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[OBF-420311-001-01]
Briefkorpus

Mittwoch, den 11. März 1942

Mein liebes, teures Herz! Herzlieb, Geliebte mein!

Nun warte ich doch tatsächlich mit Dir darauf, daß Du endlich mal ein Zeichen von mir bekommst und bin nun richtig ungeduldig mit Dir. Dein Mittwochbote: Heute ging der Postbote wieder vorbei. Dein Donnerstagbote: Bist heute noch immer nicht zu mir gekommen. Ärgerlich ist das, zum Ausderhautfahren! Armes, liebes Herzelein! Man meint, solche Unregelmäßigkeiten brauchten nicht zu sein. Aber die Schuld liegt bei einem der Sammelpostämter. K.s Frau klagt ebenso. Im Donnerstagboten schreibt sie, daß sie drei Briefe gleich auf einmal bekam. Sie liegt eher am Wege – und so kann ich hoffen, daß Du nun wenigstens am Freitag von mir Nachricht erhalten hast.

Ich bin ganz gesund, Herzelein! Und bin froh! Und hab Dich doch noch immer lieb. Du! Du!!! Solang noch ein Atem in mir ist und noch das Herz schlägt in meiner Brust – Dein Herz!!! Ach, ich wollte nun mit Dir auch lieber warten mögen – aber Deine Boten kommen ziemlich regelmäßig und pünktlich. Sei recht lieb bedankt für Dein treues Gedenken.

Ob ich Dein privates Mannerli bin? Herzallerliebste!

Dein Herzensmannerli bin ich. So wie ich bin an Herz und Wesen – so bin ich zu Dir, so komme ich zu Dir – ohne Vorbehalt, ohne Maske, ohne Amtsmiene – so wie ich bin – nur – nur – verklärt durch den Widerschein und Abglanz Deiner Liebe und das Leuchten meines Liebens, Du! Herzelein! Ein Glänzen ist doch, ein Leuchten, eine schimmernd Fluten, wenn wir umeinander sind – Du! Du!!! Ein ewig Tauschen unsrer Wesen, ein immerwährend Schenken und Beschenktwerden, Einswerden und Einssein! Du! Oh Du!!! Selige Zeit dann! Mein – Dein! Ganz mein – ganz Dein! Herzallerliebste! Ja, Schätzelein, wer in seinem Beruf mit anderen Menschen umgehen muß und willensmäßig auf sie einwirken, der hat dann eine amtliche und eine private Sphäre. Und beide Sphären überschneiden einander, beeinflussen einander. Vor Dir, vor Deinem geliebten Bilde, Deinem Auge wird ich immer nur Dein [Roland] sein. Und Du unter dem meinen mein Her[zl]ieb, meine [Hilde]! Denn ich denke, auch Du wirst unseren Kind[lei]n ein wenig anders Dich geben als Deinem Mannerli, ja?

Oh Schätzelein! Daß unsre Herzen und Wesen voreinander sich ganz auftun – das ist doch Heimat, ist Lieben und Verbundensein. Du allein schaust auf meines Herzens Grund, Geliebte, Du ganz allein! Und zu Dir allein, Dir ganz allein, strömt all meine Liebe – und Du allein machst mein Herz erbeben mit Deiner Liebe! Und Du geliebtes Wesen, bekennst mir das gleiche zu meinem größten Glücke!

Oh Herzelein! Ich spüre es mehr und mehr und empfinde es immer deutlicher, wie wir einander nahegekommen sind und ganz verstehen. Und ich bin so froh und von Herzen dankbar darum, daß wir uns einig sind, in dem Wunsch, unsre Liebe zu krönen im eigenen Nest. Du Liebe! Ich hätte Dir Deinen Herzenswunsch nicht versagen können, nein – Geliebte! Ich hätte ihn Dir erfüllen wollen! Aus Liebe! Aus Liebe aber auch wollen wir uns gedulden. Gott im Himmel füge es, daß wir recht bald ans Nestbauen denken dürfen!

Auf Deinen Boten vom Montag wollte ich noch eingehen. Die Geschichte vom neuen Stempel und Briefkasten – oder: Landgräfin, werde hart! Fein hast Du den Schlag pariert – Dein Handeln ist beredter als alle Worte – ist ganz in meinem Sinne, und ich hätte meine Freude an dem neuen hölzernen Briefkasten, der so ein ewiger Pranger ist. Und ich kann mir die verdutzten Gesichter vorstellen und ebenso die Furcht, mit einem Worte daran zu rühren. Ja, Herzelein! Diese Erfahrung kann man immer wieder machen: man hat nur immerzu zu tun, zudringliche Menschen abzuwehren. Aber das soll uns nicht schwer fallen. Wir scheiden beide reinlich: wir drängen uns niemandem auf – lassen uns aber auch nicht bedrängen. Wir haben genug mit uns selbst zu tun.

Als ich Deinen Stempel zuerst sah, kam mir zuerst der Gedanke: na, mein Frauchen hat sich wohl selbständig gemacht, mit dem Namen [Nordhoff] zwar, aber für den [Roland] ist da kein Platz – ganz breit steht es zu lesen: [Hilde Nordhoff]. Stimmt’s? Ja, wie hättest Du es auch anders machen sollen – vielleicht nur [Nordhoff] setzen. Und der andre Gedanke: Wie lange wird dieser Stempel seine Gültigkeit haben in Wohnort und Straße? Aber Du nimmst doch beide Gedanken nicht für ernst! Ich beglückwünsche Dich zu der neuen Firma – und kann das nicht besser als mit der Hoffnung, daß sie bald, recht bald ihren Konkurs anmelden muß! Ja, Herzelein? Ist’s auch in Deinem Sinne? Du!

