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[OBF-420312-001-01]
Briefkorpus

Donnerstag, den 12. März 1942

Mein liebes, teures Weib! Herzallerliebste, Holde mein!

Herzensschätzelein! Nun sitze ich wieder vor dem weißen Bogen. Eben habe ich noch einmal gelüftet – und beim Hinaustreten auf den Balkon, da bannte der gestirnte Himmel meinen Blick. Ein prachtvoller Sternenhimmel wie selten daheim. Und eben vor mir unser schönstes Sternbild am nördlichen Himmel, der Orion. Oh Geliebte! Welch ein Strahlen, welch eine Pracht, himmelweit, weltumspannend.

Und jetzt eben, als ich schreiben wollte, da erklingt von nebenan eine Arie, eine wundervolle Frauenstimme – und ich mußte eine Weile hinhören. Ich möchte heut abend am liebsten gar nicht schreiben – möchte mit Dir nach den Sternen schauen, mit Dir einer schönen Musik lauschen – oh Herzelein! Möchte bei Dir sein, daß unsre Herzen zusammenschlügen, daß wir unser Einssein fühlten! Du! Oh Du!!! Geliebte! Meine [Hilde]!

Ein herrlicher Nachmittag war heute, dienstfreier Nachmittag dazu. Bis um 3 Uhr haben wir uns auf dem Balkon gesonnt. Das Mannerli hat sich dann noch ein Stündchen auf seinem Bettlein langgestreckt. Es war vom Sonnenbad müde geworden. Es hat immerzu Dein gedacht. Bis zum Abendbrot spazierten wir in die östliche Vorstadt – zum erstenmal wieder etwas leichter angetan. Die Sonne verklärte und belebte alles, und vor mir standen die mancherlei Frühlingslandschaften der Heimat, Frühling, Aufschwung allen Lebens, auch des Menschenherzens.

Aber was wir von Menschen sahen, das war zum Teil erschütternd, zum Teil befremdend. Oh Herzelein! So habe ich die Fremdheit lange nicht mehr empfunden wie heute, an diesem ersten Frühlingstage! So deutlich stand das Heimweh lange nicht mehr vor mir. Wie hausen diese Menschen in den ärmlichen Vorstädten. Man wagt kaum zu atmen. Ein paar Stauden am Wege, ein paar niedliche Zicklein um eine Ziegenmutter: wie lieb und sauber und schön hat die Natur sie geschaffen und ausgestattet, daß es eine Freude und Augenweide ist. Und die Menschen? Erschütternd, häßlich, widrig, zum Erbarmen – ach, der Eindruck ins ganze [sic] so bedrückend – krankes, faules Leben. Wie sie hausen! Wie sie in ihren Lumpen stecken! Wie sie ärmlich und müde sich bewegen! Oh Geliebte! Wie froh bin ich wieder daheim. Hier in unserm Stübchen. Bei Deinen lieben Boten – dem Liebsten, das ich hier mein Eigen nenne. Hier, wo ich mit Dir Zwiesprache halte, wo die Heimat mir so nahe rückt.

Oh Geliebte! Gott im Himmel lasse mich Dir heimkehren! Und er erhalte mich Dir! Oh Geliebte, Du! Du!!! Bleibe mir! Bleibe mir!!!!! Du! Meine Heimat! Meine Zukunft! Du! Mein liebster Wandergesell, mein treuester Lebensgefährte! Mit Dir will ich durch dieses Leben gehen! Allein kann ich nicht, mag ich nicht mehr gehen! Oh Herzelein! Ganz lieb laß uns zusammenstehen, ganz fest uns zusammenschließen, daß wir dieses Leben meistern. Mit Dir will ich gehen! Mit Dir habe ich Mut, mit Dir ist es mir eitel Freude – mit Dir hat es einen Sinn! mit Dir kann ich glauben und hoffen! Oh Du! Mein Leben! Mein Ein und Alles! Geliebte! Bleibe mir!!!!! !!!!! !!!

Herzelein! Ich teile heute mit Dir das Glück, daß Du nun endlich wieder Nachricht hast von mir. Deinen lieben Boten vom Freitag habe doch auch ich sehnlich zurückerwartet. Er sollte mir sagen, ob Du mich auch recht verstanden habest, ob ich mich Dir auch recht verständlich gemacht habe.

