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[OBF-420312-002-01]
Briefkorpus

34.

Donnerstag, am 12. März 1942.

Herzensschätzelein! Mein herzallerliebstes Mannerli!

Du! Mittagstunde ist. Ich bin eben fertig mit der Hausarbeit. Die Mutter sitzt in der Sofaecke und strickt, im Ofen kocht das Teewasser! Du! Wie gut wir es doch haben, gelt? Dürfen die Nachmittage verbringen, wie wir sie mögen – sind doch richtig unser eigner Herr. Wie viele andre können das nicht. O wir haben es gut. Du!

Ich will mich doch zuallererst zu Dir setzen – wenn auch Mutter ein andres Programm hatte. Sie wollte erst mit mir zusammen die Kleidel fertig nähen für mein Bärbele. Ich will heute in 8 Tagen nach Glauchau fahren. Heute ist der einzige Tag noch, wo wir zusammen schneidern können. Morgen wird reinegemacht. Sonnabend fährt Mutsch nach Chemnitz zu H., um zwei Jungenmäntel zuzuschneiden. Weil es so finster ist abends, wird sie erst am Sonntagvormittag wiederkommen. Na – und nächste Woche bin ich einmal nachmittags beim Pfarrer; mal Kinderschar, mal wird noch Probe sein wegen unsrer Feier. Ich muß schon heute die Kleider fertig nähen, damit ich auch mein Geburtstagsgeschenk habe am Donnerstag. Am 16. hat Onkel M. seinen 89. Ich werde ihm gratulieren.

Und nun will ich Dir erst mal schön der Reihe nach erzählen, was heute alles passierte bei uns. Zuerst kam Dein lieber Brief zu mir, Herzlieb! Vom Freitag, der Nachzügler nicht! Sondern schon vom Freitag, den 6. März. Ich habe mich sehr gefreut, Geliebter! Sei von Herzen bedankt. Weißt Du wie die Reihenfolge der Briefe geht, in der ersten Märzwoche? Sonntag – Montag – Mittwoch – Freitag. Komisch gelt? Aber ich bekomme gewiß alles noch nach. Es ist nur nicht schön, wenn man so durcheinander gerät mit dem Datum – ich kann mir garnicht mehr so ein gutes Bild machen von allem, was Du mir berichtest. Ach – wir sind doch zu undankbare Menschen, gelt? Wir müssen so froh sein, daß wir überhaupt alle Tage Post voneinander bekommen! Und nun paßt es mir schon nicht, wenn’s mal nicht ganz der Reihe nach geht. Ich bin doch schon still!!

Herzelein! Nachdem ich Deinen lieben Boten gelesen hatte am Vormittag, bin ich erst mal zur Post, um den für Dich bestimmten abzugeben, den ich gestern abend schrieb. Mutsch hatte nach Kamenz geschrieben u. auch nach Glauchau. Ich bin wieder auf der Suche nach Faltschachteln gewesen! U[nd] diesmal mit Erfolg! Ein ganzes Dutzend habe ich. Denke nur, Herr U. hat mir den Gefallen nicht getan und mir welche gebaut, er sagte: „wenn ich keinen Auftrag von 10 000 Stück bekomme, lohnt sich’s nicht!["] Das war mir ja zu viel, Du! So ein Dussel. Wie kann ich denn so‘ne Ration vertun? Ob er meint, ich soll dann handeln gehen damit?!

Ich werde diesem anständigen Herrn auch nie wieder einen Auftrag geben. Es hat sich erledigt. Ich habe mich so geärgert. Jede alte Schachtel, die ich brauchte, die hab ich bei ihm gekauft und jetzt stellt er sich so dämlich an, ohne besondren Grund. Vielleicht hat ihn geärgert, daß ich einen neuen Briefkasten aufhängte. Meinetwegen. Du! Von mir kriegt der Fatzke keine Zigarre wieder. So, nun ist mir wohler.

