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[OBF-420426-001-01]
Briefkorpus

Sonntag, den 26. April 1942

Herzelein! Mein liebes teures Weib! Meine [Hilde]!

Ein Sonntag will wieder zu Ende gehen. Der nächste ist nun schon ein Maiensonntag. Frühling und Maien wird wieder. Aber in wessen Herz es nicht Frühling und Maien ist, den stimmt das Blühen und Frohsein ringsher [sic] nur trauriger. Und ein Herz voll Sonne und Glück überstrahlt auch den dunkelsten Wintertag. Auf das Herz kommt es an. Auf den Menschen, wie ihn all das um ihn her trifft und berührt. Frühling und Maien werden überschäattet von dem Dunkel dieses Krieges. Der Mensch kann sich das Leben und diese Erde zur Hölle machen. Und es war früher nicht anders als heute. Nur größer, übermächtiger, unpersönlicher erscheinen die bewegenden Gewalten. Früher kämpfte ein Fürst um eine Stadt oder ein Ländchen oder eine verletzte Ehre oder um einen lohnenden Gewinn, Beweggründe ganz persönlicher Art – heute bekämpfen sich Ideen, und der Kampf zieht die ganze Welt in Mitleidenschaft.

Und nun sehen wir uns mitten in solchen Kampf gestellt, schon lange, der Krieg ist nur der Ausbruch eines tiefen Hasses und gärender Gewalten. Noch vor drei Jahren konnte man sehen, wie die Menschen überall den Frieden wünschten (nach der Münch[e]ner Zusammenkunft), wie niemand Lust verspürte, die Mordmaschinen der modernen Technik in Gang zu setzen zu unendlichem Herzeleid. Und nun befindet die Menschheit sich doch wieder im umfassendsten aller Kriege. In seiner Totalität und der Anspannung der Kräfte zumal daheim übertrifft dieser Krieg schon den vorigen Weltkrieg.

Herzelein! [Du] Kannst Dir schon denken, wie ich zu diesen Gedanken komme. [Du] Wirst die Führerrede auch gehört haben. Am Mittag hörten wir, daß der Reichstag einberufen sei. Wie immer, ist dann eine gewisse Spannung: was wird diesmal kommen? was wird sie Neues bringen? Wir ahnten schon das Richtige, denn außenpolitisch liegt jetzt nichts Besonderes an – daß irgendein Gesetz verabschiedet würde, vermuteten wir. Wer nicht richtig hingehört hat, dem ist das vielleicht gar nicht klar geworden. Der Führer braucht neue, größere Vollmachten. Die Vorgänge und Gründe dafür müßt Ihr daheim besser kennen als wir. Es ist ein Ringen der persönlichen Rechte gegen die Machtansprüche des Staates.

Herzelein! Ideal gesehen kann man das Schaffen eines Staatsmannes dem eines Dombaumeisters vergleichen. Aus dem gesteigerten Lebensgefühl, dem Genie des Baumeisters entsprang der Plan zu einem gewaltigen Bauwerk. In ihm lebt dieses Werk, er kennt es, er liebt es, es ist ja sein Werk. Und nun geht er daran, den Plan in die Tat umzusetzen. Und nun sehen wir, wie sein Wille alles in den Dienst an seinem Werke zwingt: den Steinbrecher, den Steinmetzen, die Kärrner.

Und viele stöhnen unter der Last, und Flüche und Schweißtropfen und Widerstände, ja meist auch ein paar Menschenleben werden mit hineingebaut. Und mancher mag den für wahnsinnig halten, der dieses Werk in Gang setzte. Und ist es verwunderlich? In dem Baumeister selber lebt dieses Werk, er allein kann es verstehen und überblicken. Oft genug, daß er abstarb über der Vollendung seines Werkes. – Und denken wir an die Steine selbst, die zubehauen [sic] und ausersehen sind zu diesem Bau. Manche, die bestimmt sind, in den Fundamenten, blind, ewig Last zu tragen. Manche, die zu dem luftigen Zierrat ausersehen sind. Und in den getürmten Lasten ein ewiges Ringen der Lasten, der Schwere mit ihren Widerständen und Widerlagern [sic], des Gewölbes mit seinen Stützen.

Und so können wir in Adolf Hitler einen Reichsbaumeister am Werke sehen, der Großes zu bauen im Sinne hat – und das Werk ist begonnen worden – und wir können nicht anders sagen, als daß es mit Genialität und einem unbändigen Willen begonnen wurde – einem beinahe furchtbaren Willen, dem mächtigsten Menschenwillen derzeit auf Erden. Wir kennen die Baupläne sowohl im Anfang als auch in (seinen) ihren Einzelheiten nicht. Wir erfahren es nur, wie dieses Motto and[e]re Mitleidsregungen niederzwingt und bricht, und sich dienstbar macht, wie dieser Baumeister seine Arbeiter zu immer neuen und größeren Anstrengungen zwingen muß, und ihnen alle Eigenwilligkeiten nehmen [sic]. Das begann ja schon in Friedenszeiten, und das mußte sich in Kriegszeiten naturgemäß steigern. Wir verstehen den Baumeister und verstehen die Bauleute. Es kann nicht jeder Baumeister werden, die meisten müssen Bauleute sein. Und [sie] haben doch auch ihren Plan, mag er auch kleiner sein, und [sie] haben auch ihren Willen und lieben auch ihre Freiheit. Und wir erleben es, wieviel Schmerzen solche gestörte Pläne, solche gebrochene Willen bereiten können. Es ist nicht nur immer mangelnde Einsicht, mangelnder Weitblick, der die Menschen zum Widerstand bringt. Stärker als Einsicht und Vernunft wirkt in uns der Wille. So bedingungslose Gefolgschaft ist noch nie von uns verlangt worden wie jetzt. Eine Welt in Schmerzen sehen wir. Möchten sie die Geburt eines guten Friedens ankündigen, einer größeren, besseren Freiheit. Können wir daran glauben? Können wir dem Baumeister vertrauen? –

