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[OBF-420303-002-01]
Briefkorpus

Dienstag, am 3. März 1942.

Herzallerliebster! Mein lieber, liebster [Roland] Du!!

Ich habe heute vergeblich wieder auf den Briefträger gewartet. Es war nichts von Dir dabei, Herzelein. Muß ich mich halt noch einen Tag länger gedulden. Ach, ich will es so gerne, ich weiß ja, daß mein Warten belohnt wird. Du schreibst, daß bei Euch die Post wieder gut geht. Da muß es sich ja nun auch bei uns hier einrichten.

Du!! Ich wollte gerade in die Stadt gehen, als es klingelte und der Paketbote vor der Tür stand. Ein Päckchen an die Frau Mama! Nanu!!

Absender ist mein Mannerli! Da kann doch nur der nahende April schuld sein, daß ich es nicht öffnen darf, gelt? Ich habe es abwägend in der Hand gehalten, Du! Ob wohl die schönen Schuhe drin sind? Pfui! Wer wird denn so neugierig sein!

Aber eins entdeckte ich, H. ist daheim. Es trug den Poststempel Lohmen (Pirna). Da muß sich nun auch die Mutsch bei ihm bedanken, weil es an sie gerichtet ist, Du! Mutsch hat schön gestaunt, als sie ein Päckchen vorfand vorhin. Sie hat nur die Hülle abgemacht vor meinen Augen, als dann der Brief zum Vorschein kam mit ihrer Anschrift, hat sie alles genommen und ist in’s andre Zimmer gegangen! Ach Du!  Bist mein Lieber, Guter! Du hast immer eine heimliche Freude für mich. Ich möchte Dich doch gleich mal drücken, Du! Ich bin geduldig Herzelein! Bis der Osterhase zu allen artigen Kindern kommt!

Herzelein! Heute schrieb die Tante Marthel aus Glauchau. Sie wartet auf mich, daß ich sie besuche; denn zu Ostern kommt sie mit den Kindern heim nach Mittelfrohna. Und ich habe doch meinem Patenkind ein Kleidchen versprochen an seinem 1. Geburtstag! Bin noch garnicht dazugekommen zum nähen, weil ich immer an meinem Pullover gearbeitet habe. Da muß ich aber nun Ernst machen. Ich habe sie lange genug verschoben! Sonst wird sie mir womöglich böse. –

Ach Herzelein! Ich wüßte doch gerne wieder etwas Neues von Dir! Du!! So lieb mir alle Deine Boten sind, die ich bei mir habe schon, ich brenne doch so darauf, immer mehr von Dir zu hören, Geliebter! Wie es Dir geht, was Du treibst, und wissen will ich doch auch, ob Du mich denn noch lieb hast, Herzelein! Ach Du!!! Geliebter! Es hat sich der Gang unsrer Boten noch nicht so recht wieder eingerichtet, wir bekommen noch nicht Antwort voneinander auf unser Fragen. Weil eben erst die Boten irre gingen, durch den Aufenthalt in Wien. Ach, an allem ist die Ferne schuld, die zwischen uns liegt. Wenn es nur bald, bald vorbei wäre, das ganze böse Kriegsgewitter.

Herzlieb! Es hat mir ja so leid getan, als Du mir in einem Deiner Boten von den armen halbverhungerten Kinderchen erzähltest. Solchen Jammer sieht man aber bei uns in Deutschland nicht. Soweit kann es vielleicht auch nie kommen hier in der Heimat, die Organisation der Lebensmittelversorgung funktioniert doch so gut. Und die sozialen Einrichtungen im Reich sind so, daß ein jeder Bedürftige davon betreut wird. Ach, es ist gutes Werk, das damit getan wird; denn die Armen sind ja auch Menschen wie wir, sind deutschen Blutes, sind alle auch unsre Nächsten. Aus rein menschlichem Gefühl heraus müßte man jenen doch schon helfend beistehen. Aber wahres Mitleid ist so selten auf der Welt wie Treue und Wahrheit. Das Bild, das sich Dir bot in der Stadt, müßte es nicht eine große Anklage sein für die Griechen selber? Müßten sie hier nicht helfend eingreifen, der Ärmsten Los zu lindern? Das Land selbst ist arm, es hat sicher zu kämpfen, daß solche Bilder, wie Du es sahst, nicht noch häufiger sich bieten für die Deutschen. Wen soll man beschuldigen, der das Griechenvolk in solches Elend gebracht hat?

Wir müssen zutiefst dankbar sein Herzlieb, daß Du dort noch so gut leben kannst – wie auch wir zuhause. Und wir wollen Gott von Herzen bitten, daß er uns vor großer Not und vor Elend und Hunger bewahre.

Ach Herzelein! Wir warten so sehnsüchtig, so bangend, so hoffend auf ein gnädiges Ende allen Übels, das die Welt mit ihrer Menschheit zu vernichten droht. Unsere Gebete sind von dem heißen Wunsch beseelt, daß wir nun bald, bald einander leben dürfen Seite an Seite. Unsere Liebe, die große, mächtige, sie bleibt in uns, solange nur Leben in uns ist. Sie ist auch jetzt immer mit uns, da wir getrenn[t] voneinander sein müssen. Du spürst so wie ich, mein Herzelein: der Brunnen unsrer Liebe ist unerschöpflich dies ganze Leben, unversieglich ihre Quellen. Mit Leib und Seele hangen [sic] wir für immer zusammen. Ich bin Dein – Du bist mein! Eines ist nur für das andre da! Glück ohne Ende! Du! Oh sei uns Gott gnädig und barmherzig!

Ich liebe Dich von ganzem Herzen! Deine [Hilde].

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Autor Hilde Nordhoff
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Hilde Nordhoff

Foto von Hilde Nordhoff. Nahaufnahme, Person im Sommerkleid, im Hintergrund Bäume.
Ba-OBF K01.Ff2_.A12. Hilde Nordhoff, 1940, Oberfrohna, Fotograf unbekannt, Ausschnitt aus Fotoalbum.

Hilde Nordhoff wurde 1920 als Hilde Laube in eine Arbeiterfamilie in Oberfrohna, eine Kleinstadt in Sachsen, hineingeboren. Sie arbeitete ein Jahr lang als Hausangestellte, dann in einem Trikotagenwerk.

Sie kannte Roland Nordhoff aus der Kantorei in Oberfrohna und trat sogar der evangelischen

Über die Korrespondenz

Oberfrohna

Fotografie des Brautpaars Nordhoff am Tag ihrer Hochzeit vor dem Portal der Kirche.

Das Konvolut aus Oberfrohna befindet sich gut erhalten in privaten Händen in Deutschland. Es umfasst 24 Aktenordner mit ca. 2600 Briefen, die zwischen 1 und 20 Seiten lang sind. Der Briefwechsel beginnt im Mai 1938 und dauert, mit einigen kurzen (Urlaubs bedingten) Unterbrechungen, bis Februar 1946