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Briefkorpus

Dienstag, den 26. Mai 1942

Herzelein! Geliebte! Meine liebe, liebste [Hildi]!

Hältst Du wohl heute diesen Feiertag? Bei uns gibt es das wohl einmal, gelt? Kuchen ist noch übrig – Ferien sind noch, die Festgäste womöglich abgezogen – dann ist dritter Feiertag ganz besonderer Art, gelt?

Du! Scheuern laß ich Dich da nicht schon wieder – oder häkeln, oder stricken. Ob wir einen Tag auch mal richtig faulenzen können? Ich trau es meinem Weiberl schon zu! Du weißt, dem trau ich doch überhaupt allerlei zu – alles, was d man dem herzallerliebsten Weiberl zutrauen kann. Wie so ein ganz fauler Tag aussehen wird? Im Bettlein liegen bis um 9 Uhr oder länger — und dann Aufstehen – und dann alles fein gemeinsam gelt? Kaffeetrinken – ein Spaziergang, oder gemeinsames Klarvierspiel [sic] od. Lesen – Küchendienst – Mittagsstunde – Kaffeestunde – Ausgang oder Ausfahrt – Dämmerstunde usw. Gefällt Dir das Programm? Kann auch mein liebes Frauchen seine Wünsche mit draufsetzen – aber muß alles fein gemeinsein sein – Du! Magst Du das wohl gern?

Manche Frauen können doch mit ihren Männern gar nicht richtig Ferien halten, weil sie nicht faulenzen können einmal, und wenn sie mit dem Mannerli keine gemeinsamen Interessen haben. Ach Du! Darum bin ich gar nicht bange! Ich gehe Dir dann eben nicht mehr von der Pelle – und wenn ich mit Dir scheuern und häkeln muß – so ein paar ganz gemeinsame Tage wollen wir doch haben im Jahre. — Du! Du!!! Du!!!!!

Das Pfingtfest beschloß das Mannerli mit einem kleinen Abendbummel und einem Kinobesuch. Vielleicht kennst Du den Film? "Klarissa“, mit Syibille Schmitz und Gustav Fröhlich. Umwelt: Bankhaus Fehrenbach in Berlin. Klarissa, aus besseren Kreisen stammend, Chefin eines Depots, Herr Lutz Bräunersdorf Angestellter. Der Film schildert nun die Liebe des Herrn Bräunersdorf zu Klarissa von Reckwitz, das Entstehen dieser Liebe, die Widerstände, Menschenschicksale, die sich kreuzen, Schicksalslinien, die sich überschneiden und daraus hervorgehend doch die Liebe der beiden und deren erste Erprobung. Die Filmhandlung ein schöner Vorwurf zu einem tiefen, feinsinnigen Film: die herbe, spröde, strenge Klarissa erlebt den Sonnenschein der Liebe. Aber die Durchführung und Gestaltung läßt doch Wünsche offen, ja, ich empfand etwas wie einen Bruch, eine Unmöglichkeit in diesem Film. Die lag einmal im Spiel der Darsteller: Sybille Schmitz schaut zu ernst und traurig drein, den Sonnenschein der Liebe glaubte ich ihr nicht. Sie ist wohl schon etwas alt – sie hat auch einen häßlich breiten Mund — und Gustav Fröhlich zeigte sich in seinem Lieben nur poltrig, zudringlich ^aufgeräumt, kein bißchen schwärmerisch – ich glaube auch ihm nicht, daß er diese Schattenblume Klarissa recht liebte ^und gewann. Also, diese beiden Darsteller verkörperten nicht ganz glücklich die Rolle, die ihnen zugedacht war – und das Filmbuch selber war nicht feinsinnig genug; denn ein recht fein adliges Fräulein von der Haltung der Klarissa hätte sich von der plumpen Zudringlichkeit des Lutz wohl ebenso viel verletzt gefühlt wie angezogen. Ja, gelt Herzelein, davon verstehen wir nun beide auch etwas – oder verstehen davon erst nun recht nichts mehr – weil wir nur wissen, wie uns ums Herze war, als wir lieben lernten. Anders war doch die Geschichte unsrer Liebe. Das zu bedenken, regte mich der Film an, und deshalb war er doch keine Niete. Ach Geliebte! Darüber sich Rechenschaft zu geben ist doch so schwer und ist sich-selber-quälen. Nur eines bewegte mich tiefer: ob Du denn auch recht glücklich der Zeit unsrer werdenden Liebe denken kannst? Ob Du Dein Mannerli recht verstanden hast? Ob Du gefühlt hast von Anbeginn, daß in Deinen [Roland] auch ein Feuer loderte?

Oh Geliebte! Geliebte! Du hast Dein Mannerli nur an den Tagen gesehen, den seltenen, da wir einander begegneten. Du hast mich nicht in meinem Alltag gesehen.

