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Briefkorpus

Sonnabend, den 16. Mai 1942

Herzensschätzelein! Geliebte! Meine liebe [Hilde]!

Ist da nicht schon wieder eine Woche herum? Und 5 Wochen nur noch bis zur Sonnenwende. Sollten wir heute nicht schon in Sofia sein? Ja, so verfliegt die Zeit, und so verstreicht sie ganz anders oft, als wir es ahnen.

Abend ist wieder. Eben bin ich heimgekehrt vom Abendbummel mit den Kameraden. War ein interessanter Tag heute. Großes Wecken mit Gewitter: rollte tatsächlich ein Donner heute früh, einen mächtigen Guß gab es, ein besonderes Schauspiel im Angesicht unseres Platzes, der bald mit Bächen durchzogen war – und nachher einen Regenbogen, eine Seltenheit am frühem Morgen. Wir waren nun schnell bei der Hand mit uns[e]rer heimischen Wetterregel „Frühgewitter kommt nachmittags wieder“ – aber sie bewahrheitete sich nicht, eine goldener, sonniger Tag blieb es und ein herrlicher farbenreicher Abend mit glatter See. Gegen ½ 7 Uhr zog ich mit K. los. Und es packte uns die Lust, ein Stück mit dem Boot zu fahren. Gedacht – gemacht. Sehr schöne Bilder, die sich dem Auge Bboten: Die Stadt, die Hochhäuser der Kaistraße im Vordergrund, aufsteigend zur Zitadelle, dahinter die Berge, über allen thronend der Chortiatis, zum Greifen nahe, magisch beleuchtet – und überall sonst selten prächtige Farben, dazu im Vordergrund die Schiffe und Kähne mit ihren Segeln und der Takelage. Nach uns[e]rer Bootsfahrt sind wir am Kai entlanggeschlendert. Kamerad H. stieß zu uns. So wandelten wir in der bewegten Menge, die sich hier allabendlich ergeht. Es macht wenig Spaß. Oft muß man grüßen, und wenn man sich nicht dem Wogen anpaßt, kommt man immer ins Gedränge. Ein schöner Feldweg wäre mir tausendmal lieber. [Du] Hättest uns vielleicht gar nicht erkannt, Herzelein. Wir müssen nämlich jetzt Khaki tragen, haben für gut noch eine zweite Garnitur dazuempfangen [sic]. Nun ist an den Matrosen mal zunächst gar nicht Blaues außer dem Käppi, der Bordmütze.

Ich möchte Dir das alles gern auch im Bilde vorführen, aber ich habe nicht einen Film mehr, vielleicht kannst mir wieder einmal einen besorgen.

Ja, Herzelein, nun sind wir auf der Promenade – sie ist etwa 1 km lang – einmal auf- und abgegangen. Die Kameraden sind dann Kino, das Mannerli ist heimwärts gesteuert. Es hat doch noch nicht mit dem Herzensschätzelein geplaudert.

Und ist doch schon wieder ein lieber Bote, der vom Montag, beirr mir. So schnell ist er gegangen. Will nur ho[f]fen, daß die Post umgekehrt ebenso schnell geht, damit keiner Deiner Boten erst den falschen Weg einschlägt.

Zum Montagboten möchte ich gleich einiges sagen. War doch ein reich ausgefüllter Tag. Der Tag von Deinem Mannerli ist nicht viertel so bewegt und abwechslungsvoll. War doch auch ein Tag, der mein Schätzelein in mancher Hinsicht bewegte, denn wenn es um Kleidung und Eitelkeit geht, kommt immer Bewegung in die Sache der Weibel. Überraschst mich mit der Kunde vom Besuch des Augenarztes. Ist schon recht, daß Du ihn aufgesucht hast. Ist besser beizeiten dazugetan [sic]. Ist mir mit der Brille so, daß man sie gut regelmäßig und konsequent brauchen möchte. Man gewöhnt das Auge an die Hilfe, und strengt es dann doppelt an. Ich will damit nicht sagen, daß Du sie immer tragen möchtest. Ich würde sie Dir doch selber manchmal absetzen – Du!!! Es ist schon gut, wenn man ohne die Brille auskommt, aber man gewöhnt sich selber daran und die anderen auch an den Brillenträger. hast mir wohl mal davon gesprochen, daß du kurzsichtig bist, ein wenig – aber es muß wohl schlechter geworden sein, daß Du Dich nun entschlossen hast, zum Augenarzt zu gehen. So, daß Du etwa auch auf der Straße unsicher bist? Dann mußt Du sie auch dort tragen, dort ist es dann sogar am wichtigsten. Ein Fräulein Professor habe ich deshalb noch nicht – ich möchte nämlich keines haben – und die lieben Augensterne  brauchen doch gar keine Fenster, wenn wir einander nahe sind, Du!!! Möge das Licht Deiner Augen Dir hell und klar bleiben! Schreibst manchmal zu lange Herzelein und strengst die Augen zu sehr an. Der Fehler kommt gewiß von Deiner Näharbeit in der Fabrik – denn anderwo [sic] hast Du Deine Augen so einseitig noch gar nicht angestrengt.

Der Hutkauf ist aber nicht minder aufregend, das hat ja das Mannerli schon erfahren müssen. Das Modell für die Frau Oberbürgermeister schätze ich auf etwas mehr als noch als den „wertvollen Antilopehut“ [sic]. Den solltest Du gar nicht so in den Glasschrank stellen, sondern richtig abtragen. Hüte unterliegen der Mode – und das Umarbeiten bleibt doch zumeist.

