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Briefkorpus

Sonnabend, den 9. Mai 1942

Geliebte! Mein liebes, treues Weib! Meine [Hilde]!

Herzelein! Ganz allein bin ich in der Schreibstube. Das Licht ist heute gelegt worden zur Stehlampe. Oh Du! Du!! Wie fein! Nun habe ich doch gleich eine kleine Galerie Bilder vor mir stehen. Oh Herzelein! Allein mit Dir! Wenn ich Dich doch wahrhaftig jetzt bei mir haben könnte! Geliebte! Du gehörst doch zu mir! Du darfst zu mir kommen! Wir gehören einander! Oh Herzelein! Daß wir einander nicht alle Liebe recht erzeigen können, daß wie sie alle immer aufheben sollen – Schätzelein! Es kann so schmerzhaft sein! Daß ich Dir nicht zeigen kann wie ich Dich sooo lieb habe! Wie glücklich ich bin in Deiner Liebe! Oh Geliebte! Wieviel Dank und Liebe und Verehrung zu Dir wollen, liebe, liebste H[ilde] mein!

Oh Herzelein! Wie lieb muß ich Dich haben über alle Ferne! Wieviel Heimweh und Sehnsucht weckt in mir Dein gutes, geliebtes Wesen, oh Herzelein! Deine Liebe, Dein Sonnenschein, Dein Lebensmut, Dein liebes gutes Herz, wie sie sich in jedem Deiner lieben Boten immer beredter kundtun. Oh Schätzelein! Ich könnte doch eben weinen vor Glück darum, daß Du mein bist, mein geworden bist – daß mir Deine Liebe geschenkt wurde!!! Oh Herzelein! Du hast ein einsames Mannerli so unendlich glücklich gemacht – Du kannst es wohl kaum ermessen, Du! Du!!!!! !!!!! !!! Oh Geliebte! Du weißt es und fühlst, wie so tief ich Dich in mein Herz geschlossen habe. Du! Geliebtes Weib!

Nun laß mich nur erst recht lieb Dir danken für all Dein liebes, treues Gedenken! Geliebte, meine [Hilde]! Wie glücklich fühle ich Dich so nah[‘] an meiner Seite, so lieb drin in meinem Herzen! Du liebstes, einziges Weib: Ach könnt ich Dir auch solches Mannerli sein. Du!!!

Ist doch wieder ein so lieber Bote auf Umwegen und später zu mir gekommen. Der gab erst mal eine kleine Sensation, kannst Dir denken: Abs. Addy G., weiß man doch gar nicht, ob das eine Menschenperson mit längerem Haar ist. Und nun auf dem Umschlag eine erste Spur der Täterschaft und Erklärung. Ich kann mir trotzdem keinen rechten Vers machen, weil der Brief doch mit dem Oberfrohnaer Stempel versehen ist. Welcher Kobold mag hier wieder einmal den Postboten gespielt haben?

Aber weil Dein lieber Bote nur nun bei mir ist – in meiner Hand Dein Gruß der Liebe! Oh Herzelein! So eifersüchtig wache ich doch über alle – nicht weniger als über die Küßchen – und davon gibst Du doch bloß Deinem Mannerli, Du!!!

Von der Hamsterfahrt ist mein liebes Frauchen heimgekehrt. Du! Ist denn das Rad einmal überholt worden, wie ich Dir riet? Der Rücktritt funktioniert doch nicht richtig! Und die Berge tritt mir schon langsam durch mit Muskelkraft, nicht mit Herz- und Lungenkraft. Oh Herzelein! Noch ein paarmal zeigen es mir die Bote[n], wie so tüchtig und tapfer Du schanzt [sic] und schaffst, wie Du immer wieder mutig mal was Neues probierst, mit wieviel Mut und Frohsein Du alles auf Dich nimmst – es ist wahrhaftig nicht so leicht jetzt hauszuhalten! Oh Herzelein! Tust doch alles auch schon für mich! Ja, Du sollst es so denken, Herzelein!

Dora P. hat Dich besucht. Sie hat vom Fliegeralarm gesprochen. In den letzten Tagen sagte der Heeresbericht, daß im Südwesten kleinere Städte und Landgemeinden wären angegriffen worden. Herzelein! Seid recht auf der Hut!

Die Rotkreuzprüfung hast noch vor Dir, damals – nun liegt sie hinter Dir, ich erfahre es aus Deinem lieben Sonntagsboten. Sind die denn verrückt, solange zu prüfen? Von der Beschlagenheit in diesen Dingen kann man sich doch wahrhaftig schneller überzeugen.

Mich wundert ja beinahe, daß der Gummikursus [sic] nun doch schon sein Ende findet – der Gummi ist eben auch was heute. Über die Niere hat mein Herzelein berichten müssen.

Herzelein und Niere sind gut zu essen, wenn sie fein gekocht in der Nudelsuppe erscheinen. Diese Antwort hätte das Mannerli grade noch geben können. Na, ich will mich nicht gar so dumm anstellen. Die Niere ist ein Filter. Sie bef scheidet die guten von den schlechten Säften, verarbeitet die Flüssigkeiten. Ich wüßte aber schon nicht, wie die Flüssigkeiten aus dem Magen in die Niere gelangen, oder ob sie aus dem Darm dahin gelangen. Mamn muß eben immer drüberbleiben [sic]. Wenn wir das nächste Weinchen zusammen trinken, müsse[n] wir mal eben ganz genau aufpassen, welchen Weg es nimmt zwischen Weinglas und After Hinterhaus [sic] – gelt? Du! Du!!! Du paßt beim Mannerli auf und ich bei Dir – bei wem wird’s wohl zuerst wieder zum Vorschein kommen? Ja, Dein Mannerli ist auch ein schwieriger Rotkreuzprofessor, stellt der verzwickte Fragen!

