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Briefkorpus

Dienstag, den 2. Juni 42

Herzelein! Geliebte! Meine [Hilde]! Du!!!

Feines Wetter ist bei uns seit gestern: Es regnet. Ja, das ist ein richtiges Wunder, das man bestaunt, ein Schauspiel, wenn der große Sandplatz zur Planschewiese wird, wenn alles vor dem Regen flüchtet.

Und endlich ein wenig Abkühlung nach diesen abnorm heißen Tagen, wie sie der Hochsommer nicht anders bringt! Heute abend ist der Himmel ganz wild, Gewitter ziehen über dem Meere, es ist ein Schauspiel besonderer Art. Und nun schreiben wir doch morgen schon wieder den dritten des Rosenmonats. Du! Herzlein! Ob wir denn mitzählen können – Du!!! Ob denn dieser Monat schon uns ein Wiedersehen bringt? Oh Du! Du!!!!! Ob ich Dir denn bald schon heimkehren darf zum Urlaub?

Du! Herzelein! Morgen fährt der Spieß in Urlaub – und ich lege mein Urlaubsgesuch hin zur Unterschrift durch ihn – Reisetag 24 Juni, Mittwoch, den 24. Juni. So hat er mir selber geraten. Nun kommt es drauf an: 1) Daß wir nicht vorher abkommandiert werden, 2) daß der Kompaniechef das Gesuch unterschreibt. Du! Du!!! Fein still und leise! Die Hoffnung ganz lieb hegen! Ich schreib Dir doch ganz schnell, wenn sich etwas entscheidet! Du! Und nun verreise mir jetzt nicht, damit ich Dich auch daheim antreffe – Goldherzelein! Du, in den nächsten Wochen drängt sich doch alles zur Entscheidung zusammen! Magst Du denn auch Urlaub haben? Ach Herzlein! Geliebte! Geliebte!!!

Braucht Euch keine Sorgen zu machen um das Essen. Ich werde ein Teil gutes Öl mitbringen können – da können wir doch fein mit haushalten, wenn Ihr nur noch paar Kartoffeln habt. Und wir beide – leben doch von der Liebe – gelt? Aber die braucht eben auch Kräfte und Säfte, die erst durch den Magen eingehen. Freilich müssen wir auch nach Kamenz fahren. Wenn ich Sonnabend, den 27. Juni ankomme, muß ich Dienstag, den 14. Juli wieder abfahren. Also sind 16 volle Urlaubstage – ach Du, Schätzelein, ist besser als garnichts, wenn wir sie nur schon hätten, gelt? Du! Du!!!

Ja, nun erzähle ich schon soviel davon – und eigentlich ist es auch gar nicht zu früh für eine solch große Planung, wie es diese Reise ist, eigentlich schon zu spät für Friedensverhältnisse. Aber wir wissen: Dieser Krieg wirft alles aus dem Gleis, bringt überall Unsicherheit — und wir haben es beide schon gelernt, sie verständig in Rechnung zu setzen. "Wir wollen nichts ertrotzen und erzwingen! So wie es kommt, wird es gut sein, zu unserem Besten." Herzlieb, so glauben wir. Dieser Glaube ist gut und wahr! Und wir haben die Wahrheit dieses Glaubens schon erfahren. Gott weiß, was uns frommt, er bedenkt uns nach unseren Kräften. Herzelein! Ich bin so froh und getrost darum, daß Du so mit mir glaubst – daß wir uns auch in solchem Glauben finden. Ach Du, Geliebte, magst es auch als ein Zeichen unsrer innigsten Gemeinschaft und Wesensverwandtschaft nehmen, daß wir über diese tiefsten, geheimsten und vertraulichsten Dinge miteinander ganz lieb uns aussprechen können – ich konnte es so noch zu keinem anderen Menschen – oh Geliebte! Und wenn wir des Abends gemeinsam unsre Hände falten, dann ist das Ausdruck innigsten Einsseins, wie ich es lieber mir nicht träumen kann.

Du! Herzelein! Ich bin heute sehr müde. Habe noch ein wenig nachzuholen von gestern nacht und den Nächten zuvor. Es ist heute kühl und verspricht eine gute Nacht zu werden. Will noch ganz lieb an Dich denken und mit den Gedanken an Dich einschlummern. Und vorher bete ich doch mit Dir – wie alle Abende – ein Paar sind wir doch auch vor Gott!

Vielleicht komme ich morgen früh noch einmal zu Dir! Nun gut Nacht, Herzelein! Sei Gott mit Dir!