Von der Begeisterung der Verkäuferinnen halte ich nicht allzuviel – ich glaube, daß ein nüchternes Gutachten des Mannerli manchmal besser tut – aber ich gebe zu, Hutkauf ist eine aufregende Geschichte für den, den es angeht.

Muttertag. Daran habe ich gar nicht gedacht – und das bereue ich auch weiter nicht. Es ist der Feiertag, der gemacht wurde – und dessen Mache wir bewußt miterlebten, es ist die Mache tüchtiger Geschäftsleute.

Der Onkel Herbert ist tatsächlich wieder frei. Herzelein, ich kann mir nicht anders denken als dadurch, daß er an irgendeiner maßgebenden oder einflußreichen Stelle wühlt oder zu Kreuze kriecht, jedenfalls sich irgendwie etwas vergeben muß [sic] – anders ist es doch kaum denkbar. Ich könnte das nicht. Und so lieb ich Dich habe – aber mich selber verleugnen und mir etwas vergeben, um einen Vorteil zu erlangen – das kann ich nicht – das könnte ich für Dich nur im äußersten Notfall. Und so und nicht anders mußt Du doch selbst handeln, magst du auch Dein Mannerli [sic].

Daß der Besuch sich absagte – ganz richtig finde ich das nicht. Es ist doch heute schon schwer, jemanden einzuladen. Der Besuch, der mehrere Tage bleibt, hat schon Verständnis dafür, daß man ihn mal ein Stündchen sich selbst überläßt, weil man einer vorher gegebenen Zusage folgeleisten möchte. Du, Herzelein! Wenn ich auf Urlaub kommen kann – keine Einladung nehmen wir an, keine Verpflichtung gehen wir ein bei dieser knappen Zeit!!! Höchstens Fräulein Sch. wird einen Abend geladen – aber dann Punktum. Bei der kürzeren Zeit wird dafür jedermann Verständnis haben. Wir lassen uns schon hier und da einmal sehen, wie uns der Weg eben führt – aber ohne jedes Programm, ohne Anmeldung und Zusage – wer uns gern sieht, freut sich auch so – und den anderen wollen wir gar nicht erst zur Last fallen. Ich weiß doch, daß ich darin mit dir ganz einig gehe! Das magst [Du] auch gleich der lieben Mutsch auseinandersetzen. Teilen müssen wir den Urlaub ja ohnehin – aber erst, wenn wir ihn haben – gelt? – Ach Herzelein [,] Geliebte! Dein Mannerli wird ganz fein aufpassen, glaubst [Du] ihm das? Und seine Wachsamkeit wird doch best [unleserlich] von dem einen Wunsch, von der einen großen Sehnsucht: Dir heimzukehren, Dich wiederzusehen!!!

Mit Rosensträußen sieht man jetzt viele Mädchen gehen – und da denkt das Kalendermannerli doch daran, daß wieder ein Röslein welken und eines erblühen will. Herzelein! Du!!! Vielleicht braucht schon das nächste nicht ungepflückt zu welken! Oh Herzelein! Ich hoffe doch mit Dir! Du, Du!!!

Schenke Dir Gott recht bald wieder volle Gesundheit.

Nun will ich schlafen gehen. Vergangene Nacht habe ich doch so schlecht geschlafen – [ich] weiß nicht, warum. Ich bin doch fein müde heute.

Magst [Du] mitkommen in mein Bettlein? Im zweiten Stock schläft das Mannerli – und ganz fein brav muß man liegen – sonst fängt es wild an zu schaukeln – und der St. drunter wird munter – nein, lieber ganz allein sein und muß ganz brav – Du? Du!!! Du!!!!!

Behüt[‘] Dich Gott, geliebtes Herz! Ich habe Dich so lieb, sooooooooooooo lieb!

Ich küsse Dich herzinnig und bleibe ewig

Dein glückliches Mannerli,

Dein [Roland].

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Kommentare

Anschauliche Beschreibung der Promenade am Kai und des Panoramas. Die Besatzungssoldaten und Offiziere scheinen sich dort abends zu tummeln, aber nicht die griechische Bevölkerung. Roland belehrt Hilde über den Umgang mit Augenarzt und Brille. Er erwähnt, dass jetzt alle Soldaten, auch die Matrosen, Khaki tragen müssen.

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Autor Roland Nordhoff
Korrespondenz Oberfrohna
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Über den Autor

Roland Nordhoff

Foto von Roland Nordhoff. Nahaufnahme, Person sitzend in einem Fensterrahmen.
Ba-OBF K01.Ff2_.A39, Roland Nordhoff, 1940, wahrscheinlich Bülk, Fotograf unbekannt, Ausschnitt.

 

Roland Nordhoff wurde 1907 in eine bürgerliche Familie in einem ländlichen Dorf im östlichen Sachsen, Kamenz, hineingeboren. Nachdem er ein Musikstudium aufgegeben hatte, arbeitete er als Dorflehrer in Oberfrohna, nahe Chemnitz. Im Frühjahr 1938 wurde er nach Lichtenhain in Sachsen versetzt

Über die Korrespondenz

Oberfrohna

Fotografie des Brautpaars Nordhoff am Tag ihrer Hochzeit vor dem Portal der Kirche.

Das Konvolut aus Oberfrohna befindet sich gut erhalten in privaten Händen in Deutschland. Es umfasst 24 Aktenordner mit ca. 2600 Briefen, die zwischen 1 und 20 Seiten lang sind. Der Briefwechsel beginnt im Mai 1938 und dauert, mit einigen kurzen (Urlaubs bedingten) Unterbrechungen, bis Februar 1946