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[OBF-420306-001-01]
Briefkorpus

Freitag, den 6. März 1942

Herzallerliebste! Mein liebes, teures Weib!

Ein bewegter Tag neigt sich seinem Ende, bewegt nur im äußeren Sinne. Gekrönt und überformt wird er von Deinem lieben Boten – und beschlossen wird er nun mit Deinem Gedenken. Die Schreibstube habe ich heute nur kurz am Vormittag gesehen. Um 10 Uhr mussten wir zu einer Prüfung unsrer Gasmasken erscheinen. Im Reizraum ward erprobt, ob sie auch dichthält und uns schützen kann im Ernstfall.

Meine mir in Eckernförde angepasste Maske ist mir auf der Reise nach Bulgarien vertauscht worden – die neue passt mir tadellos – Glück gehabt. Die Probe fand auf einer Dienststelle in der Nähe des Hafens ab [sic]. So blieb ich da gleich bis zum Essen. Wir hatten heute hier den ersten Sonnentag – prächtig Meer und Berge – und ich habe dem Hafenleben ein wenig zugeschaut. Es ist eine ganze besondere Welt – das Leben zwischen Schiffen und Booten. Zu Mittag winkt doch dann etwas ganz Besonderes: Ein Fragen, Warten, Herzklopfen erst – ein Freuen, ein glückhaftes Haben dann: Der liebe Bote. Herzelein, Geliebte! Heute erreichte mich der Deine vom Freitag. Weil die Boten so verschieden angekommen sind in der vergangenen Woche, habe ich ein besonderes Auge darauf, ob sie denn nicht irgendwo aufgehalten werden – Herzensschätzelein! Wir wachen doch beide ganz eifersüchtig über diesem, unserem Schatz.

Heute nun muss ich erstens wieder eine solche Unregelmäßigkeit feststellen. Die Wienbriefe, von denen Du in Deinem Freitagboten schreibst, daß sie abgeschickt sind, haben mich noch nicht erreicht. Zweitens befremdete mich heute der Umschlag. Ich schicke ihn als „Corpus Delicti“, (als Gegenstand des Verbrechens) mit. Verdächtig daran ist mir die Malerei, wie ein plumpes Nachahmen Deiner Schriftzüge. Der Brief ist am Sonnabendabend erst aufgegeben, in Limbach. Meinem Verdacht entgegen steht, daß es ein Umschlag von demselben französischen Briefpapier ist – wer sollte solches noch besitzen? Ich hoffe, daß sich alles ganz natürlich aufklärt – sonst mü[ß]test Du freilich Nachforschungen anstellen. Hat sich etwa die Mutsch einen Spaß machen wollen? Aber ich will nicht unnötig falsch verdächtigen, bin aber doch gespannt auf die Erklärung.

Will Dir nun erst noch von meinem Tag fertig berichten, ehe ich auf Deinen lieben Boten eingehe. Am Nachmittag winkte also Exerzierdienst. Der Spieß selber leitete ihn heute – und ich kam nicht drumherum. Es war ziemlich anstrengend. ½ 6 Uhr waren wir zurück. Jetzt begann das große Reinmachen. Unsre Stube rief schon lange nach Hader und Wasser. Ofen ausputzen, Feuer anmachen, Kohlen holen, Proviant fassen, und zuletzt mich selbst abrumpeln und die durchschwitzten Kleider ablegen – das hielt mich bis 7 Uhr in Atem. Ich war doch nun schon lange Junggeselle. Aber hier, bei Soldatens [sic], machen sie uns noch mehr zum Junggesellen - oh Herzelein, Geliebte! Bei Deinem Mannerli gelingt das nur äußerlich. Es wird Dir später manchmal gut zur Hand gehen können und sich auch einmal selber behelfen (konnte es jetzt schon) wenn das nötig würde.

Aber in meinem lieben Weib habe ich doch nicht nur eine gute Haushälterin gesucht und gewonnen – oh Du! Du!!! Viel, viel mehr – Du, Du! Mein liebes Weib! Mein Ein und Alles! Herzenskönigin! Unersetzlich bist Du mir! Dich lasse ich nimmermehr! Ich kann es nicht! Ich kann nicht mehr sein ohne Dich! Mein Herz ist bei Dir! Und das Deine ist bei mir! Oh Herzelein! Ich bin Dein Mannerli – ganz, ganz Dein! Gefangen in Deiner Liebe! Oh Herzlieb! Bezaubert von Deiner Liebe! Nimmermehr könnte ich Dich vergessen, Dich missen. Oh Du! Ich mag kein Junggeselle mehr sein. Bin vieltausendmal lieber Dein Gefangener, bin Dein Mannerli – ach wohl das reichste und glücklichste G[u]t auf dieser Welt. Weil ich Deine reiche unendliche Liebe besitze! Oh Herzelein! Weil ich so tief geborgen bin in Deiner Liebe! Weil Du mich so tief in Dein Herz geschlossen hast! Weil Dein Herz und Wesen so ganz sich mir erschließen! Weil ich Dein ganzes Vertrauen besitze! Und weil ich Dich beglücken kann mit meiner Liebe!

Das alles bezeugt mir Dein lieber Bote aufs neue! Er bringt mir so unendlich viel Glück, Geliebte! Er weckt doch meine Sehnsucht so mächtig, Du! Du!!!

