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Briefkorpus

Donnerstag, den

28. Mai 1942

Herzelein! Geliebte! Meine liebe, liebste [Hilde]!

Schwül ist es heute wieder! Und nachher, um 4 Uhr, sollen wir Exerzierdienst haben! Vielleicht ist es den Herren Unteroffizieren auch zu warm. Ich habe eben ein Mittagsschläfchen gehalten – und nun komme ich gleich erstmal ein Weilchen zu Dir – bei Dir ist es nicht so sehr warm.

Wo werde ich Dich jetzt finden? Ich denke, wirst eben auch am Schreiben sein – bist doch dem Schreibergefreiten ein rechtes Schreiberweiberl. Und ich weiß, Du hast früher ebensowenig geschrieben wie Dein Mannerli. Es ist aber auch nichts Lästigeres als Schreibpflichten. Ach Du, was wir einander zu schreiben haben, sind ja keine Pflichten. Wenn wir uns das Schreiben auch einmal vornehmen müssen und Tage sind, wo es uns beinahe im Wege ist – so kann uns doch nichts davon abbringen und läßt es uns doch keine Ruhe, bis wir nicht auch miteinander gesprochen haben, so, daß es der andere erfahren kann.

Zwei liebe Boten sind heute zu mir gekommen vom Freitag und Ostersonnabend. Sei viellieb bedankt für Dein Gedenken. Will jetzt, am selben Tage, gleich erstmal vom Geschäftlichen reden. Diese falsche Überweisung schicke ich Dir mit zurück. Ich habe damit auch nichts anzufangen gewusst – und war doch auch zu faul, erst darum zu schreiben. Weißt, das rührt sich schon, wenn es falsch ist wie auch in diesem Falle. Dieser Giroverkehr ist ein Mechanismus, dem man vertrauen kann, meldet sich der eine nicht, meldet sich der andere. Ist auch nicht nötig, daß wir daran unnötig herumdoktern. Brauchst auch nicht unnötig viel zu schreiben. Und hinfahren schon gleich gar nicht, das wäre ja dem Institut viel zu viel Ehre angetan. Aber das wäre zu erwägen, ob es nicht besser ist, Du bekommst alles nach Oberfrohna überwiesen. Dazu bedarf es nur zwei kurze Schreiben. Ein Schreiben, muß früher abgeschickt werden, an den Gehaltsrechner in Königstein: „Da das Konto Nummer [...] der Girokasse Bad Schandau gelöscht wurde, bitte ich Sie, die Gehaltsüberweisungen zukünftig auf Konto Nr.  [...] – der Girokasse Oberfrohna Sa. vorzunehmen. Gleichzeitig bitte und ermächtige ich Sie, die Beiträge (Krankenkasse u. NSLB) abzuziehen. Es genügt mir, wenn Sie die Quittungen am Jahresende zusenden." Und das andere an Girokasse Bad Schandau: „Ab 1. Juli 1942 möchte ich mein Konto Nr. [...] bei der dortigen Girokasse löschen. Ich bitte, das Guthaben auf Konto Nr. – der Girokasse Oberfrohna Sa. zu überweisen." Das genügt schon. An den Gehaltsrechner von Königstein werde ich mich selber einmal mit ein paar Zeilen wenden. Also, das sind alles Kleinigkeiten, Nebensächlichkeiten, die uns nicht aus der Ruhe bringen können. Der Laie in diesen Dingen nimmt das zu wichtig – ich bin ja auch kein Fachmann, aber das Geschäftliche ist doch mein täglicher Umgang. Ja, für uns in der Schreibstube ist der Urlaub ein Geschäft, das abgewickelt werden muß – und für den Urlauber ist es eine Welt, ein Anliegen des Herzens (nicht immer!) – und so ist das überall.

Ja, vom Urlaub sprichst Du auch. Du, daran wollen wir gar nicht herumdoktern. Ohne die Wenn liegt er eigentlich schon fest – und das ist uns genug. Kamerad K. legt sein Gesuch morgen erneut vor, man darf gespant sein, mit welchem Erfolg. Und wir halten unsre Hoffnung fest, daß wir vielleicht diesmal unseren Hochzeitstag miteinander begehen können, Du!!!, das ist mein und Dein Geburtstag auf einen Tag, Du!!! Du!!!!! Sagst Deinem Mannerli zu viel Artiges zu seiner Artigkeit. Hast doch manchmal nachts Besuch, Dein Mannerli – und sitzt so oft allein in einer Stube, was er da nur treibt? Und bekommt fast jeden Tag Post, kann doch gar nicht immer von derselben Person sein! – und schreibt jeden Tag – na, na – das ist verdächtig – Herzlieb, Du!!! Wir kennen die beiden verdächtigen Personen – ach ja, richtig wäre es schon, der Urlaub würde auch ein wenig danach bemessen. Aber so bleibt es ein Kampf und auch Glückumstand – und wir beide können eigentlich nur von Glück sagen bisher.

