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Briefkorpus

Freitag, den 15. Mai 1942

Herzensschätzelein! Geliebte! Meine liebe liebste [Hilde]!

„Wie regt sich die Lust da zu singen – – “, ja Herzelein! Singen möchte ich wieder einmal, ach Du! wieder einmal musizieren – für gar keinen besonderen Zweck als nur eben aus Lust daran und nur für Dich, Geliebte! Kein Lied kann ich richtig auswendig mit Text und Melodie – es ist ein Jammer! Das soll doch mal ganz anders werden. Und das wird schon dann [a]nders, wenn man nicht nur so vor sich selbst hinmusiziert, sondern jemandem sich verständlich machen will. Beim Singen und Musizieren kann sich doch das Herze noch besser aussprechen als im Wort. Ganz anders noch machen die Töne das Herz mitschwingen, besser lösen und befreien sie als Worte. Oh Herzelein! Du weißt, was sich lösen und befreien möchte. Ich habe kein Geheimnis vor Dir. Kein Kummer drückt mich, kein Anliegen – ich hätte sie Dir längst vorgetragen. Oh Geliebte! Geliebte! Die Liebe allein ist es in ihrem Jubeln, in ihrem Sehnen. Die befreit sein möchte, die mich drängt, Dir mich kundzutun! Oh, das ist doch wohl das Härteste an der Geduldsprobe jetzt, daß wir uns so verzwingen müssen, daß unser Herz zu kurz kommt – und das Herz wird doch erst froh in der Heimat unter lieben Menschen, es zieht seine Nahrung und Kräfte aus dem Mutterboden der Heimat – und jetzt muß das Herz darben, hier in der Fremde, im Ausland. Oh Geliebte! Es mögen das nicht alle so empfinden wie wir.

Wenn ich nun noch ganz allein stünde, wenn ich Dich nicht hätte, meine liebste, tiefste Heimat – oh Herzelein! Deine lieben Boten sind doch die Nahrung des Herzens – oh Du! Du!!! Sie bringen mir die Heimat – Herzallerliebste, das kann nur recht ermessen, wer draußen in der Fremde sein muß und daheim eine sooo liebe Heimat, die allerliebste Heimat hat wie Dein Mannerli, Du! Du!!!

Geliebte! Wenn wir einmal die unpassenden Worte brauchen wollen: Dein lieber Bote versieht einen ganz wichtigen Dienst, er bringt mir Herzensnahrung und Stärkung.

Ach Du! Wie soll ich Dir recht danken für Dein treues Liebgedenken, daßs doch noch viel mehr ist als Dienst? – Liebe, tiefe, wundersame Liebe!!! Herzelein! Du hilfst doch Deinem Mannerli – Du stehst doch neben ihm wie verborgen, mit der Tarnkappe und hilfst mir aushalten, aushalten, Geduld üben, umsichtig und wachsam sei. Du! Du!!! Mein liebster, bester Kamerad! Und wenn Gott mich in Gnaden Dir heimkehren läßt: was wir dazutun konnten, Du hast Dein reichlich Teil daran, Du hast wie schon immer um unsre Liebe, unser Glück gerungen und geduldet, gekämpft – Du! Du!!! Liebes, tapferes Weib! Ewig will ich es Dir danken mit meiner ganzen Liebe und Treue! Herzelein! Ich muß an das Gewölbe eines Domes denken.  Himmelan streben die Pfeiler und neigen sich zueinander, zum spitzen Gewölbe, zum überwölbten Raum – neigen sich zueinander, einer dem anderen Halt und Widerlager – keiner denkbar ohne den anderen – so ist gutes, tiefes Lieben – so ist unser Lieben. So wie die Säulen neigen sich unsre Wesen in Liebe einander zu – eine findet an der anderen Halt, eine ist der anderen Sinn und Bestand – allein stürzte jede zusammen – oh Herzelein, so sind wir in Liebe und festem Vertrauen aneinandergegeben, einer hält und trägt das andre, in höchster Glückseligkeit die süße Last der Liebe – der Dom unsrer Liebe! Und unser Finden und Prüfen galt doch dieser Sorge allein: daß wir in solch guter, tiefer, ganzer Liebe zueinander neigen könnten – es war ein Einspielen aller Sinne und Kräfte, ein Bauen an diesem Dom – ja, gewiß Herzlieb! Und nun sind wir solch ein Säulenpaar – ein glücklich Paar, ich weiß kein glücklicheres, – zusammengegeben für dieses Leben, vor Gott dem Herrn und dieser Welt, zusammengekettet unsre Schicksale für dieses Leben, oh, wieviel Glück!!!, miteinander nur ein sinnvolles Ganzes! Oh Herzelein! Vereint, zusammengeschlossen so innig und fest zu einem neuen Ganzen – ein Kindlein wird es doch ganz offenbar! Darum ist es auch die Krönung des Glückes der Liebe!

Herzelein! Zwei liebe Boten sind heute wieder zu mir gekommen. Sie gehen ja so schnell, sie bringen mir ja zu viel Liebe – und ich werde nun wieder ein paar Tage warten müssen. Herzallerliebste! Sie künden mir so beglückend davon, wie Du mit mir lebst, wie Du teilnimmst an meinem Leben und mich im Herzen trägst überall und allezeit – oh Du! Du!!! Liebstes, treuestes Weib!

