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Briefkorpus

Freitag, am 22. Mai 1942.

Mein Herzelein! Mein liebes, herzliebes Mannerli! Du!!!

Ach Du! Heute hat es aber lange gedauert, ehe ich zu dir kommen konnte! Denke nur, es ist jetzt schon ¼ 11 Uhr abends, da ich mich zu Dir setze. Liebster!

Es war nicht meine Schuld, laß Dir erzählen. Am Morgen habe ich begonnen, meine zwei Küchen zu säubern, habe alle Möbel abgeseift, frische Gardinen aufgemacht, den Ofen poliert, gescheuert. Nebenbei kochte ich Essen. Mittags habe ich mit Papa ‚Teppiche‘ geklopft, aufgewaschen. Mein Kämmerle und das Wohnzimmer abgestaubt, Fußböden gewischt und gebohnert. Dann war es 300 nachmittags, Zeit zum Wegelaufen.

Rasch habe ich mich gewaschen und umgezogen und bin losgelaufen. Beim Fleischer holte ich Roastbeef für die Feiertage, beim Bäcker Brot und Mehl und Hefe zum Kuchenbacken, beim Milchmann Milch. Der Grünwarenmann hatte immer noch den Laden zu, morgen gibt’s mal wieder was. Beim Krämer kaufte ich ein. Im Delikatessgeschäft [sic] holte ich mir wieder ‚Eingefrostetes‘, Tomatenmark diesmal. Es ist so viel, daß ich davon einkochen kann. Du siehst also, mein Herzelein, wir haben noch zu leben – man muß nur genug sich kümmern. Zeit geht flöten, viel Zeit! Gegen die sechste Stunde war ich fertig mit Einholen! Die Menschen stehen überall an, sicher weil Feiertage sind, ist es noch schlimmer als sonst. Dann mußte ich doch erst mal Kaffeetrinken, ich war soo hungrig vom Laufen und Stehen. Während Mama, die um ½ 5 heimkam, Vatern [sic] zum Dienst fertig machte, briet ich unsern Braten an. Und setzte das Hefestück an für den Aschkuchen [sic], auch 2 kleine Kartoffelkuchen wollte ich mit backen. Es war gerade um 6, die Glocke läutete den Abend ein, Mutsch wollte nochmal zum Kaufmann Bier holen und kam plötzlich ganz aufgeregt wieder zurückgerannt: „denke dir, unser ganzer Keller schwimmt!“ Ich bin gleich mit runter, um zu schaun, was los war. Ach Du! meine Güte! Alles schwamm! Der ganze Keller! Ich vergaß, daß in den Abendstunden heute ein heftiges Gewitter niederging, mit einem wolkenbruchartigen Regen – dem ersten heuer! Und das Wasser schoß in wilden Bächlein die Straße herab. Unsre Schleuße [sic] fing kein Wasser mehr auf. Alles floß uns ins Kellergeschoß.

Sofort waren alle Hausbewohner mobil! U.s wollten eben nach Waldenburg fahren mit dem Bus, sie waren schon im Staat, fix und fertig. Mit Eimern und Kehrschaufeln bewaffneten wir uns alle und schöpften Wasser, was das Zeug hielt. Ich hab dann mit 2 Schaufeln geschöpft, denn Mutsch trug die vollen Eimer fort.

Frau U. rief unterdessen beim Bürgermeister an, er möchte jemanden vom Straßenbau schicken. Ja, die waren schon alle nein. Der Schutzmann brauste mit dem Motorrad heran und besah sich alles. Es sei ein Rohr geplatzt durch den harten Frost und morgen früh muß der ganze Fußweg aufgehackt werden, diese Meldung machte der Straßenbaumeister, der noch hinzukam. Endlich floß kein Wasser mehr zu, es ließ nach mit regnen. Die Frauen haben dann noch den Schlamm vom Fußboden heiß aufgewischt. Ich bin immer herauf [sic], mein Kuchen!! Es war schon 9 Uhr vorbei, solange schufteten wir mit der dummen Sach‘! Nur gut, daß es nicht nachts geschah! Und nur gut, daß U.s noch da waren. Die schließen doch alles so fest zu! Was hätte nur werden sollen dann? Du! Diese unvorhergesehen Hatz, die hat uns den Rest gegeben heut‘ abend! Wir haben’s so satt. Mutsch hat allein 59 Eimer Wasser hinaufgetragen! Und nun ist der Schaden behoben.

Gottseidank!

Ich habe gebacken, mir noch den Kopf gewaschen, denn morgen will ich auch mal zum Frieseur, damit ich zu den Feiertagen bissel ordentlich aussehe. Jetzt will ich nun schnell ins Bettlein gehn! Ach Herzelein! Was bin ich müd! Morgen will ich doch wieder zu Dir kommen ganz lieb, ja Du?! Ach Schätzelein! Ich muß Dich ja sooo sehr liebhaben. Und wenn’s noch so viel Arbeit gibt – meine ganzen Gedanken sind doch nur bei Dir, Goldherzelein. Immer! Immer! Du!!! Ich liebe Dich soooo!

Gott behüte Dich! In Ewigkeit bleibe ich Deine [Hilde]

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Autor Hilde Nordhoff
Korrespondenz Oberfrohna
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Hilde Nordhoff

Foto von Hilde Nordhoff. Nahaufnahme, Person im Sommerkleid, im Hintergrund Bäume.
Ba-OBF K01.Ff2_.A12. Hilde Nordhoff, 1940, Oberfrohna, Fotograf unbekannt, Ausschnitt aus Fotoalbum.

Hilde Nordhoff wurde 1920 als Hilde Laube in eine Arbeiterfamilie in Oberfrohna, eine Kleinstadt in Sachsen, hineingeboren. Sie arbeitete ein Jahr lang als Hausangestellte, dann in einem Trikotagenwerk.

Sie kannte Roland Nordhoff aus der Kantorei in Oberfrohna und trat sogar der evangelischen

Über die Korrespondenz

Oberfrohna

Fotografie des Brautpaars Nordhoff am Tag ihrer Hochzeit vor dem Portal der Kirche.

Das Konvolut aus Oberfrohna befindet sich gut erhalten in privaten Händen in Deutschland. Es umfasst 24 Aktenordner mit ca. 2600 Briefen, die zwischen 1 und 20 Seiten lang sind. Der Briefwechsel beginnt im Mai 1938 und dauert, mit einigen kurzen (Urlaubs bedingten) Unterbrechungen, bis Februar 1946