Oh Herzelein! Du hast es höchstens fühlen können, wie in mir auch das Herze schlug. Oh Du! Oh Du!!!

Herzelein, Du! Du!!! Du kennst mich und weißt, daß es dem tiefsten Empfinden, dem Herzensjubel an Ausdruck gebricht. Aber so, wie Du meine Liebe fühlst jetzt, so mußt Du auch mein Verliebtsein gefühlt haben.

Du! Du!!! Ein ganz verliebtes Mannerli hattest Du doch an Deiner Seite — und hast es noch! – ganz sinnlich verliebt, mußt ihm nur recht tief in die Augen schauen, ins Herze – Du!!! Oh Geliebte! Was brauste und wogte in mir, als ich Dir nach Rathen entgegenkam – Herzelein, Du!!!!! Oh Du! Soviel Liebesbereitschaft – Aufstand und Aufruhr des Herzens! Und dann bei all unsren Begegnungen! Du weißt es noch, wie das Mannerli seine Bewegung hinter Worte versteckt, in Worten bald erstickt hat. Und wie es in Deinem Herzen ausschaute – ach, das Mannerli konnte es doch auch nur ahnen und unmöglich ganz verstehen – es liebte doch zum erstenmal. Und soviel drängende Liebe auf einmal – sie konnte erst nach und nach einen Weg, ein Bett finden – und dazu konnten wir uns nur so selten sehen!

Ach ja, Geliebte – soviel Liebesbereitschaft – soviel Liebessehnsucht – so viel Liebenwollen bei Dir und mir – und doch mußten wir einander erst die Herzen entdecken und ausbreiten, die Herzkämmerlein alle auftun, der Liebesglut die Bahnen und Adern öffnen; denn lieben wollte ich und konnte ich nur aus der Tiefe des Herzens – in Deinem Herzen, in Deinem Wesen mußte ich meine Liebe verankern, oh Du! Ganz tief ganz tief hinein sollten die Würzelchen treiben in Dein Herz, ^sollte ganz tief hinein sich ergießen der Liebe Glut. Oh Herzlein! Mit Leib und Seele wollte ich Dich, wollte Dich ganz, wollte Dir vereint sein mit Leib und Seele, ganz tief und innig – oh Geliebte! Geliebte! Weißt Du es noch, wie wir damals um Kraft und Geduld gebetet haben – daß wir einander treu still hielten?

Oh Du! Wenn ich es bedenke – es hat nicht anders gehen können, es hat so gehen müssen. Und es war eine so reiche Zeit – oh ja, Geliebte – eine sooo reiche Zeit, die reichste meines Lebens ist damals angebrochen. Oh Herzlein! Und wenn sie äußerlich nicht dramatisch war – so hat sie mich innerlich doch leidenschaftlich bewegt – Geliebte! Als ich das erstemal an deiner Seite schreiten durfte! Als Du das erstemal in meiner Wohnung weiltest! Herzlein! Als wir das erstemal uns liebend umfaingen und unsre Nähe fühlten! Oh Herzelein! Das wird ewig im Herzen leben – das fand nie den Weg über die Lippen und wird ihn nie finden wie alles tiefe Erleben – aber es brennt in unseren Herzen, der Liebe Glut!!!

Oh Herzelein! Und wenn ich Dir manchmal mit tiefer Scheu begegnete – es war lauter Zärtlichkeit und Verehrung und Liebe auch. Oh, Du hast mich ganz lieb verstanden! Du hast so viel Geduld gehabt mit Deinem Mannerli! Hast ihm Dein Herz ganz aufgetan und es Wohnung nehmen lassen darin! Und bist mir so lieb, sooo leis gefolgt in die verzweigten Wege meines älteren, komplizierteren Herzens bis zum letzten Herzkämmerlein, in dem die Liebe wohnt – Du!!! Du!!!!! Meine [Hilde]! Du hast mich so unendlich lieb gehabt – hast Dir meine Liebe erobert – hast sie nun ganz – und hast mich sooooooooooooo glücklich gemacht – hast meine Liebe befreit, hast sie entbunden!!! – Herzelein, nun ist ein Wogen and Strömen der Liebe von Dir zu mir, von mir zu Dir, ist ein Verbundensein über alles Verstehen, Verbundensein der Herzen – Liebe!!!

Herzelein! Meine [Hilde]! Ich liebe Dich! oh Geliebte! Habe ich es Dir schon recht aus tiefstem, bewegtem, dankbarem Herzen bekannt?

