Bitte warten...
Briefkorpus

105.

Montag, am 1. Juni 1942.

Mein herzensgutes Mannerli! Mein herzlieber [Roland]!

Ach Du! Man läßt mir doch garnicht mehr Ruhe, zu Dir zu kommen in aller Stille. Du! Du!!! Und es verlangt mich doch gerade in diesen Tagen so heiß nach Dir! Du!!! Deine große, reiche Liebe, die Du mir täglich schenkst in Deinen viellieben Boten – ach Du! Sie hat das Feuer meiner Liebe so heiß entfacht! Oh Herzelein! Ich mußte Dich sooo herzinnig liebhaben alle Tage, seit der Freitagnacht. Oh Du! Du!!!!! Wenn Du bei mir wärest! Wie wollte ich Dich festhalten!!! Festhalten!!! Du!!!!! Geliebter mein!

Auch in der Nacht zum Sonntag warst Du im Traum bei mir, Du! Und es war am Sonnabend, in der 12 Stunde nachts, als ich [a]ufwachte vor Schlucken. Nein, so etwas ist mir noch garnicht geschehen, Herzelein! Eine halbe Stunde lang schluckte es mich so sehr! Was mag das nur gewesen sein? Ich war aber auch zu faul aufzustehen und etwas zu trinken. Nachdem die Uhr ½ 1 geschlagen hatte, war es vorbei und ich bin wieder eingeschlafen. Und heute Nacht warst Du doch wieder bei mir, oh sooo lieb und sooo heimlich, Geliebter! Weil Du sooo lieb zu mir kommst! Weil Du meine Sehnsucht aufweckst, Herzelein! Und ich bin doch sooo selig, daß ich Dich sooo sehr liebhaben kann und muß! Oh Du! Bei Tag und Nacht denke ich Dein – immer – ewig. Bist sooo tief in mein Herz eingeschlossen, sooo innig mit meinem Wesen vermählt! Schätzelein! Du bist ganz mein! Und ich gehöre nur Dir bis in den Tod. Du!!!!!

Geliebter! Sei Du von Herzen bedankt für alle Zeichen Deiner treuen Liebe! Ich kann Dir ja nicht mit Worten danken. Du! Nur mit meiner ganzen Liebe kann ich’s, mit meiner ganzen Treue, mit der Tat allein, Du!

Und ich kann Dir nur immer wieder jubelnd und jauchzend bekennen, Geliebter! Ich liebe Dich! Du!! Ich liebe Dich! Oh ich liebe Dich! Herzelein! Es ist jetzt um ½ 7 abends, eben waren wir mit dem Abendbrot fertig. Vater ist zum Nachtdienst. Wir waren ja heute in Breitenborn! Gegen 5 Uhr langten wir wieder daheim an. Ganz schön beladen 17 Pfund Spinat! Den kochen wir ein. Mutsch putzt schon fleißig jetzt und sie läßt Dich herzlich grüßen und Dir sagen, daß Du gleich kommen kannst mitessen! Als wir unsern Koffer ausleerten, ward die Badewanne voll Spinat!! Enorm! Aber herrlich für gemüsearme Tage! Ein Glas Quark. Butter nicht, damit ist’s aus. Und – halt Dich fest: 52 Eier. Da müssen wir welche einlegen!! Und 1 Zentner Rhabarber! Den bringt mir Herr A. bis zur ‚Pumpschänke' auf der Chaussee nach Chemnitz, weißt? Von da aus wird ihn Herr F., der Wirt vom Cafe [sic] B. mitbringen, der kauft auch bei A. Ist ja fein, gelt? Brauchten wir uns heute garnicht so zu buckeln. Ach, müde sind wir ja jetzt! Müde! Gestern abend, als ich überm Schreiben war, da kam Ilse S. und blieb bis um 10 da – wo wir mal zeitig zu Bett wollten! Schon am Sonnabend kamen N.s zu Besuch, als ich Dir schrieb! Immer stört man mich. Kurz – als Ilse fortging, tat ich so, als ob ich mit den Eltern schlafen ginge. Mutter befahl’s mir, weil wir heute früh um 4 Uhr aufstehen mußten, 3/4 5 ging unser Zug!