Und in Deinem Dornröschenschloß laß ich Dich überhaupt nimmer einschlafen – und die Dornenranke gar nimmer zuwachsen – so wie Du mich nicht mehr in mein Schneckenhäusl zurückläßt. Gelt auch gar nimmer, Du! Dein bin ich – und Du mein! Für dieses ganze Leben!

Und weil ich eben beim Zurückblättern bin, möchte ich Dich noch auf eines hinweisen, ich vergaß es gestern: Es war wenig schicklich und taktvoll vom Pfarrer, Dich zu sich zu bestellen, wie man jemanden aufs Rathaus bestellt, wo er Dich doch um etwas bitten wollte. Der Herr Pfarrer ist so oft mit Besuchen unterwegs, daß es sich wirklich gehört hätte, bei Dir zu Hause vorzusprechen. Wer kann sagen, inwieweit dieser Taktfehler nicht auf einem grundsätzlichen Irrtum dieses Herrn beruht? Herzelein! Wir dünken uns nicht geringer als der Herr Pfarrer, niemals, und unsre Empfindlichkeit macht vor seiner Person nicht halt. Und das nächste Mal soll er ruhig an unsre Tür klopfen, wenn er einen Wunsch hat – so wie wir es selbstverständlich auch tun würden, bei jedermann!

Herzensschätzelein! Tiefe Nacht ist, da ich Dir schreibe. Der leidige Posten muß wieder einmal gestanden sein. Es gab heute viel Arbeit, und ich habe mir meinen Schlaf verdient. Es wird wieder anders werden, wenn uns neue Leute zukommandiert werden. Stille ist. Nur dann und wann knarrt ein Bett, bellt ein Hund, kräht ein Hahn. Das elektrische Licht brennt heute durch – sonst kann ich nur bei einer Petroleumlampe sitzen. Ich liebe diese Stille. Es geht mir doch wie Dir: daß ich am liebsten ganz allein beim Deingedenken und ein paar freie Stunden dazu vor mir haben muß. Oh Du! Was wären wir brave Soldaten, wenn alle einen sooo lieben Schatz zu Hause hätten, dessen sie so lieb gedenken müßten. Aber dann könnte Dein Mannerli sich doch gar nimmer auszeichnen. Du! Ich habe den allerliebsten Schatz daheim, ja, ich weiß es – auf mich wartet das liebste und treueste Weib – und ich bin darum das glücklichste Mannerli! Segne Gott unsre Liebe! Sei er mit Dir auf allen Wegen! Oh! Behüte er Dich vor allem Bösen! Ich habe Dich sooo lieb, von Herzen lieb! Und möchte Dir doch das allerliebste Mannerli sein – nichts sonst. In der vergangenen Nacht fand ich doch gar keine Ruhe – und ich habe Dich müssen ganz liebhaben, Du!!!

Und nun soll der Bote sich beeilen, daß er unsre Herzen und Sinne verbinde – Du! ich glaub nicht, daß er sich vor dem neuen Briefkasten fürchtet, den mein Schätzelein ihm bauen ließ, er wird wohl gern hineinschlüpfen über dem blanken Schildchen – und wird warten auf die liebe, liebe Hand, die ihn befreit und erbricht und seine Siegel löst – oh Herzensschätzelein! Laß Dich grüßen von Herzen – und küssen – und herzen – ich habe Dich lieb! So lieb!!!

Ich bleibe ewig Dein! Ganz Dein [Roland]! Dein Herzensmannerli!

Grüße die lieben Eltern. Heute habe ich für den lieben Pappsch ein Geburtstagspäckchen fertig gemacht.

Schätzelein! Herzelein! Geliebte Du! Du!!! Mein!!!!! !!!!! !!!

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Autor Roland Nordhoff
Korrespondenz Oberfrohna
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Über den Autor

Roland Nordhoff

Foto von Roland Nordhoff. Nahaufnahme, Person sitzend in einem Fensterrahmen.
Ba-OBF K01.Ff2_.A39, Roland Nordhoff, 1940, wahrscheinlich Bülk, Fotograf unbekannt, Ausschnitt.

 

Roland Nordhoff wurde 1907 in eine bürgerliche Familie in einem ländlichen Dorf im östlichen Sachsen, Kamenz, hineingeboren. Nachdem er ein Musikstudium aufgegeben hatte, arbeitete er als Dorflehrer in Oberfrohna, nahe Chemnitz. Im Frühjahr 1938 wurde er nach Lichtenhain in Sachsen versetzt

Über die Korrespondenz

Oberfrohna

Fotografie des Brautpaars Nordhoff am Tag ihrer Hochzeit vor dem Portal der Kirche.

Das Konvolut aus Oberfrohna befindet sich gut erhalten in privaten Händen in Deutschland. Es umfasst 24 Aktenordner mit ca. 2600 Briefen, die zwischen 1 und 20 Seiten lang sind. Der Briefwechsel beginnt im Mai 1938 und dauert, mit einigen kurzen (Urlaubs bedingten) Unterbrechungen, bis Februar 1946