Herzelein! Abend ist es wieder. Der Exerzierdienst war ganz harmlos. Wir waren nur 10 Mann dazu. Gleich auf dem Dachgarten haben wir unsre beiden Stunden abgedient. Habe ich Dir schon von dem Dachgarten erzählt? Unser Haus hat also ein Flachdach, ist oben mit lauter Fliesen ausgelegt wie sonst im Hause alle Flure – ein geräumiger Platz. Einige Male habe ich ihn schon aufgesucht abends. Sonnenbaden mag ich nicht – bin noch ganz weiß überall – sonst bietet er dazu beste Gelegenheit. Die Aussicht über Stadt und mehr Meer wird gestört und verbaut durch die Schornsteine und zum Teil höheren Nachbarhäuser, sonst würde ich das Plätzchen noch öfter aufsuchen. Es wohnt sich wirklich gut auch im neuen Haus. Fehlt uns nur unser Balkon und Blick über das Meer und unser Blick westwärts, heimwärts!

Ja, und so fehlt auch Euch daheim manches und auf Schritt und Tritt begegnet es Euch und stößt Euch an – der Krieg – auch das Festgeläute muß darunter leiden. Ach Du! Geliebte! Hast Dich zu mir gesetzt um dieselbe Stunde, da auch Dein Mannerli zu Dir sich setzte. Und von 7 Uhr an hatte ich doch Dienst, just um dieselbe Stunde, da Du im Kino den Film sahest; gewiß ist es ein guter Film. Habe Dir doch noch gar nicht von meinem ungarischen Film erzählt. Ist auch so sehr nicht erzählenswert. Wollte nur sagen, daß man desto mehr auf die Schauspielkunst und die Ausdruckskraft achtet, weil man das gesprochene Wort nicht versteht, und das ist auch ein Gewinn.

Ab heute dürfen wir keine griechischen Kinos und Gaststätten mehr besuchen wegen Seuchengefahr, weiß nicht welche Krankheit jetzt hier häufiger auftritt. Mannerli will schon gut aufpassen.

Ach Schätzelein! Ich sehe eben, meine Schrift wird immer schlechter – und die Federn wollen mir gar nicht folgen, ich habe nicht die richtigen hier. Aber ich weiß schon, Du kannst meine Krakel schon lesen und noch besser verstehen – und noch viel besser erkennen, daß sie Dir nur lauter Liebes bedeuten wollen, Dir sagen und zeigen, wie sooo lieb ich Dich habe, wie soooviel Sehnsucht mich beseelt, ach Herzelein!, Sehnsucht nach Deinem lieben Wesen, nach Deiner Nähe, Deiner Geborgenheit, ach Du, nach Deiner Liebe, Sehnsucht darnach Dich lieb zu haben, oh Du! Sooo lieb, sooooooooooooo lieb, Sehnsucht nach unserem gemeinsamen Leben!

Gott sei mit Dir auf allen Wegen! Er sei mit uns[e]rer Liebe! Herzelein! Nur für kurze Zeit lasse ich Deine Hand – gleich komme ich wieder zu Dir – Du! Du!!! Du!!!!!

Ich hab Dich do[c]h sooo lieb! Und küsse Dich herzinniglich! Und bleibe ewig so ganz Dein [Roland], Dein glückliches Mannerli!

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Autor Roland Nordhoff
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Roland Nordhoff

Foto von Roland Nordhoff. Nahaufnahme, Person sitzend in einem Fensterrahmen.
Ba-OBF K01.Ff2_.A39, Roland Nordhoff, 1940, wahrscheinlich Bülk, Fotograf unbekannt, Ausschnitt.

 

Roland Nordhoff wurde 1907 in eine bürgerliche Familie in einem ländlichen Dorf im östlichen Sachsen, Kamenz, hineingeboren. Nachdem er ein Musikstudium aufgegeben hatte, arbeitete er als Dorflehrer in Oberfrohna, nahe Chemnitz. Im Frühjahr 1938 wurde er nach Lichtenhain in Sachsen versetzt

Über die Korrespondenz

Oberfrohna

Fotografie des Brautpaars Nordhoff am Tag ihrer Hochzeit vor dem Portal der Kirche.

Das Konvolut aus Oberfrohna befindet sich gut erhalten in privaten Händen in Deutschland. Es umfasst 24 Aktenordner mit ca. 2600 Briefen, die zwischen 1 und 20 Seiten lang sind. Der Briefwechsel beginnt im Mai 1938 und dauert, mit einigen kurzen (Urlaubs bedingten) Unterbrechungen, bis Februar 1946