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Briefkorpus

Freitag, den 8. Mai 1942

Herzelein! Geliebte! Meine liebe [Hilde]! Holde mein!

Wer viel Hunger hat, ißt viel – wer viel ißt, hat viel Hunger. Wer viel wäscht, ist viel schmutzig. Du! Wenn diese Schlussfolgerung stimmte, dann – na, das mag ich gar nicht fertig schreiben, da hab ich denn nun doch zu viel Dampf vor meinem blitzsauberen Weibel, vor meinem Blitzmädel – gelt? Du! Du!!! Aber solch große Wäschen, so oft und viel Großreinemachen und blitzeblank, so viel Plantschen von meinem Nixlein selber – das habe ich doch nicht erlebt oder bin es nur nicht innegeworden. Was ich dazu sage? Ich freue mich doch darüber – daß ich das blitzblankeste Herzelein habe von der ganzen Welt – ein Nixelein – und ich bin der Nix, gelt? Der hilft dem Nixelein bei seinem vielen Plantschen, Du!!! Und wenn mir das Großreinmachen zuviel wird, dann nehme ich Dir den Besen weg, und stell mich in den Weg, und ziehe Dir die Schürzenbändel auf – oder ich wische mit. Ach, ich denk, mein Weiberl wird schon selber das rechte Maß finden, und solange kann es das Mannerli gar nicht sich selber überlassen, sonst macht es doch Dummheiten, und umgekehrt ist es nicht anders, und solange kann es das Mannerli auch nicht entbehren, gelt? Ach Du! Und das Waschfest organisieren wir doch miteinander so fein, daß es gar keine Mühe macht. Ich lasse doch gleich einen Lattenrost bauen ins Waschhaus, daß Du gar nicht auf dem kalten, nassen Fußboden zu hantieren brauchst. Und dann will ich doch helfen überall, wo ich nützlich sein kann. Mußt mir alles fein sagen, gelt? Und das Mannerli will auch ein Paar Holzpantoffeln haben. Und auf dem Wiesenplan – da stehen die Kleeblättlein und die Gänseblümchen – da hasche ich meine Waschfrau, dass es sie ihre Pantöffelchen stehen lassen muß und daß sie auf den Strümpeln weiterlaufen muß, da spritzen wir einander so voll, daß wir uns auch gleich mit auf die Bleiche legen können. Wird das ein lustiges Waschfest sein! Und mein Weiberl, ich weiß schon, es wird gute Miene machen dazu, und wenn es die Amtsmiene aufsetzen will, dann mime ich mit. Ach Herzelein! Hast doch lieb mein gedacht trotz der vielen Arbeit, und nun hat die Post doch gar nicht ausgesetzt, so wie Du es wolltest. Und nun wartet doch das Mannerli ganz geduldig. Ach Du! Du!!! Goldherzelein! Schönes Wetter hattet ihr zur Wäsche. Ist vielleicht aus Griechenland gekommen.