Nach einer Weile habe ich mich wieder aus dem Kämmerle gestohlen und habe Deinen Boten fertig geschrieben, ich hätte können nicht schlafen, Du! Du!! So groß ist meine Liebe zu Dir! Meine Sehnsucht! Ich möchte immer nur mit Dir reden, den ganzen Tag! Nach 12 Uhr bin ich schlafen gegangen, Liebster. Und nun war freilich die Nacht viel zu kurz für Dein Murmeltierchen! Um sieben früh waren wir in Breitenborn. Gerade brachte Tante Liesel Hermann zur Bahn, er fuhr nach Leipzig zurück. Viele Grüße von ihm! Sie war ganz zerstreut! Das Hausmädchen ist fort, sie hat geklaut! Heidi ist in Leipzig im Diakonissenhaus – Lazarettabteilung – als Schwesternhelferin. Es gefällt ihr garnicht. Sie muß immer nur aufwaschen. Tante und Onkel sorgen sich so. Und ich hörte heraus, daß es ihnen am liebsten wäre, wenn sie ein Kindchen bekäme. Nun ist sie eingespannt und ihr Mann ist in Zwickau! Wenn er Urlaub hat, kriegt sie keinen und umbegekehrt. Pfingsten hat er nun allein bei [Nordhoffs] gesessen und seine Frau mußte Verwundete betreuen. Sie bereuen es sehr, daß sie sich gemeldet hat. Nun gibts aber kein zurück. Außer denn [sic], sie bekommt ein Kind, oder kann nachweisen, daß sie eine Wohnung einrichtet und mit ihrem Manne leben muß. Er ist ja beim Militär. Sonst war kein Kind zuhaus, der Hamburger ist weg. Nur Hans (der Kölner Flaksoldat) war auf Urlaub. Ihn lernten wir kennen. Ein netter Bursche! Er hat den schweren Luftangriff auf Köln nicht miterlebt vorangegangene Nacht. 36 Briten über der Stadt abgeschossen! Lange hielten wir uns nicht auf, weil wir noch zu den beiden Bauern wollten. Bei C. bekomme ich auch Erdbeeren heuer, ich muß sie aber gleich bei Tante einwecken; es ist viel zu gefährlich sie heimzutragen. B. darf heuer keine Auswärtigen beliefern, ich las es in der Zeitung. Ach, da koche ich sie halt an Ort und Stelle ein und trage die Gläser nach und nach heim. Die Tante meint immer, wenn ich von C. komme, mit Beute: „Die Alte hat einen Narren gefressen an Dir, mir läßt sie nischt ab!" Sie war auch wieder nett zu mir. Einen großen Topf Milch kochte sie uns, damit wir uns[e]re Schnitten essen konnten und ein Päckel Kuchen gab sie uns mit. Denke nur! Das Grünzeug holte mir die jüngste Tochter eigens aus einer Narsdorfer Gärtnerei mit dem Rade! Weil bei ihnen selbst noch nichts gewachsen war. Das ist doch rührend, gelt? Bloß weil wir uns nun einmal den Weg gemacht hatten. Ich hab ihr 2 Mark gegeben. Und sie hat sich gefreut wie ein König!

Ich soll Dich auch schön grüßen!

Ob ich zur Erdbeerernte mal pflücken helfe? 14 Tage, oder eine Woche? Gleich meine eignen Beeren pflücken? Ich glaube sie tät sich freuen. Mal sehen.

A.s Sohn, der Lehrer, war aus Rußland da. Er wird Offizier und kommt nach der Ukraine als solch ein Fachmann zum Aufbau. Ein netter Mann. Sie sind stolz auf ihn. Du kennst ihn ja auch vom Bilde, auch seine Frau war mit da.

So haben wir nun in 3 Familien wieder mal Freude und auch Sorgen angehört. Und nun sind wir wieder daheim. Und glücklich, daß uns die Polizei nicht geschnappt hat. Und nun möchte ich mich doch mit meinem Herzelein zusammen freuen, daß wir heute wieder einen so glücklichen Tag beschert bekamen. Es wird immer wieder Rat, Gott läßt uns nicht umkommen. Und Du sollst Dich auch garnicht sorgen um uns, mein liebes Herzelein! Ich rühre mich schon! Hauptsache ist, man läßt mir meine Freiheit, damit ich fleißig organisieren kann.