Du willst zu mir, Geliebte! Willst mich ganz lieb haben! Oh Du, könnte ich bei Dir sein! Oh Herzelein! Komme immer! Zögre nicht – zaudre nie! Und ich werde immer zu Dir kom[me]n – ja immer, wenn es mich drängt. Und wenn wir dann miteinander leben, ich weiß es schon, dann webt die Liebe zwischen uns, daß es uns drängt zur gleichen Zeit, zur gleichen Stunde! Oh Herzelein! Geliebte! Welch glückliche Zeit dann!!! Du! Du!!!!! !!!!! !!! Oh Herzelein! Wie beglückst Du mich mit Deinem Vertrauen, mit Deinem Zutrauen! Oh Geliebte! Wie unendlich glücklich bin ich, daß ich es besitze – es macht mich doch erst zu Deinem Mannerli – zu Deines Herzens Vertrauten – zu Deinem Herzallerliebsten. Und das möchte ich doch sein, um alles in der Welt! Das gilt mir das Schönste und Köstlichste! Oh Geliebte! Ich könnte ja auch der Vertraute eines anderen Menschenkindes geworden sein – Herzelein, Schätzelein! Kein Vertrauen dünkt mir köstlicher und einziger als das Deine! Oh Du! Dir ganz nahe sein – in Deinem Herzen wohnen – ich darf es, ich ganz allein! Oh Du, mein liebes Weib! „Wirst Du mich denn begreifen?“ Herzelein, Du! Ja! Ja!!! Immer Du! Ich habe Dich doch sooo lieb, sooooooooooooo lieb! Geliebte! Ich kenne Dich doch schon so gut, ja? Ich wohne doch in Deinem Herzen! Du hast mich doch so weit hereingelassen und so tief hineinschauen! Oh Du! Du!!! So, wie es Dein Mannerli sich so sehnlich gewünscht hat!!!!! !!!!! !!! So traut und lieb und warm ruhe ich in Deinem Herzen. Oh Geliebte, und ich fühle Dich in dem meinen wohnen – Du! Du!!! Welche Wonne! Welche süße Last! Welch[‘] selig Umfangen!!! Mein! Mein!!! Ganz Mein!!!!! !!!!! !!! Und mein willst Du bleiben – Dein ganzes Leben zu dem meinen legen – ganz eins sein mit mir – und ich soll Dich lieben, Dich bergen und beglücken.

Oh Schätzelein! Wohin drängt all dieses ungestüme Lieben? Du! Du!!! Du willst, was ich ersehne – und was ich will mit aller Herzenskraft, das ist Deines Herzens heißer Wunsch. Du! Oh Du!!!

Gott sei Lob und Dank für solch seltenes Geschenk. Ihm wollen wir es anbefehlen und weihen. Er halte uns dankbar und demütig im Glücke!

Bald wird das Licht verlöschen, Herzelein! Kamerad K. schläft schon. Ich schreibe bei der Stehlampe, da kann das Licht ihn nicht stören. Hängelampe – Stehlampe, so gut haben wir es. Was werden all die andern Lieben treiben, die Brüder, Siegfried in Russland?

Und Du mein Schätzelein? Wirst wieder am Schreiben sein? Nach dem heißen Freitag? Wirst dasitzen in meinem Schlafanzug? Du! Du!!! Ich will gleich zu Bett – [Du] mußt ihn mir geben. Was macht denn dann mein Evchen? Ich weiß, ich weiß!!! Es kriecht gleich mit ins Bettlein – und dort ist gar kein Streit um den Schlafanzug – Du! Du!!! Du!!!!! !!!!! !!!

Oh Geliebte! Ich weiß es noch! Nie kann ich es vergessen! Und Unruhe ist mit uns, bis wir einander wieder beschenken und beglücken können!

Behüt Dich Gott! Bewahr er Dich vor allem Bösen!

Ich bin immer bei Dir! Bin Dein! Ganz Dein!

Ich liebe Dich! Du! Mein Ein und Alles! Meine [Hilde]!

Dein [Roland]

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Autor Roland Nordhoff
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Über den Autor

Roland Nordhoff

Foto von Roland Nordhoff. Nahaufnahme, Person sitzend in einem Fensterrahmen.
Ba-OBF K01.Ff2_.A39, Roland Nordhoff, 1940, wahrscheinlich Bülk, Fotograf unbekannt, Ausschnitt.

 

Roland Nordhoff wurde 1907 in eine bürgerliche Familie in einem ländlichen Dorf im östlichen Sachsen, Kamenz, hineingeboren. Nachdem er ein Musikstudium aufgegeben hatte, arbeitete er als Dorflehrer in Oberfrohna, nahe Chemnitz. Im Frühjahr 1938 wurde er nach Lichtenhain in Sachsen versetzt

Über die Korrespondenz

Oberfrohna

Fotografie des Brautpaars Nordhoff am Tag ihrer Hochzeit vor dem Portal der Kirche.

Das Konvolut aus Oberfrohna befindet sich gut erhalten in privaten Händen in Deutschland. Es umfasst 24 Aktenordner mit ca. 2600 Briefen, die zwischen 1 und 20 Seiten lang sind. Der Briefwechsel beginnt im Mai 1938 und dauert, mit einigen kurzen (Urlaubs bedingten) Unterbrechungen, bis Februar 1946