Die Mutsch hat sie eingepackt für Dich, die Kartons, Du wirst schon sehen, wie Du sie falten mußt. 5 Kartons sind es u. zwei Päckchen mit Einschlagpapier u. Bindfaden. In S. [sic] gibt es ja nichts, wir haben gleich alles dazugepackt. Hoffentlich erhältst Du alles bald. Ich freue mich doch schon, wenn ich einen gefüllt wieder kriege! Ach – wenn nur erst aus der Heimat schwerere Päckchen geschickt werden dürften! Du! Als ich vom Wegelaufen heimkam, war das Paket aus Wien eingetroffen! Das langersehnte. Die Butter ist noch gut, zwar riecht sie ein wenig angezogen, weil die Äpfel verfault waren und auch die 4 Eier, das Stück Hartwurst ist auch noch gut. Na – bis Griechenland kann ich es nicht nochmal schicken, das übrige! Ich muß es nun mit vertun, ohne daß es seinen Zweck verrichten konnte. Ich hab ja auch 3 mal darnach geschrieben! Und im Briefkasten steckte Dein Urgroßvater, der aus Gaußig! Endlich hab ich nun die letzte Urkunde. Gleich trug ich das Fehlende noch in unser Stammbuch ein und machte die Sendung in einem großen, dicken Umschlag für den Schulrat startbereit. Einschreiben! Ich habe alles gut besorgt, Herzelein! ich nehme es dann mit zur Post. 7 Päckchen und 2 Briefe – wir zwei sorgen schon dafür, daß die Post nicht arbeitslos wird, gelt? Ist das nicht ulkig? Am 12.I.42 bekamen wir von Schulrat die Nachricht und heute, am 12.III.42 kann ich ihm antworten! Gerade 2 Monate sind vergangen. Du! Ich bin ja soo gespannt, wie es nun werden wird. Ob sich wohl zwei einstige Lichtenhainer in Gohrisch wiedertreffen? Wir wollen nur fein geduldig sein. Mein Herzlieb. Wenn ich nun in nächster Zeit vom Schulrat eine Weisung bekäme, daß wir da und da wohnen werden und ich mir es ansehen soll. Kann das passieren? Sag?! Es wäre mir ja eine himmelhohe Freude, wenn ich D[ic]h zum nächsten Urlaub in unserm Heim empfangen dürfte, oh Du! Aber das sind wohl nur Träume. –

Herzelein! Du schreibst so mißtrauisch von meinen Briefen? Das ist schon in Ordnung, ich erkenne in dem inliegenden Umschlag meine Schrift. Das ist wohl nur eine mißlungene Schönschreibeprobe, Du! Und mitgenommen zum Befördern hat ihn die Mutsch, als sie in die Gärtnerbude ging – weißt, da an der Ecke ist ein Briefkasten, gehört zu Limbach. Warum er aber erst abends gestempelt ist? Weiß ich nicht. Oh Du! Niemand wacht eifersüchtiger über Briefe wie ich! Keinem Fremden noch gab ich einen zum Befördern! Und nun erfahre ich auch, daß ich Kamerad H. 80 RM überweisen muß. Wird besorgt! Du! Wenn der Brief verloren gegangen wäre hätte der Arme lange warten können! Du! Ich will ihm paar Braune für Dich mitgeben, was meinst? Willst Du? Auch Mutsch. Ach Herzelein! Ich bin so froh und glücklich über Deinen lieben Brief! Wie hast Du mich doch sooo lieb! Sooo lieb! Du! Ich hab Dich aber auch sooooooooooooo lieb! Hab Dich doch noch vieltausendmal lieber! Au! Wirst Du mich jetzt strafen? Du starkes Mannerli!

Es küßt Dich herzinnig Deine glückliche [Hilde]. Gott behüte Dich mir!

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Autor Hilde Nordhoff
Korrespondenz Oberfrohna
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Hilde Nordhoff

Foto von Hilde Nordhoff. Nahaufnahme, Person im Sommerkleid, im Hintergrund Bäume.
Ba-OBF K01.Ff2_.A12. Hilde Nordhoff, 1940, Oberfrohna, Fotograf unbekannt, Ausschnitt aus Fotoalbum.

Hilde Nordhoff wurde 1920 als Hilde Laube in eine Arbeiterfamilie in Oberfrohna, eine Kleinstadt in Sachsen, hineingeboren. Sie arbeitete ein Jahr lang als Hausangestellte, dann in einem Trikotagenwerk.

Sie kannte Roland Nordhoff aus der Kantorei in Oberfrohna und trat sogar der evangelischen

Über die Korrespondenz

Oberfrohna

Fotografie des Brautpaars Nordhoff am Tag ihrer Hochzeit vor dem Portal der Kirche.

Das Konvolut aus Oberfrohna befindet sich gut erhalten in privaten Händen in Deutschland. Es umfasst 24 Aktenordner mit ca. 2600 Briefen, die zwischen 1 und 20 Seiten lang sind. Der Briefwechsel beginnt im Mai 1938 und dauert, mit einigen kurzen (Urlaubs bedingten) Unterbrechungen, bis Februar 1946