Geliebte! Deine Antwort, Dein Verstehen macht mich so glücklich – es beruhigt mich auch. Weil Du mich so unendlich lieb hast – verstehst Du mich. Weil ich Dir der Allerliebste bin, verstehst Du mich. Weil Du mit allem Hoffen und Wünschen, mit Deinem Boten um mich bist, verstehst Du mich, Geliebte! Verstehst mein Sorgen, verstehst, daß ich Dich sooo lieb beschützen möchte, daß Du mir sooo wert bist! Oh Herzelein! Du liebst mich! Du bist mein liebes, treues Weib, das sooo lieb sich an sein Mannerli lehnt, das glücklich ist in seinem Schutz. Du bist ganz erfüllt von meiner Liebe, oh Du! Ich fühle es – fühle es tief beglückt! Du erkennst mit mir die Kostbarkeit unseres Glückes. Es ist Dir so heilig und teuer und unveränderlich wie mir. Es zu hüten und zu bewahren ist auch Dein ganzes Trachten. Geliebte! Ganz [e]inig gehen wir darin. Und ich vertraue Dir! Ja, Ich vertraue Dir ganz, daß Du unser Glück recht bewahren wirst, ganz lieb und treu bewahren, daß Du dafür einstehst auch in meinem Sinne, daß Du dafür eintrittst für mich mit!!! Oh Du! So wie Du mich liebst, muß ich Dir ebenso gegenwärtig sein immer, wie Du mir es bist. Mit Dir, mit Deinen Sinnen, für Dich mit schaue ich alles – und so entscheide und handle ich. Ich kann anders nicht mehr.

Oh Geliebte! Ich weiß: Du wartest mein! Du bewahrst mir die Heimat, wie ich an der Brücke baue zur Heimkehr. Was könnte uns mehr beseelen und am Herzen liegen? Wie anders könnten Liebe und Treue sich schöner kundtun in der Zeit unsres Ferneseins?

Oh Du! Du!!! Daß wir so einander lieben dürfen! Daß wir einander fanden zu so innigem Lieben! Gott segne unsre Liebe!

Er erhalte Dich mir froh und gesund!

Ich liebe Dich – so ganz! So tief und schwer, Herzelein!

Und ich fühle Deine innige Liebe – oh Du! mein ganzer Sonnenschein! – ich kann nicht mehr leben ohne sie! Ich hoffe mit Dir, ich lebe mit Dir, ich bete mit Dir!

Ganz glücklich schließe ich Dich in meine Arme: Oh bleib bei mir! Bleibe mein! Ich bleibe ewig Dein! Ganz Dein!!!

Dein [Roland]! Dein Mannerli!

Ich küsse Dich, Du! Feinslieb! Mein! Ganz mein!!!

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Autor Roland Nordhoff
Korrespondenz Oberfrohna
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Über den Autor

Roland Nordhoff

Foto von Roland Nordhoff. Nahaufnahme, Person sitzend in einem Fensterrahmen.
Ba-OBF K01.Ff2_.A39, Roland Nordhoff, 1940, wahrscheinlich Bülk, Fotograf unbekannt, Ausschnitt.

 

Roland Nordhoff wurde 1907 in eine bürgerliche Familie in einem ländlichen Dorf im östlichen Sachsen, Kamenz, hineingeboren. Nachdem er ein Musikstudium aufgegeben hatte, arbeitete er als Dorflehrer in Oberfrohna, nahe Chemnitz. Im Frühjahr 1938 wurde er nach Lichtenhain in Sachsen versetzt

Über die Korrespondenz

Oberfrohna

Fotografie des Brautpaars Nordhoff am Tag ihrer Hochzeit vor dem Portal der Kirche.

Das Konvolut aus Oberfrohna befindet sich gut erhalten in privaten Händen in Deutschland. Es umfasst 24 Aktenordner mit ca. 2600 Briefen, die zwischen 1 und 20 Seiten lang sind. Der Briefwechsel beginnt im Mai 1938 und dauert, mit einigen kurzen (Urlaubs bedingten) Unterbrechungen, bis Februar 1946