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Briefkorpus

Donnerstag, den 21. Mai 1942

Herzensschätzelein! Meine liebe, liebste [Hilde]!

Bin doch schon wieder bei Dir, Du!!! Mittagstunde ist, dauert doch jetzt über 4 Stunden. Und heute ist es doch gar nicht so schwül. Ein frischer Wind hat sich aufgemacht und macht den warmen Tag angenehm. Und so bleibt vom Mittagstündchen gleich etwas übrig für mein Schätzelein! Wenn es bei mir wäre, gehörte ihm das ganze Mittagstündchen, gelt? Mannerli hülfe erst schnell mit aufwaschen – und dann muß mein lieber Unruhgeist sich ein bisserl Ruhe mitgönnen – muß – oder ob es gar freiwillig mithält? Na – wenn es wird ein Dickerle sein – Du!!! – ich denke schon! Und ich mach doch aus meinem Weiberl ein Dickerle – hab dieselben Pläne wie mein liebes Evchen – ob es denn wird nicht hungern? – wenn das Mannerli mit Süßigkeiten kommt? – Du! Du!!!

Herzelein! Ich muß Dir doch sooo gut sein! Du!!! Du!!!!! !!!!! !!! Bist doch so lieb in meine Mittagstunde heut gekommen – und so schnell wieder. Vom Freitag und Sonnabend sind die lieben Boten. Zerteilen möcht‘ sich mein liebes Weiberl wieder. Haushalt, Einkaufen, Kursus – und kommt doch immer ganz zu mir, mit der ganzen Fracht und Last des vollen, liebenden Herzens, zu mir! Oh Geliebte! Wie beglückst Du mich damit!

Jetzt wäre nun womöglich noch Gelegenheit, Kantorin von Oberfrohna zu werden – gar nicht übel. Aber erst muß man Klavierspielen können. Magst es lernen bei mir? Mußt Dich jeden Tag ein Stündchen freimachen dazu. Und vom 20. Stündlein an winkt schon ein feines Zusammenspiel mit dem Mannerli. Gibt feine vierhändige Stücklein von Diabelli, die klingen schon und singen und machen Freude – nichts tue ich lieber, als mich dann zu Dir setzen, Dich zu gleit begleiten – ja, Herzelein! Ich glaub, ich mach Dir noch Lust dazu – Du!!! Aber jetzt kannst damit nicht anfangen. Die Gelegenheit zum Üben ist zu umständlich – und zudem ist mein Herzlieb zu sehr eingespannt. Du! Verwöhne nur die im Roten Kreuz nicht zu sehr. Du hast am besten gelernt und begriffen. Wenn es heißt, daß ihr aller [sic] 14 Tage wiederkommen müßt, das brauchst Du Dir gar nicht anzunehmen. Du erscheinst dann und wann einmal, so wie Du eben Zeit und Lust hast – und damit müssen die fein zufrieden sein – und sind es auch. Und wenn Du Dich mal unsicher fühlst, dann hast Du es in einem ruhigen Stündchen schneller überholt als in vier Abenden dort.

Erzählst mir von den Umständen, die es macht, um das bißchen Zeug für das tägliche Brot zusammenzutragen, den vielen, oft vergeblichen Weg[e]n. In dieser Beziehung seid Ihr aber auch schlecht dran in Oberfrohna. Ringsum ist zwar überall bebautes Land, aber es warten zu viele Schnäbel auf das, was da heranwächst. So dicht dabei nun die gefräßige Großstadt, die alles an sich zieht. Dabei erbauen sich so viele in ihren Gärten allerlei. Aber das fällt eben so nicht ins Gewicht. Ist es nicht eine fürchterliche Enge und Unfreiheit und Not, zu sehen und zu fühlen, daß es gerade noch langt zum täglichen Brot – und ein klein wenig schlechter, daß es kaum noch langt? Daß das werte Land ringsher die Menschen nicht nähren kann? Daß jedem auf Stück und Pfund und Gramm zugeteilt werden muß? Und wenn es in Deutschland heute geschieht, dann weiß man, es ist nötig, denn es ist ja fast alles erfaßt, jeder Vorrat, jede Reserve.

Wir kommen hier ja kaum mehr in die Stadt. Daß wir sehen könnten, was es gibt und wie teuer es ist. Aber ein so wenig organisiertes Land und Leben, wie es das griechische ist, hat immer noch Reserven und Verstecke, die nicht erfaßt sind, wenn sie natürlich mit der Zeit auch verbraucht werden. Ja, dieses Kriegsgewitter möchte bald abziehen. Es erlegt in ganz anderem Maße auch der Heimat Lasten auf. Und solche Einschränkungen in der Nahrung, wie sie der vergangenen Weltkrieg brachte, wären diesmal auf längere Zeit nicht möglich, wo Leistungs- und Nervenkraft des Volkes auf viel härtere Proben gestellt werden.

Herzelein! Ich kann nun dazu gar nicht ein bissel helfen – und könnte es auch nicht, wenn ich daheim wäre. Denn jeder, wenn er nicht unendlich schiebt und wuchert, ist den Einschränkungen gleicherweise unterworfen. Und ich bin froh und beruhigt zu sehen, wie Du Dich regst und rührst und haushältst, daß alle satt aufstehen vom Tische. Ach, und ihr habt auch noch immer soviel, daß ihr einander erfreuen könnt und beschenken – Du bist ein zu liebes Weiberl. Hast alle Mütter so gut bedacht – und ich habe überhaupt nicht daran gedacht – nicht [e]inmal an die eigene Mutter – und an mein Mütterlein, bist doch Du, Liebes, Herziges – gelt? Und ich bin Dein Bub! Oh Du! Er hat sein Mütterlein sooo lieb, sooooooooooooo lieb! Ich möcht doch der lieben Großmutter [Laube] so gern mal eine Freude bereiten. Wer kann wissen, wie lange dazu noch Gelegenheit ist. Und hab sie doch richtig lieb – und sie hält so viel auf uns.

