der Hauptfeldwebel ist in Urlaub gefahren. Hat zuvor noch das Urlaubsgesuch vom Mannerli unterschrieben!!! Die Wetter haben sich ausgetobt. Wolkig heiter ist es nun und fein frisch. Bald wird es wieder heiß sein. Gestern oder vorgestern hat es ein Erdbeben gegeben in Südgriechenland – wir haben hier nichts davon gemerkt.

Dein viellieber Bote vom Donnerstag ist heute zu mir gekommen. Herzelein! Er bringt mir wieder all Deine treue, unendliche Liebe! Du machst mich doch so glücklich! und ungeduldig – und durstig – nach dem Brünnlein – Du! Du!!! Du!!!!! !!!!! !!! Nach dem Bronnen [sic] unsres Glückes - Goldherzelein! Geliebte! Mein liebes Weib! Meine [Hilde]! Du! Du!!! Wenn ich wieder bei Dir bin – wollen wir einander bei der Hand nehmen und es suchen? Ob wir den Weg auch finden dahin, ihn wiederfinden? Du! Den Weg ins Märchenland der Liebe?

Kennst doch das Märchen von Frau Holle. Erst in den tiefen Brunnen steigen - das sind doch die lieben Augensterne, Herzelein, die dann ganz tief und lieb ineinander ruhen. Und dann steht da ein Bäumlein, das wir schütteln müssen – weißt Du, was das bedeuten mag? - lauter liebe innige Kusseln!!! – – – aber weiter weiß ich nun das Märchen nicht – – – weiß nur, daß am Ende der Goldregen des Glückes steht, und daß nur Liebende den Weg finden ins Märchenland – und – daß ich ihn nur mit Dir gehen kann und mag – Herzelein! Geliebte! Du! All mein Glück! Goldherzelein! Ich habe Dich sooo von von [sic] Herzen lieb!!!

Und Du! – Du!! – liebst mich über alles! Geliebte! Manchmal will mir das so unwirklich und unmöglich erscheinen – ach Du!, weil es etwas so Wundersames, Beglückendes ist! Weil es ein so seltenes Glück ist. Oh Du! Du!!! Oh Herzelein! Du hast mir diese Liebe schon mehr bewährt, als ich sie Dir je bewähren kann. Ach Du! Und sichtbarer kannst Du mir es erzeigen: „Mein Leben, es ist ein Leben für Dich. Zu Höchstem und Schwerstem bin ich fähig und bereit, wenn es ein Liebesdienst für Dich ist!" Dies Füreinanderleben ist der Liebe schönstes Bekenntnis. Ach Du! Wir können doch gar nicht mehr anders als miteinander durch Dick und Dünn gehen, als alles miteinander zu tragen, als füreinander alles auf uns nehmen. Geliebte! Du! Du weißt, wie ich Deiner Kraft vertraue, wie ich glücklich bin, einen so lieben, tapferen Lebensgefährten in Dir gewonnen zu haben – und, Herzelein, wie das Herz Deines Mannerli so jung und tapfer und entschlossen schlägt. Ich bange nicht um unsre Zukunft, ich vertrau mit Dir unserem Herrgott und seiner Gnade und mit ihr unserem gemeinsamen Schaffen. Oh Geliebte! Ich bin doch so getrost und froh darum, daß Du so wie ich die Freiheit liebst, daß Du darum meine Haltung verstehst und teilst, daß Du darum in entscheidenden Dingen so unbeugsam bist wie Dein Mannerli. Herzelein! Wir werden niemals starrköpfig sein. Aber es kann Entscheidungen geben, in denen eine Möglichkeit für uns verschlossen ist, weil mit unsrer Ehr und Wahrheitsliebe und Überzeugung unvereinbar. Geliebtes Herz! Du sollst darum nie bange sein: gegen Dich kann ich mich niemals entscheiden. An Deiner Seite ist mein Platz, solange ich lebe! Herzelein! Auch Du sprichst von tausend lieben Banden – Du liebst mich! Mein Leben, es ist ein Leben für Dich. Zu Höchstem und Schwerstem bin ich fähig und bereit, wenn es ein Liebesdienst für Dich ist Du liebst mich!! Wir haben einander ganz lieb!!! – So will es in mir jubeln, Geliebte! Ich muß doch bald einmal kommen, um Dir meinen Herzensjubel, mein glückliches Herz zu zeigen! Und um Dein Glück zu schauen! Du! Du!!! Wir müssen doch uns[e]re Herzen wieder einmal ausschütten und tauschen. Oh Geliebte! Wie sehne ich mich sooo nach Dir! Oh – ich muss mich doch ganz se[hr] bezwingen mit meiner Sehnsucht, Herzelein! Du hast Dein Mannerli ganz verzaubert mit Deiner Liebe, daß es Dir nun folgen muß und immer sich sehnen nach Dir! Oh Du! Aller Liebe Innigkeit und Seligkeit und Schönheit ist bei Dir!!!!!