Wer kann das Schicksal ergründen? Und wer von uns, die zum mitbauen bestimmt sind, kann die Wunden und Schmerzen übersehen? Wessen Blick ist nicht getrübt durch eigenen Schmerz, und sei es nur den der Trennung oder einer kleinen verlorenen Freiheit? Und wessen Herz hinge nicht an den eigenen Plänen, so wie der Baumeister an den seinen? –

Herzelein! All diese Gedanken und Fragen werden immer lebendig, wenn der Führer selber das Wort ergreift. In diesen Stunden wird uns bewußt, scheint es, als ob Menschen die Führer und Walter des Geschickes seien. Sie sind in Wirklichkeit nur rsseine Vollstrecker. Es geschieht nichts ohne Gottes Willen. Und wir können nur ganz stille werden und Gott bitten, daß er mit unserem Volke nicht ins Gericht geht, daß er ihm gnädig und barmherzig sei.

Herzelein! Schätzelein! Ich war doch erst gar nicht so voll ernster Gedanken – war so ganz froh hingegeben Deiner Liebe, die mit Deinen lieben Boten zu mir gekommen ist. Die beiden Nachzügler vom Mittwoch und Donnerstag sind endlich angekommen – und sechs Päckchen! Ach Herzelein! Du bist zu gut mit mir! Du! Du!!! Wie soll ich Dir denn danken für alle Liebe?

Oh Geliebte!

Und was auch kommen mag, was auch kommen mag – ich weiß mich mit Dir eins, ganz eins in heißer, inniger, ewiger Liebe, und bin dessen ganz froh gewiß, in unlösbarer Herzensverbundenheit. Diese Liebe wird in mir sein und bleiben bis in den Tod. Und mit dieser Liebe wird uns auch die Hoffnung bleiben, und diese Liebe wird uns die Kraft schenken, durchzuhalten – ach Herzelein! Alle Kraft kommt von ihr, einzig von ihr. Und wir werden nicht ablassen, Gott zu bitten um seinen Segen, seine Gnade. Oh, möge er Dir allzeit beistehen! Ihm befehlen wir uns an, ihm allein.

Oh Herzelein! Wenn ich Deine Liebe nicht hätte in dieser Zeit! Sie hat den Grund gelegt zu reiner, tiefer Herzensfreude – und die kann mich nicht verlassen, die weiß ich immer mit mir, mein Glück, mein Schatz, mein Alles!

Geliebte! Eine Sonne ist unseren Herzen aufgegangen mit uns[e]rer Liebe – sie muß zuletzt alle Wolken sieghaft durchdringen – sie ist in unseren Herzen, und solange die schlagen, kann sie nicht untergehen.

Herzelein! Spät ist es geworden. Ich muß nun aufhören heute. Bald kann ich Deine lieben Hände wieder fassen.

Ach Du! Ich halte sie ja immer ganz fest, Dich, mein Herzlieb! meine Sonne, mein ganzes Glück.

Oh Geliebte! Laß Dir danken mit meiner Liebe.

Dein bin ich! Dir schlägt mein Herz! Ich lasse Dich nimmermehr. Ich küsse Dich! Ich drücke Dich ganz lieb an mich – Du! mein Ein und Alles! mein Leben! Wie mein eigen Leben halte ich Dich fest! Ich liebe Dich sooooooooooooo sehr!

Ewig Dein [Roland].

Dein glückliches Mannerli.

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Autor Roland Nordhoff
Korrespondenz Oberfrohna
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Über den Autor

Roland Nordhoff

Foto von Roland Nordhoff. Nahaufnahme, Person sitzend in einem Fensterrahmen.
Ba-OBF K01.Ff2_.A39, Roland Nordhoff, 1940, wahrscheinlich Bülk, Fotograf unbekannt, Ausschnitt.

 

Roland Nordhoff wurde 1907 in eine bürgerliche Familie in einem ländlichen Dorf im östlichen Sachsen, Kamenz, hineingeboren. Nachdem er ein Musikstudium aufgegeben hatte, arbeitete er als Dorflehrer in Oberfrohna, nahe Chemnitz. Im Frühjahr 1938 wurde er nach Lichtenhain in Sachsen versetzt

Über die Korrespondenz

Oberfrohna

Fotografie des Brautpaars Nordhoff am Tag ihrer Hochzeit vor dem Portal der Kirche.

Das Konvolut aus Oberfrohna befindet sich gut erhalten in privaten Händen in Deutschland. Es umfasst 24 Aktenordner mit ca. 2600 Briefen, die zwischen 1 und 20 Seiten lang sind. Der Briefwechsel beginnt im Mai 1938 und dauert, mit einigen kurzen (Urlaubs bedingten) Unterbrechungen, bis Februar 1946