Hättest mir wieder einmal eine Schachtel schicken mögen, eine größere. Es ist nur eben auch alles so unsicher mit unserem Hiersein. Wenn man viele Kameraden erzählen hört, die aus dem Urlaub kommen: „es ist nichts mehr los daheim, kein Bier, nichts zu rauchen und Schmalhans Küchenmeister.“

Du, Herzelein! Wenn das uns vergönnt ist, daß ich bald wieder einmal kommen darf, sollt und braucht ihr Euch doch überhaupt keine Sorgen zu machen – hörst Du das? Du weißt es ja auch. Das Mannerli braucht kein Bier und keine Zigaretten – und satt wird es, und schmecken wird es ihm, oh Du, sooo gut, neben meinem Schätzelein wieder am Tische!, und wenn ich nur mit Euch teilen muß. Oh Du! Du!!! Und je weniger es gäbe – desto lieber käme ich doch nach Hause, um desto lieber mit Dir zu teilen auch in der Not! Du! Du!!! Um Dir desto näher zu sein mit Leib und Seele, geliebtes Wesen! Ach Herzelein! Wir brauchen nicht so viel, um glücklich zu sein! Und was wir dazu brauchen, ist alles markenfrei!

Oder erwartet das Mannerli eine Überraschung, etwa die Kussel auf Marken? Ach! Da will das Mannerli aber anstehen! Du!!! Steht es schon früh am Bettlein – und sperrt Dir alle Wege – und läßt Dich abends nicht wieder hinein! Du! Hamstern wird dann das Mannerli, wenn daran Mangel sein sollte. Ich denke mir, die Kussel wird es dann noch genug im Schleichhandel und Tauschhandel (!) und Schwarzhandel (bei Nacht!) geben. Na, die Marktordnung für die Kusselwirtschaft schreiben wir uns selber, gelt? Höchste Strafen drohen dem, der vorsätzlich welche zurückhält!

Ach Du! Herzelein! Mit Dir kann ich doch nur froh und glücklich sein! Und das möchte ich Dir doch sooo gerne zeigen, es Dir leben – oh Geliebte! Diese Lebensfahrt mit Dir antreten, mit Dir sein im Lande unsrer Liebe, das uns so gut und hoch und köstlich vorschwebt, in dem wir beide das Liebste und Beste, einander alles, alles zuliebe wirken möchten! Am allerfeinsten soll es bei mir sein! Oh Herzelein! Lauter Herzlichkeit und Traute soll sein in unserm Heim! Oh schenke Gott unserem Wollen ein Vollbringen!

Weil ich doch heut mittag schon bei Dir war, bin ich heut abend wieder mal ins Kino gegangen – ach, seit Wochen wohl wieder einmal. Habe mir ein ungarischen Film angesehen. Es ist ganz interessant, im Film auch einmal andere Völker kennenzulernen. Ich erzähle Dir morgen nochein [sic] wenig davon. Der Mond steht am Himmel als Sichelein – spiegelglatt ist die See – Mond und Schiffe und See – ein herrliches Bild südlicher Nacht – – schön – – aber tausendmal lieber schaute ich es mit Dir – tausendmal lieber lauschte ich dem Weben der heimatlichen Maiennacht. Herzelein! Die Bäume blühen und alle prangt im schönsten Frühlingskleide – Du schreibst es mir – das ist die Zeit, die zum Jubel unsrer Herzen stimmt, zum Glücke unsrer jungen Liebe.

Oh! Segne sie Gott! Behüte er Dich auf allen Wegen! Er wird’s wohl machen! Herzelein! Du! Geliebte! Behalt mich lieb! Du!!! Wie ich Dich lieb behalte – Du, mein Alles! Mein Leben! Geliebtes, teures Weib! Meine [Hilde]!

Ich küsse Dich herzinnig und halte Dich ganz lieb umfangen!

Dein glückliches Mannerli! Ewig Dein [Roland]!

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Autor Roland Nordhoff
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Roland Nordhoff

Foto von Roland Nordhoff. Nahaufnahme, Person sitzend in einem Fensterrahmen.
Ba-OBF K01.Ff2_.A39, Roland Nordhoff, 1940, wahrscheinlich Bülk, Fotograf unbekannt, Ausschnitt.

 

Roland Nordhoff wurde 1907 in eine bürgerliche Familie in einem ländlichen Dorf im östlichen Sachsen, Kamenz, hineingeboren. Nachdem er ein Musikstudium aufgegeben hatte, arbeitete er als Dorflehrer in Oberfrohna, nahe Chemnitz. Im Frühjahr 1938 wurde er nach Lichtenhain in Sachsen versetzt

Über die Korrespondenz

Oberfrohna

Fotografie des Brautpaars Nordhoff am Tag ihrer Hochzeit vor dem Portal der Kirche.

Das Konvolut aus Oberfrohna befindet sich gut erhalten in privaten Händen in Deutschland. Es umfasst 24 Aktenordner mit ca. 2600 Briefen, die zwischen 1 und 20 Seiten lang sind. Der Briefwechsel beginnt im Mai 1938 und dauert, mit einigen kurzen (Urlaubs bedingten) Unterbrechungen, bis Februar 1946