Jetzt ist es nun etwas lebhafter in unsrer Stube. Ab morgen werden wir Beleuchtung in der Schreibstube haben, dann kann ich mich nach Bedarf zurückziehen. Aber es ist eine gute und auch anregende Gesellschaft. Außer dem Ostpreußen, S., nun noch zwei Landwirte: H. aus der Nähe von Buxdehude, ein guter, patenter Mensch, und S., ein Landwirt aus der Eifel. Sie waren jetzt beide in Urlaub. Sind in unserem Alter. Sind fast alle Ämter in unsrer Stube vereinigt: Der Kantinier, der Proviantmeister, der Furier und der Kompanieschreiber. Brauchen wir nicht weit zu laufen und zu suchen, wenn wir mal ein Anliegen haben. Und alles vernünftige Leute. Wir verstehen uns sehr gut. Da stehen nun 3 mal 2 Betten übereinander in der Stube. Und mein Weiberl ist mir doch just ausgerückt, als ich ihm nun näherkam – warum eigentlich? Ich finde die Lage komisch und nicht heimlich, so wie Du jetzt schläfst. Ums Köpfchen hat man es doch gern ein wenig dunkel und lauschig. Nun liegst doch quer zu meinen Beineln. Na – das sind ja nun auch gerade keine Weltprobleme und ich bleibe in meiner Ecke liegen, weil es mir da gefällt. Und in Deinem Kämmerlein wird es immer ein wenig dumpfig bleiben, weil es nach dem Wetterwinkel zu liegt und durch die Fensterln zu wenig Luft und Sonne hereinkommt. Hoffen wir nur, dass Du es bald mit einem anderen Kämmerlein vertauschen kannst – muß doch ein wenig größer sein, weil dann zwei Bettlein nebeneinander stehen sollen, gelt? Du!!! Und die beiden Bettlein sind doch bloß zwei Hälften – äußerlich und – auch in ihrer Bestimmung – Du!!! Meine Hälfte und Deine Hälfte. Ach Du! Du!!! – Zusammen sind wir doch nur noch ein Ganzes. Alles haben wir getauscht und nun gemeinsam. Und was Du mir schenktest, ich trage es doch ganz glücklich in meinem Herzen – und was ich Dir schenkte, ich weiß es doch so beglückt in Deinem Herzen! Ach Herzelein! Behalte nur alles! Behalte mich lieb! Und ich möchte doch alles behalten, Dein Geschenk! Oh Herzelein! Es ist mein köstlichster Besitz! Ich bin so überglücklich darin!!! Mit keinem anderen Menschenkinde hätte ich tauschen mögen. Oh Herzelein! Wie will ich ich [sic] es hüten, treu bewahren, ach heilig halten, was Du mir vertrautest, Du liebes, liebes Herz! Du bist doch mein Bestes und Liebstes in dieser Welt. Herzelein! Wie oft ist man schon mit guten Vorsätzen an eine Aufgabe herangegangen – aber die Krönung des Lebens, die Aufgabe, der alle Herzkräfte und guten Strebungen zufließen – das ist doch, Dich, mein Feinslieb [sic], von ganzem Herzen zu lieben und Dich recht glücklich zu machen! Oh Geliebte! Hier habe ich gestern Abend aufgehört. Ich war sehr müde. Mit Zigarrenrauch war die Luft geschwängert. Na, ab heute gibt es Licht in der Schreibstube. Wird wohl Dein Mannerli oft, oft sich zurückziehen, um mit Dir allein, ganz, ganz allein zu sein! Du! Du!!! Bist Du wohl auch so gern mit mir allein? Oh Herzelein! Geliebte!!!!! Nun ist schon wieder Sonnabend. Die Zeit rast. Ein warmer sonniger Tag ist angebrochen. Die ganze Woche war es schon so. Aber des Abends ist es immer sehr kühl, das ist ja eben das bezeichnende an dem Klima hier. Ist also schon wieder Badetag heute. Bin doch noch gar nicht wieder schmutzig. Na – ob ich der strengen Musterung von meinem Frauchen standhielte, mag ich nicht beeiden. Wir gehen aber wieder hin aus guter Gewohnheit. Heute sollen doch auch die Pelzstiefellein fertig sein! Du!!! Fahr ich doch gleich mal rein zur Probe mit meinen nackten Beineln – da müssen sie nämlich auch mir passen. Nun habe ich doch wieder ein Mitbringsel für den nächsten Urlaub schon. Hoffentlich wird es erst nicht erst ein Pelzstiefeleinurlaub – sondern lieber schon ein –  - na - ein Barfüßel - u. Nacktfröschelurlaub, gelt – oder nicht gelt? Ach, so sehr warm kann es doch zuhause gar nicht sein – aber der Sommer ist doch schön. Du! Herzelein! Zwischen den fruchtenden Feldern, dem wogenden Korn und den lauen Nächten!

So, Herzelein! Ich will nicht in Ungnade fallen beim S. Heute abend, nein, heut nacht komme ich wieder zu Dir. Ich bin nämlich wiedermal Läufer.

Nun behüt Dich Gott! Bleib mir recht froh und gesund. Behalt mich auch recht lieb, wie ich Dich lieb, soooooo sooooooooooooo lieb behalte, Du, Du!!! Liebstes, allerallerherzallerliebstes [sic] Schätzelein! Du! Du!!! Ich küsse Dich ganz lieb und innig!

Ich bleibe Dein! Oh Du! Dein! Dein!!! Ewig Dein!

Dein [Roland]! Dein glückliches Mannerli!

Und das ist doch noch Platz für ein Pärchen – nein, für so ein großes, wie wir sind, nicht – Du!!! Aber für ein liebes, liebes langes Küsschen – oh Du! Das ist so lang und süß, beinahe doch zu lang! Du! Du!!!!!

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Kommentare

Roland hat Fantasien über das von Hilde beschriebene Waschfest. Er schlägt Verbesserungen der Waschküchen vor und schreibt, dass er Hilde bei der Hausarbeit unterstützen will. Roland stellt neue Kameraden vor und ihre Funktionen. Er hat außerdem Pelzstiefel für Hilde anfertigen lassen, welche er ihr beim nächsten Urlaub schenken möchte.

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Autor Roland Nordhoff
Korrespondenz Oberfrohna
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Über den Autor

Roland Nordhoff

Foto von Roland Nordhoff. Nahaufnahme, Person sitzend in einem Fensterrahmen.
Ba-OBF K01.Ff2_.A39, Roland Nordhoff, 1940, wahrscheinlich Bülk, Fotograf unbekannt, Ausschnitt.

 

Roland Nordhoff wurde 1907 in eine bürgerliche Familie in einem ländlichen Dorf im östlichen Sachsen, Kamenz, hineingeboren. Nachdem er ein Musikstudium aufgegeben hatte, arbeitete er als Dorflehrer in Oberfrohna, nahe Chemnitz. Im Frühjahr 1938 wurde er nach Lichtenhain in Sachsen versetzt

Über die Korrespondenz

Oberfrohna

Fotografie des Brautpaars Nordhoff am Tag ihrer Hochzeit vor dem Portal der Kirche.

Das Konvolut aus Oberfrohna befindet sich gut erhalten in privaten Händen in Deutschland. Es umfasst 24 Aktenordner mit ca. 2600 Briefen, die zwischen 1 und 20 Seiten lang sind. Der Briefwechsel beginnt im Mai 1938 und dauert, mit einigen kurzen (Urlaubs bedingten) Unterbrechungen, bis Februar 1946