Du! ¾ 100 fuhren wir zurück und hofften, mit dem 3 Uhr Zug in Oberfrohna zu sein. Ja, Kuchen! [sic] Der fährt ab 1. Juni nimmer¾ 2 langten wir in Wittgensdorf an und mußten bis 1/2 500 warten! Scheußlich! Es war heute regnerisch und kalt. Trotzdem wir drinnen saßen fror uns. Auch der heiße Tee erwärmte uns nicht. Ich bekam nicht mal Briefpapier, weder eine Ansichtskarte, daß ich Dir hätte unterdessen schreiben können. So habe ich mich in die Sofaecke gekuschelt und genickt! Mutsch, die Nimmermüde hat gestrickt! Endlich war’s dann soweit. Papa war an der Bahn und zuhaus erwartete uns ein warmes Stübel. Nun habe ich Dir von meinem Tag erzählt, Du! Und nun weißt Du doch genau, wo Dein Frauchen rumgestolpert ist! Wenn Du einmal wieder zur Erdbeerzeit heimkommst, da wollen wir mal nach Breitenborn fahren und uns voll essen – wenn wir Lust und Zeit haben!!

Eingeweckt schmecken sie auch, gelt? Und man kann dabei – beim Essen! – auf dem Sofa sitzen Du! Und ist ganz all[ei]n und ungestört! Ich glaube – das mögen wir noch lieber, gelt? Herzelein! Zuhause erwartete mich doch eine zuckersüße Überraschung! Du liebes, gutes Mannerli! 3 Feigenpackerl! Hm! Schmecken die fein! Fein!! Du läßt doch Deine Zuckerschnut garnicht aus der Übung kommen! Wird die aber küssen küssen wollen, wenn sie das Mannerli leibhaftig sieht!! Oh Du! Du wirst Dich vor mir garnicht retten können, sooo sooooo lieb will ich Dich haben! Herzelein! Dir alle Liebe zurückgeben und noch vielmehr dazu! Weil ich Dich sooo liebhaben muß!

Oh mein Schätzelein! Behüte Dich Gott!

Ich denke in inniger Liebe Dein! In Treue! Du! Ich bleibe in Ewigkeit immer Deine [Hilde], Dein! Dein glückliches, herzensfrohes Weib! Dein Dein!

Du!! Du!!! Gut Nacht! Geliebter!

Karte
Kommentare
Einordnung
Gesendet am
Gesendet aus
Autor Hilde Nordhoff
Korrespondenz Oberfrohna
Gesendet nach
Erwähnte Orte
Über den Autor

Hilde Nordhoff

Foto von Hilde Nordhoff. Nahaufnahme, Person im Sommerkleid, im Hintergrund Bäume.
Ba-OBF K01.Ff2_.A12. Hilde Nordhoff, 1940, Oberfrohna, Fotograf unbekannt, Ausschnitt aus Fotoalbum.

Hilde Nordhoff wurde 1920 als Hilde Laube in eine Arbeiterfamilie in Oberfrohna, eine Kleinstadt in Sachsen, hineingeboren. Sie arbeitete ein Jahr lang als Hausangestellte, dann in einem Trikotagenwerk.

Sie kannte Roland Nordhoff aus der Kantorei in Oberfrohna und trat sogar der evangelischen

Über die Korrespondenz

Oberfrohna

Fotografie des Brautpaars Nordhoff am Tag ihrer Hochzeit vor dem Portal der Kirche.

Das Konvolut aus Oberfrohna befindet sich gut erhalten in privaten Händen in Deutschland. Es umfasst 24 Aktenordner mit ca. 2600 Briefen, die zwischen 1 und 20 Seiten lang sind. Der Briefwechsel beginnt im Mai 1938 und dauert, mit einigen kurzen (Urlaubs bedingten) Unterbrechungen, bis Februar 1946