Bitte warten...

[OBF-420430-001-01]
Briefkorpus

Donnerstag, den 30. April 1942.

Herzensschätzelein! Geliebte! Meine liebe, liebste [Hilde]!

Nun hausen wir schon einige Stunden im neuen Bau. Und einmal hat das Mannerli nun drin geschlafen, drei Stunden nur, ach nein, nicht ganz. Ich mußte doch noch sooo lieb Dein denken! Ach Herzelein! Ich hab[‘] Dich doch ganz liebhaben müssen – Du! Du!!!!! Weil Du zu lieb zu mir gekommen bist!!! Mit meinem neuen Arbeitsplatz bin ich zufrieden. Die Morgen- und Vormittagssonne kommt ins Zimmer – sie ist auch an den heißen Tagen willkommen. Nur der Tageslärm dringt nun deutlicher herauf in das Klappern der Schreibmaschine und das Kritzeln der Feder (das ist zusammen mit dem Geklingel des Telefons der Schlachtenlärm der Schreibstube). Der Spieß haust für sich in einem Zimmer. Das hat den Vorteil, daß wir ungestörter arbeiten können – den Nachteil, daß wir nicht mehr alles hören. Dein Mannerli ist nicht neugierig.

Heute früh hatten wir einen besonderen musikalischen Genuß in der Schreibstube. Hatten sich doch 5 Tiroler Bauern, also jetzt bei uns Soldaten, als Sänger für den Rundfunk gemeldet. Der Spieß ließ sie vor sich kommen und – wie nicht anders zu erwarten – eine Probe ihres Könnens ablegen. Ein Jodler sagen sie – vierstimmig – musikalisch gut, nur stimmlich nicht ausgeglichen – eine richtige Kuhstimme [sic] war dabei. Ich mußte so lachen. So sind die fünf nach dem Sender gerückt und haben Probe gesungen. [Ich] Möcht[’] wissen, ob sie mit ihrem Singsang angekommen sind. Hab[‘] ich es schon erzählt: daß auch alle Unteroffiziere und der Kompaniechef selber mit in unseren Bau ziehen? [Des] Kompaniechefs Stube liegt neben der unseren, mit Absicht so gelegt, weil wir als ruhige, friedliche Stube gelten. Ja, Herzelein! Es gaben sich schon etliche Gelegenheiten, Vergleiche zu ziehen. Viele Soldaten haben es hier besser getroffen. Wir haben uns jedoch nicht verbessert. Die liebe Sonne vermissen wir. Über allen Fenstern sind kleine Dächer, die die Sonne abhalten. Das Meer fehlt uns mit dem Blick in die Weite, in die Großartigkeit der Schöpfung. Es ist zwar eine stumme, aber umso beredtere Sprache, die Meer und Himmel sprechen. Und wenn wir die Tür hinter uns schlossen, befanden wir uns im eigenen Haus. Und alles andere drang nur gedämpft an unser Ohr. Hier merkt man es an der Aufdringlichkeit der Nachbargeräusche, daß wir enger beieinander hausen.

Ja – es ist eben nichts von Bestand. Und warum wir auszogen? Weil die so auf mancherlei Dienststellen verteilten Soldaten nicht Disziplin halten können. Also, die Soldaten selbst sind schuld daran, daß man sie schärfer herankriegen muß.

Ach Herzelein! Zwölf Jahre in solcher Herde stecken, wie ein Herdenmensch gehalten und behandelt werden, es wäre mir furchtbar. – immer [sic] über den Kamm einer schlechten Mittelmäßigkeit geschoren werden, schrecklich.

Oh Geliebte! Wie herrlich und tröstlich der Gedanke an unser Leben! Welch unendliches Glück das Wissen um treue beständige Liebe! Oh Herzlieb, mein! Daß ich deine unendliche, treue Liebe gewann! Oh, daß ich Dich fand, das liebste, treueste Weib! Möge Gott Dich allzeit behüten! Sei er unserem Glücke gnädig!

Herzelein! Immer, immer seltener wird solche treue Liebe – oh Du! Du!!! und sie ist doch allein die wahre, gute, echte, tiefe Liebe! Oh Herzelein! Wir kennen keine andere – wir können keine andere denken! Ob Friedenszeit, ob harte Kriegszeit, Zeit des Wartens – wir müssen einander in Treue ganz festhalten, weil wir uns von Herzen liebhaben! Weil in uns das Bild und das Glück guter, hoher Liebe ist.

Auf deine lieben Boten möchte ich noch eingehen. Neben mir liegt der säumige, den ich so besonders liebhabe.

[Du] Fragst Dein Mannerli, ob ich an meinem Weiberl denn den launischen April erkenne? Ein Aprilmensch – müßte doch so ein Hansdampf in allen Gassen sein – von allem etwas, und nichts ganz – alles beginnen, und nichts vollenden – viel versprechen – und wenig halten; mit allem liebäugeln – und doch sich nicht recht entscheiden. Ach Herzelein! Du! Du!!! Liebster, beständigster Sonnenschein! Mein Ganz ! Liebstes, bestes Weib! [Du] Bist doch gar nicht im April geboren – Du! Du!!! [Du] Bist es doch in der Glut und Reife  des Sommers! [Du] Bist geboren im Ernst der Zeit nach dem großen Kriege! Nach der Zeit auch langen Wartens und gläubigen [H]offens. Ach Herzelein! Herzelein! Ich erkenne doch immer wieder ganz glücklich die Verwandtschaft uns[e]rer Wesen. Ach Du! Ich fühle so überglücklich, wie die Sonne Deiner Liebe, das Wesen Deines Liebens, gerade des Deinen mich so tief berührt – ach Du! Du!!! Das kann ich doch gar nicht recht in Worten ausdrücken – Dein Wesen in seiner Schlichtheit und Geradheit und doch Tiefe – ach Geliebte! Geliebte! So ganz daheim bin ich bei Dir! Wie ein ganz seltener ferner Traum ist mir damit in Erfüllung gegangen!!! Heimat[!] Heimat ist mir Deine Liebe!!!!!