Ich will doch Dein liebstes und treuestes Mannerli sein! Herzelein! Wenn es so bleibt – und es kann doch gar nimmer anders werden zwischen uns, – dann können wir einander nicht verlieren, dann können wir einander nicht fremd werden. Oh Geliebte! Du bewahrst mit mir unser Glück sooo lieb und treu! Ich weiß keinen anderen Menschen als Dich, ich werden nie einen and[e]ren finden, den ich sooo lieben kann, zu dem es so mich drängt, ihm mich mitzuteilen, mit ihm zu leben so ganz innig vermählt, Herz an Herz! Oh Schätzelein! Die süße Gewalt tiefer Liebe, innigsten Liebens, hat uns in ihren Bann geschlagen. Ich kann doch immer nur zu Dir kommen, an Dein Herz mich flüchten, und Dir meine Liebe bringen – ich kann nicht anders – und bin doch sooo glücklich in dieser Gefangenschaft, und fühle die Bande solcher Liebe nur ganz beseligt! Und werde nur immer zu Dir kommen – oh Herzelein! Dich bedrängen mit meiner Liebe – wird doch nie und nimmer von Dir lassen – Du hast doch mein Herz und ohne Dich kann ich nicht leben!

Oh Geliebte! Nun wird es auch Frühling daheim! Und ich kann die Strahlen der Sonne Deiner Liebe nicht sehen, kann sie nicht sehen und auffangen und spiegeln – und möchte doch keinen auslassen! – Kann sie nur fühlen – und kann Dir meine Sonne nicht zeigen und bringen als nur im Boten – aber wir glauben trotzdem an unsre Liebe! Vertrauen einander bis ins Letzte! Leben miteinander, als ob gar keine Ferne zwischen uns wäre! Du! Du!!!!!

Ich sehne mich doch sooo sehr nach meinem Herzblümelein! Mit Dir den Frühling zu erleben! Herzelein! Mit dem Zweigesang unsre Lebens und Liebens einzustimmen in den Jubel und das Licht und das wWerden des Frühlings – Gott zu Dienst und Lob und Preis!

Oh schenke uns Gott die Erfüllung dieses Wunsches!

Bei mir herrscht heute wieder sommerliche Wärme. Ganz weiß und farblos wird alles unter dem grellen Sonnenlicht – und das Meer erblaut immer tiefer. Bald werden wir uns mal wieder nach einer Wolke sehnen.

Herzelein! Wieder ein Tag zur Neige. Er brachte mir soviel Liebe  und Glück von daheim, von Dir!, und darum war er so reich und voll Sonnenschein! Laß Dir aus tiefstem Herzen danken! Oh Geliebte! Sei Du ganz froh und glücklich mit inne [sic] unsrer Liebe! Behalte Du mich lieb – oh, laß Dich beglücken von meiner Liebe! – so wie Du mich zutiefst beglückst!

Morgen, bald schon, komme ich doch wieder zu Dir – oh Herzelein! Sooo gern, am allerliebsten doch! Ich küsse Dich ganz lieb! Sooo lieb!

Ich habe Dich von ganzem Herzen lieb!

Ewig Dein [Roland].

Dein glückliches Mannerli!

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Kommentare

Musik als die befreiendere Sprache der Liebe gegenüber dem Wort: Musik entspricht der Sprache des Herzens. Roland verwendet ungewöhnliche Bilder aus dem Bereich der Architektur zur Beschreibung ihrer gegenseitigen Liebe: Liebende als 'Pfeiler' 'Säulen', die einander zuneigen und stützen und ein 'spitzes Gewölbe' einen 'gewölbten Raum' bilden, aufeinander angewiesen sind, vergleicht das Liebespaar mit einem 'Säulenpaar', spricht von einem 'Dom der Liebe' , der gebaut werden soll, bzw, gebaut wird. Auffallend wieder, dass die Außenwelt – Besatzung, Krieg - völlig ausgeblendet wird, nur die Natur wird wahrgenommen: die Wärme, der Frühling, das grelle, farblose Licht, das 'erblaute Meer'.

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Autor Roland Nordhoff
Korrespondenz Oberfrohna
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Über den Autor

Roland Nordhoff

Foto von Roland Nordhoff. Nahaufnahme, Person sitzend in einem Fensterrahmen.
Ba-OBF K01.Ff2_.A39, Roland Nordhoff, 1940, wahrscheinlich Bülk, Fotograf unbekannt, Ausschnitt.

 

Roland Nordhoff wurde 1907 in eine bürgerliche Familie in einem ländlichen Dorf im östlichen Sachsen, Kamenz, hineingeboren. Nachdem er ein Musikstudium aufgegeben hatte, arbeitete er als Dorflehrer in Oberfrohna, nahe Chemnitz. Im Frühjahr 1938 wurde er nach Lichtenhain in Sachsen versetzt

Über die Korrespondenz

Oberfrohna

Fotografie des Brautpaars Nordhoff am Tag ihrer Hochzeit vor dem Portal der Kirche.

Das Konvolut aus Oberfrohna befindet sich gut erhalten in privaten Händen in Deutschland. Es umfasst 24 Aktenordner mit ca. 2600 Briefen, die zwischen 1 und 20 Seiten lang sind. Der Briefwechsel beginnt im Mai 1938 und dauert, mit einigen kurzen (Urlaubs bedingten) Unterbrechungen, bis Februar 1946

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