Ich denke Dein in inniger Liebe und unwandelbarer Treue – immer Herzensschätzelein! Ich bin so glücklich und geborgen in Deiner Liebe! Ich küsse Dich herzinniglich! Ich habe Dich doch sooooo lieb!

Ewig

Dein [Roland]! Dein glückliches Mannerli!

Herzelein! Einen lieben guten Morgen wünsch ich Dir – und den Wunsch zu besiegeln – ein liebes, liebes Küßchen! Du!!! Ein frischer Morgen ist nach einer Nacht mit Regen und Gewitter. Und Wolken sind wieder am Himmel, die lieben, wandernden, die an die Heimat gemahnen. Will doch mit Dir nach ihnen schauen, Du!! Nach den Wolken, den Sternen und dem Mond – sind doch unsre lieben Geschwister! Magst Du mit mir nach ihnen ausschauen um dann desto fester und inniger einander zu umschlingen?

Oh Herzelein! Und die liebe Sonne – deren freuen wir uns doch freilich auch – sie ist doch auch in unseren Herzen – immer, immer. Ach Du! Sie ist täglich in Deinen lieben Boten. Und ohne diese Sonne könnt ich doch gar nimmer leben.

Herzelein! Die Schwälbchen in unserem Hause haben nun Kinderchen bekommen. Die Alten fliegen fleißig ab und zu. Ganz still ist’s noch im Nestchen, viel können die Kleinen anscheinend noch nicht sagen.

Ach Du! Bald werden auch wir unser Nest bauen dürfen, so treulich wie das Schwalbennest – und zwei Schwalben werden ein- und ausfliegen und herzutragen alles Gute und Schöne und lieb ausbreiten alles zu einem lieben trauten Nest – und so Gott will, werden wir nicht allein bleiben im Nestchen – Du!!! Du!!!! Ganz, ganz müssen wir unsre Herzen einander auftun, zuliebst sie zueinanderneigen! Ganz, ganz nahe müssen wir einander kommen. Ach Du! Einssein müssen wir, zusammenlegen, verschmelzen unsre Wesen – krönen müssen wir unsre Liebe – einander mit dem Liebsten beschenken – wir müssen, müssen es! Du!!! Du!!!!! Weil wir einander zu lieb haben – zu lieb!!!!! – zu lieb!!!!! !!!!! !!! Herzelein! Und wir wollen es als unsre schönste Aufgabe, als unsrer Liebe höchste Erfüllung. Oh Herzelein! Du! Du!!! Ich muß Dich sooo sehr liebhaben! Kindlein sollst Du mir schenken – will ich Dir schenken – Du!! Du!!!!! Du!!!!! !!!!! !!!

Gebe Gott dazu seinen Segen!

Aber nun muß ich an meine Geschäfte! Ach Du guckst mir doch dabei immer über die Schulter – und wenn ich nur kann, schau ich mich um nach Dir! Und küsse dich ganz lieb! Ganz lieb!!! Du bist doch immer bei mir! Bist drin in meinem Herzen! Oh Du! Ich habe Dich darin eingeschlossen ganz fest und lieb und warm, ich drücke Dich ganz glücklich und herzinnig, Du!!!

Ewig

Dein [Roland]!

 

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Autor Roland Nordhoff
Korrespondenz Oberfrohna
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Über den Autor

Roland Nordhoff

Foto von Roland Nordhoff. Nahaufnahme, Person sitzend in einem Fensterrahmen.
Ba-OBF K01.Ff2_.A39, Roland Nordhoff, 1940, wahrscheinlich Bülk, Fotograf unbekannt, Ausschnitt.

 

Roland Nordhoff wurde 1907 in eine bürgerliche Familie in einem ländlichen Dorf im östlichen Sachsen, Kamenz, hineingeboren. Nachdem er ein Musikstudium aufgegeben hatte, arbeitete er als Dorflehrer in Oberfrohna, nahe Chemnitz. Im Frühjahr 1938 wurde er nach Lichtenhain in Sachsen versetzt

Über die Korrespondenz

Oberfrohna

Fotografie des Brautpaars Nordhoff am Tag ihrer Hochzeit vor dem Portal der Kirche.

Das Konvolut aus Oberfrohna befindet sich gut erhalten in privaten Händen in Deutschland. Es umfasst 24 Aktenordner mit ca. 2600 Briefen, die zwischen 1 und 20 Seiten lang sind. Der Briefwechsel beginnt im Mai 1938 und dauert, mit einigen kurzen (Urlaubs bedingten) Unterbrechungen, bis Februar 1946

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