Ich kann mich in meinen Worten und Gedanken dazu nur wiederholen. Herzlieb! Du kennst das Lied, das besser als Worte es vermögen, dem Herzensdrange Ausdruck zu geben. Ich kannte es schon, ehe ich Dich kannte – kannte all die Lieder und liebte sie, weil sie allem tiefsten Liebessehnen Ausdruck verleihen – erfüllt ist all dies Sehnen, da ward der Traum zur Wirklichkeit – durch Dich! durch Dich! Geliebte!

Und ich weiß auch Dich ganz glücklich – und halte mit Dir die Hände zur Bitte: Gott, im Himmel! Segne Du und erhalte uns diese Liebe!

Zwei liebe, liebe Boten sind zu mir gekommen vom Mittwoch und Donnerstag. Soviel Freude ist auch bei Dir eingekehrt wie bei mir. Die gute Botschaft von Siegfrieds Heimkehr! Das Bildgeschenk der lieben Eltern. Oh Herzlein! Wieviel Freude widerfährt uns immer wieder täglich! Ganz dankbar wollen wir darum sein! Und all meine Freude hier bist Du doch – Herzensschätzelein! Und glücklich bin ich darum, daß ich Dir Freude bringen kann! Ach, daß ich Dein liebes Leben erhellen und durchsonnen kann! Du! Wie sooo glücklich macht mich das! Dein Sonnenschein möchte ich sein und bleiben! Dein Herzenssonnenschein! Du! Er kann sich doch am innigsten und liebsten an Dich schmiegen, Dich ganz lieb umfangen – und Du mußt ihm Dein Herze öffnen.

Oh ja, Geliebte! Dein ist meine Seele, Dir in Liebe und Treue ergeben! Und Du, mein Herzenssonnenschein? Mein Glück, Du? Mein liebes, treues Weib! Ob ich auch recht erkenne, wie Dein ganzes Sein und Leben und Lieben sich mir zuneigt? Ob ich Dein Lieben recht ermesse? Oh! Laß Dir jeden meiner Boten Zeugen sein und Dank! Herzelein! Mein Lebenlang bin ich in Deiner Schuld! Oh Geliebte! Wäre ich doch so reich wie Du!, könnte ich so, wie Du es kannst, beschenken, mich so ganz hingeben! – so tief Dich aufnehmen! – so sichtbar Dir mein Leben weihen! – oh Herzelein! hätte ich so hohe Gunst! könnte ich so Dich bergen, so mütterlich, wie Du es kannst! Du bist mein Weib! Mein liebstes, bestes, einziger Weib! Oh Geliebte! Gott sei immer mit Dir! Er beschütze Dich mir! Er schenke mir die rechte Herzenskraft – Dich recht innig zu lieben – Dir zu danken mit meiner Liebe!

Ich will nun schlafen gehen, Herzelein! Es ist spät geworden. Und die Nacht ist kurz. Morgen ist die Woche schon wieder halb. Wie schnell die Zeit verrinnt. Und soviel Gutes hat sie gebracht! Was sie uns denn in ihrem Schoße aufbewahrt? Oh Du! Du!! Solange ich lebe und liebe, glaube und hoffe ich mit Dir – bleibe Dir treu! Es wird alles zu unserem Besten werden! Oh Herzlein! Wir wollen einander nur ganz lieb festhalten in Liebe und Glauben – dann wird Gottes Segen mit uns sein!

Ich bin so froh und glücklich in Deiner Liebe!

Ich denke immer Dein! Ich habe Dich so lieb, sooooo lieb!

Ich küsse Dich herzinniglich! Ich halte Dich ganz fest; sooo fest!

Ewig Dein [Roland]! Ganz Dein!!!

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Autor Roland Nordhoff
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Über den Autor

Roland Nordhoff

Foto von Roland Nordhoff. Nahaufnahme, Person sitzend in einem Fensterrahmen.
Ba-OBF K01.Ff2_.A39, Roland Nordhoff, 1940, wahrscheinlich Bülk, Fotograf unbekannt, Ausschnitt.

 

Roland Nordhoff wurde 1907 in eine bürgerliche Familie in einem ländlichen Dorf im östlichen Sachsen, Kamenz, hineingeboren. Nachdem er ein Musikstudium aufgegeben hatte, arbeitete er als Dorflehrer in Oberfrohna, nahe Chemnitz. Im Frühjahr 1938 wurde er nach Lichtenhain in Sachsen versetzt

Über die Korrespondenz

Oberfrohna

Fotografie des Brautpaars Nordhoff am Tag ihrer Hochzeit vor dem Portal der Kirche.

Das Konvolut aus Oberfrohna befindet sich gut erhalten in privaten Händen in Deutschland. Es umfasst 24 Aktenordner mit ca. 2600 Briefen, die zwischen 1 und 20 Seiten lang sind. Der Briefwechsel beginnt im Mai 1938 und dauert, mit einigen kurzen (Urlaubs bedingten) Unterbrechungen, bis Februar 1946