
[420303–1‑1]
[Saloniki] Dienstag, den 3. März 1942
Meine liebe, liebste [Hilde]! Geliebte mein! Du! Du!!!
Eben bin ich aus dem Film heim: „Ich klage an.“ [Regie: Wolfgang Liebeneiner, 1941] Ach Schätzelein! Ein guter Film – und auch ein furchtbarer Film. Ich habe eine Zeitlang nicht hinsehen können. Schnell bin ich heimgelaufen. Ich mochte die Wochenschau nicht sehen.
Es drängt mich nur zu einem, Herzelein, es drängt mich Dir zu sagen, daß ich Dich sooooooo lieb habe – sooo lieb – immer, Geliebte – daße ich Dich von Herzen liebe – daß ich Dir im Herzen verbunden bin, ganz fest, ganz eins mit Dir – daß ich an Dir hänge mit meinem ganzen Leben – daß nichts mich von Dir scheiden kann – daß ich Dich liebe, Du! Du!!! – daß ich Dich sooo wert halte – daß ich Dir alles zuliebe tun möchte! Du! Geliebte!
Mein liebes, teures Weib! Mein Ein und Alles! Sonnenschein und Leben! Gott schütze Dich! Er erhalte mich Dir Dich mir froh und gesund. Er schenke es in Gnaden, daß ich Dir noch recht viel Liebe erzeigen kann im Leben und Dir viel Glück und Freude bringen! Herzelein! Nimm meine Liebe!
Ich drücke Dich an mich – Du, mein liebes Weib! Ich küsse Dich! Ich bin Dein. Ganz Dein für dieses Leben!
Ewig Dein [Roland].
Herzelein! Mehr mag ich heut[‘] abend nicht schreiben.

Roland scheint in diesem Brief den Mord von “lebensunwürdigem Leben” oder zumindest “Euthanasie” zuzustimmen. Ob er die Frage in Zusammenhang mit dem Vernichtungskrieg sieht? der Nächstenliebe? Ob seine geistige Unfähigkeit, den Brief zu Ende zu schreiben, Zweifel oder Selbstzensur bezeichnet?
Es ist Bestandteil des Briefwechsels von Hilde und Roland, dass sie sich auch über gesehenes und gelesenes Kulturprogramm schreiben, um einander am erlebten Alltag teilhaben zu lassen. Hier erlebt Roland etwas erschütterndes (er sieht über den Umgang mit ‘unwertem’ Leben einen Film, den er “gut” fand), und das stärkt ihn darin, seine Liebe zu Hilde zu bekräftigen, mit dem paradoxen Ergebnis, aus einer Grausamkeit Schönheit ins eigene Leben zu zaubern. Das Teilen von Alltäglichem (und hier zugleich regimetreuem Kulturprogramm) im Briefwechsel hat konkrete Rückwirkung auf die Paarbeziehung: während das eine Leben ‘entbindbar’ ist, wird dem anderen Leben die unendliche (Ver)Bindung versichert.