Herzelein! Wolltest am Abend noch zum Abschiedsabend der Kantorei gehen. Hast mir meine Vermutung über das Ausscheiden des Herrn S. noch nicht bestätigt. Da muß ich an meinen Abschied denken. Ganz bewußt habe ich meinen Dienst in der Kantorei als einen Dienst an der großen St[elle] erscheinen lassen und auch aufgefasst. Ich blieb, nachdem man mich nicht ganz wohlwollend von der leitenden Stelle abgedrängt hatte, als singendes Mitglied – aus keinem anderen Grund als dem des Dienstes. Ich bezwang oft genug meine kritische Einsicht und meinen Unwillen über das Studieren verstaubter, überlebter Musiken. Ich wollte zuletzt auch jeden Mißklang vermeiden, der durch persönliche Dinge hereingetragen werden konnte, deshalb mochte ich auch keinen Abschied. Und es verband mich doch Persönliches mit diesem Amte auch. Dank zuerst der treuen Gefolgschaft und der Hilfe am Werk. Freude am gemeinsamen Schaffen und Gelingen – und nicht zuletzt das Spiel und Widerspiel von Mensch zu Mensch, der Menschenkreis, in dem auch ich mich einmal darstellen konnte und mußte, ein Buch, in das auch ich mich einzeichnen mußte, und war es noch so verhalten und verschwiegen – ich hatte sonst keinen Menschenkreis. Oh Geliebte! Und ein Faden, aus diesem Geflecht, er ist zu unserem Schicksals- u. Lebensfaden geworden!!! Nur für verwandte Herzen fühlbar, ist manche Sehnsucht aufgestiegen, ist mancher Kummer und manche Freude mit aufgeklungen. Oh Du! Deshalb war mir dieser Kreis auch lieber, als manch einer geahnt hat – deshalb ging mir dieser Abschied näher, als es dann zum Ausdruck kam. Du! Du!!! Meine [Hilde]! Zwei Hände streckten sich mir entgegen – ein Augenpaar sehe ich auf mich gerichtet – ein Herzlein fühl ich beben, Nacht war es immer, Nacht, in der die tiefe Liebe sicherer ihren Weg findet – oh Du! Sooo stumme und bereit zugleich wie mein Sehnen – Antwort meinem Sehnen! Geliebtes Wesen! Du hast mich nicht gelassen damals – nie wirst Du mich verlassen! Ich habe nicht geglaubt, daß Dein Herz mich bergen könnte – nun wohne ich darin, nun ruhe ich darin – Dein [Roland], Dein Herzensbub! Ewig Dein! Nun strecken unsre Hände einander entgegen, zwei Augenpaare leuchten, zwei Herzen beben in heißer inniger Liebe! Und die über allen Worten sich suchten und fanden in der Stille der Nacht, mit den zarten Fühlern echter tiefer Liebe – die gehören nun für ewig zusammen! Verbunden in der Herzen Tiefe, verankert in der Herzen Mitte, eines in der Wesentiefe.

Gott im Himmel sei Dank, der uns zusammenführte. Er behüte Dich mir auf allen Wegen! Oh Herzelein! Nimm meinen Dank für Deine Liebe. Nimm meine Liebe zum Dank! Ich halte Dich so fest aus inniger Liebe! Ich laß Dich niemehr los aus glücklichem Lieben – Du! Mein Glück! Mein Leben!!! Behalt auch Du mich lieb! Ich küsse Dich vieltausendlieb!

Dein [Roland]! Dein glückliches Mannerli!

 

 

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Autor Roland Nordhoff
Korrespondenz Oberfrohna
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Über den Autor

Roland Nordhoff

Foto von Roland Nordhoff. Nahaufnahme, Person sitzend in einem Fensterrahmen.
Ba-OBF K01.Ff2_.A39, Roland Nordhoff, 1940, wahrscheinlich Bülk, Fotograf unbekannt, Ausschnitt.

 

Roland Nordhoff wurde 1907 in eine bürgerliche Familie in einem ländlichen Dorf im östlichen Sachsen, Kamenz, hineingeboren. Nachdem er ein Musikstudium aufgegeben hatte, arbeitete er als Dorflehrer in Oberfrohna, nahe Chemnitz. Im Frühjahr 1938 wurde er nach Lichtenhain in Sachsen versetzt

Über die Korrespondenz

Oberfrohna

Fotografie des Brautpaars Nordhoff am Tag ihrer Hochzeit vor dem Portal der Kirche.

Das Konvolut aus Oberfrohna befindet sich gut erhalten in privaten Händen in Deutschland. Es umfasst 24 Aktenordner mit ca. 2600 Briefen, die zwischen 1 und 20 Seiten lang sind. Der Briefwechsel beginnt im Mai 1938 und dauert, mit einigen kurzen (Urlaubs bedingten) Unterbrechungen, bis Februar 1946