Aber mein herziges Weiberl befaßt sich mit nicht minder schwierigen Problemen. Ich sehe etwas von strengem Weibel und Flitterwochen – ach Du! Du!!! Herzelein! Geliebte! Ich möchte Dich doch gleich ganz fest an mein Herz drücken vor Freude und Glück und Liebe! Weil Du glücklich bist an meiner Seite! Du! Du!! Du!!!!!

Oh Herzelein! Ich kann doch den reichen Strauß gar nicht halten. Muß mir etwas aufheben für die nächsten Tage. Will Dir nun etwas von hier berichten.

Heute war doch Badetag. Deine Stiefelein habe ich bekommen. Und wie ich es schon plante, habe ich sie doch anprobiert – es versucht. Es ist nicht möglich, sie anzukriegen. Und nun habe ich es ein bissel [sic] mit der Angst, sie möchten Dir nicht passen. Aber ich denke an die Handschuhe. Hast auch so lange Fingerln wie das Mannerli, aber doch schlanker, feiner die Glieder, schmaler die Hand, schwächer die Gelenke, und beweglicher. Ich denke – es ist damit noch nicht gesagt, daß sie Dir nicht passen. Gut sind sie gearbeitet, schmuck sehen sie aus. Ich wird Dir schon fein hinein- und heraushelfen, und wenn es auch Spaß dabei gibt.

Heiß und sonnig war der Tag heute. Gegen Sonnenuntergang wurde es kühl und trübe von Westen her.

Herzelein! Meine Schreibschulden sind wieder mal ins Ungemessene gestiegen: Siegfried, Eltern beide, Tante Marie (80. Geburtstag!). Marianne – ich muß Dir heute abend noch ein Stündchen abknopfen [sic] – Du! Du!!! Oh Herzelein, Du verstehst das! Ich bleibe doch trotzdem bei Dir! Und deine lieben Bilder! Und Du in meinem Herzen – immer, immer! Oh Geliebte! Herzallerliebste mein! Ich muß Dich doch sooo liebhaben! Dich, Du! Dich ganz allein! Du liebes, liebes, herzallerliebstes Weib! Ich mag überhaupt kein anderes Weibel ansehen als nur Dich, nur Dich!!! Oh Geliebte! Du! Du!!! Wie liebst Du mich, daß ich sooo fest mich gehalten weiß und getragen fühle von dieser Liebe, hier, in aller Ferne! Oh Geliebte! Wie lieb ich Dich! Und kann Dich beglücken mit meiner Liebe, daß sie mir so glückhaft strahlt und scheint über weite Ferne! Herzelein! Geliebte! Du! Mein! Mein!!!!!

Oh walte Gott gnädig über unserem Geschick! Behüte er Dich auf allen Wegen!

Bleib froh und gesund, Herzelein! Denk ganz glücklich an Dein Mannerli – dem Du alles bedeutest, alles! Dem Du aller Sonnenschein bist, alle Herzensfreude – Du! Mein einziges, liebstes auf der Welt!

Mein Herzallerliebstes! Meine [Hilde]! Oh Herzelein! Ich halte mich an Dich – ergeben in Deine köstliche Liebe – ich drücke Dich ganz fest an mich in heißer, inniger Liebe!

Ewig Dein [Roland],

Dein glückliches Mannerli

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Kommentare

Zuerst muss R. immer seiner Hilde die Liebe bestätigen mit vielen Worten und Wendungen. Eine Hamsterfahrt hat sie wieder mit dem Fahrrad bergauf und bergab gemacht, damit genug Essen auf dem Tisch steht. In den kleineren Orten hat es Fliegeralarm gegeben, bisher ist O. von Angriffen verschont worden. Hilde steht vor der Prüfung vom DRK- Kursus. Dann macht es sich lustig über sein eigenes mangelndes Wissen in Anatomie. Die Stiefel für H. hat er bekommen und freut sich darüber. Diese hat er in Saloniki fertigen lassen und teuer bezahlt.

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Autor Roland Nordhoff
Korrespondenz Oberfrohna
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Über den Autor

Roland Nordhoff

Foto von Roland Nordhoff. Nahaufnahme, Person sitzend in einem Fensterrahmen.
Ba-OBF K01.Ff2_.A39, Roland Nordhoff, 1940, wahrscheinlich Bülk, Fotograf unbekannt, Ausschnitt.

 

Roland Nordhoff wurde 1907 in eine bürgerliche Familie in einem ländlichen Dorf im östlichen Sachsen, Kamenz, hineingeboren. Nachdem er ein Musikstudium aufgegeben hatte, arbeitete er als Dorflehrer in Oberfrohna, nahe Chemnitz. Im Frühjahr 1938 wurde er nach Lichtenhain in Sachsen versetzt

Über die Korrespondenz

Oberfrohna

Fotografie des Brautpaars Nordhoff am Tag ihrer Hochzeit vor dem Portal der Kirche.

Das Konvolut aus Oberfrohna befindet sich gut erhalten in privaten Händen in Deutschland. Es umfasst 24 Aktenordner mit ca. 2600 Briefen, die zwischen 1 und 20 Seiten lang sind. Der Briefwechsel beginnt im Mai 1938 und dauert, mit einigen kurzen (Urlaubs bedingten) Unterbrechungen, bis Februar 1946

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