Das Sehnen zehrt – ja Herzelein! Immer auffälliger und deutlicher ist uns diese Beobachtung geworden. „Ich glaube, wenn wir dann für immer umeinander sind, dann strahlen wir wie die liebe Sonne so froh und rund und glückhaft“. Du! das glaube ich auch. Oh, wie wird das Mannerli das liebste Weiberl anstrahlen! [Es] Wird es wohl manchmal den Sonnenschirm nehmen müssen. Du! Neben mir liegt doch wieder das Bild der beiden Glückskinder! Es ist wahr: aus einem hageren, mageren Gesicht kann kein großes Glück strahlen. Oh Herzelein! Ich kann mich gar nicht sattsehen an dem lieben Sonnenschein, der von Dir ausstrahlt – Du! Du!!! Geliebtes Weib! mein! mein! mein!!! Du!!!

[Du] Bist so fein fertig geworden mit Deinem Kinderbesuch. [Du] Wirst Dich als eine ganz liebe Kindertante in die Erinnerung einschreiben. Ja, eines versteht es, und eines versteht es nicht, mit Kindern umzugehen. Ich bestaune immer wieder, wie Du mit der unübersehbaren Herde Deiner Schar zurechtkommst. Aber ich habe schon wiederholt vernommen (nicht selber noch erfahren), daß mein Frauchen auch energisch sein kann – selber erfahren doch nur, daß es mich ganz energisch liebhat – gelt? Du! Wie Du den treulosen Fahnenträger damals straftest! Wenn die Strafe rechtlich auch nicht ganz einwandfrei war: Dem Jungen, wäre er allein nach Hause gegangen, konnte etwas zustoßen. Das ist die Schwierigkeit des Strafens überhaupt in einem Amt: Daß man neben der Wirksamkeit der Strafe auch die Rechtlichkeit bedenken möchte, die Rechtlichkeit aber verlangt, daß man auch an alle möglichen Folgen denken möchte – das ist ja bis ins letzte gar nicht möglich!

Herzelein! Nun ist der April schon zu Ende, der vierte Monat. Nun der liebe, lange Mai. Und dann dürfen wir doch wieder an unseren nächsten Urlaub denken, denken erst – gelt, Herzelein?

Am Sonnabend und Sonntag werden doch wir auch Feiertag haben. Ich werde am Sonntag mal wieder den Gottesdienst besuchen. Sonst weiß ich noch gar nicht, was ich mit den freien Stunden anfangen werde. Soviel sind es ja gar nicht. Und wenn ich kann, werd[e] ich sie doch alle meinem Herzlieb schenken – und damit nützen, mal an die frische Luft zu kommen.

Herzensschätzelein! Das Bettlein winkt. Donnerstag heute. Bald wirst Du heim kommen aus der Singstunde – oh, die verkehrte Welt! Das Mannerli ist häuslich, das Frauchen geht aus. Wenn nun das Mannerli schon schläft? Mußt [Du] Dir Dein Gutnachtkussel [sic] stehlen. Ach Du! Ich glaub[‘], es könnte gar nicht schlafen, eh[‘] es nicht zu Hause ist – [es] wird sich wohl nur schlafend stellen, das Mannerli. Ach Herzelein! Herzlieb!!! Ich habe Dich sooo lieb!!! Behüt[‘] Dich Gott auf allen Wegen! Ich bin Dein Mannerli! Dein! Ganz Dein! Ewig Dein in unabänderlicher Liebe und Treue!

Dein [Roland]! Dein glückliches Mannerli!

Karte
Kommentare
Einordnung
Gesendet am
Gesendet aus
Autor Roland Nordhoff
Korrespondenz Oberfrohna
Gesendet nach
Über den Autor

Roland Nordhoff

Foto von Roland Nordhoff. Nahaufnahme, Person sitzend in einem Fensterrahmen.
Ba-OBF K01.Ff2_.A39, Roland Nordhoff, 1940, wahrscheinlich Bülk, Fotograf unbekannt, Ausschnitt.

 

Roland Nordhoff wurde 1907 in eine bürgerliche Familie in einem ländlichen Dorf im östlichen Sachsen, Kamenz, hineingeboren. Nachdem er ein Musikstudium aufgegeben hatte, arbeitete er als Dorflehrer in Oberfrohna, nahe Chemnitz. Im Frühjahr 1938 wurde er nach Lichtenhain in Sachsen versetzt

Über die Korrespondenz

Oberfrohna

Fotografie des Brautpaars Nordhoff am Tag ihrer Hochzeit vor dem Portal der Kirche.

Das Konvolut aus Oberfrohna befindet sich gut erhalten in privaten Händen in Deutschland. Es umfasst 24 Aktenordner mit ca. 2600 Briefen, die zwischen 1 und 20 Seiten lang sind. Der Briefwechsel beginnt im Mai 1938 und dauert, mit einigen kurzen (Urlaubs bedingten) Unterbrechungen, bis Februar 1946