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[OBF-420302-002-01]
Briefkorpus

24.

Montag, am 2. März 1942.

Herzensschätzlein! Mein lieber, guter [Roland]!

Hast Du denn Dein Frauchen schon ,amtlich‘ gesehn? Ich weiß nicht, ob Du soviel Freude an dem Stempel hast wie ich. Weißt, es war schon immer ein ganz besonderes Vergnügen für mich, so einen Stempel draufzudrücken! Nur konnte ich noch niemals einemn mein Eigen nennen. Nun bin ich glücklicher Besitzer!

Du! Und ich sehe es schon kommen, Herzelein – nun, wo ich den Stempel habe, brauche ich Dir nicht mehr zu schreiben! Weil Du mir heimkehren wirst!! Gib nur fein acht!! Es wird gewiß so kommen!! Erst, da ich so viele Jahre keinen Stempel hatte, mußte ich Dir immer schreiben – nun kann ich Dir bald, bald alles selber sagen!

Ach Du! Bin ich närrisch, so zu denken? Ich weiß nicht was mir ist – ich muß einfach so denken. Nun will ich Dir auch erzählen, was mir den letzten Anstoß dazu gab, einen Stempel bauen zu lassen.

Höre: Du weißt doch, daß es schon mal Unstimmigkeiten gab in meinen Briefsachen. Herr U. hatte einen Brief von der Girokasse geöffnet, der mir gehörte. Dieser Tage bemerkte ich an wieder einem so blauen Brief einen ganz plumpen Versuch, Unrecht wieder gutzumachen! Er war oben aufgeschnitten und dann schmal umgekippt, mit einem braunen Klebestreifen zugeklebt. Das war mir denn doch zu toll.

Ich überlegte, was zu tun sei. Ich ließ den Brief wie er war und ging zur Girokasse, befragte mich, ob es wohl möglich sei, daß bei dem allgemeinen Papiermangel von ihnen Umschläge in solcher Form benutzt würden, wie eben der meine. Nein. Auf gar keinen Fall, nur ganz einwandfreie Sachen kämen zum Austragen. Ich war nun so ärgerlich, kannst Dir wohl vorstellen. Also wohnt doch so ein Halunke mit unter unserm Dache, vor dem meine Briefgeheimnisse nicht sicher sind. Ich gab nochmals Anweisung, daß der Girobote künftig nur mir persönlich die Sachen auszuhänd[ig]en soll und vor allem möchte er 1x klingeln wie zu lesen steht. Man versprach es mir.

Wer war der Schuldige? U.'s oder B.s?

Ich hatte keine Beweise. Die Girobriefe kommen meist nachmittags an und ich kann mir's nur so erklären, daß der Brief vom Nachmittag bis zum anderen Morgen unbeachtet im Kasten steckte. Ich bin entweder garnicht herunter gekommen, oder achtlos vorbeigegangen. Ich weiß, daß B.s Schlüssel von ihrem Briefkasten an unserm auch schließt. Und ich kenne ihre Neugierde und das Interesse an meinem Geld, das sie mir mißgönnen. Es ist gut möglich, daß sie die Gelegenheit genutzt haben, sich mal über meine Barschaft zu unterrichten. Oh, ich weiß, wie dreist jene Leute sind!

Ist das nicht höchst gemein? Ich war so ärgerlich! Zur Stunde bin ich noch gelaufen nach einem neuen Briefkasten. Vergeblich. Endlich baute mir der Tischler einen, in 4 Tagen hatte ich ihn. Beim Graphiker bestellte ich ein Schild mit unseren Namen: [Laube-Nordhoff]. Nun soll mir noch einmal so eine Schweinerei vorkommen!

Ebenso kann sich ja auch mal jemand an einem Deiner Briefe vergreifen, aber dann würde ich nicht nur ruhig meine Konsequenzen ziehen, da ginge ich der Sache auf den Grund um jeden Preis. Nun, da der neue, schöne Kasten unten hängt, hat sich noch niemand von den Herrschaften im Hause sehen lassen vor mir. Wenn man mich hört – bums! die Türe zu. Das ist mir ein beredtes Zeichen, daß ,man‘ sich getroffen fühlt. Soll man auch! Ich lasse mir nichts gefallen. Den Eltern kommt auch niemand in den Weg. Sie waren auch empört über den Fall.

Mutter kann es Herrn U. heute noch nicht verzeihen, daß er ihr damals den geöffneten Brief ohne ein Wort der Entschuldigung zurückgab!

Tja Herzelein! Den Haustratsch wollte ich Dir erst garnicht erzählen, aber nun tu ich's doch noch. Ärgere Dich nicht – ich habe es genug getan! Dem Fall ist nun die Spitze abgebogen, mein Handeln ist vielleicht beredter als es Worte gewesen wären.

Und die Hauptsache aber: als ich unser Namensschild bestellte, sah ich, wie eine Frau solchen Stempel kaufte und da erfüllte ich mir meinen Wunsch! Du! Das ist die Geschichte.

Herzelein! Es ist abends, da ich Dir schreibe, die Uhr zeigt 15 Minuten nach 8 Uhr. Ich habe heute Vormittag schnell die tägliche Hausarbeit verrichtet und erst einmal nach Kamenz geschrieben an die lieben Eltern. Vater muß nochmal nach Gaußig alarmieren, weil die letzte Urkunde noch immer nicht da ist! Dein Schulrat wird warten, meinst?

Dann schrieb ich dem Siegfried einen Geburtstagsbrief. Mal einen längeren Brief als sonst, bin in der letzten Zeit nur wenig auf sein Schreiben eingegangen und er nimmt sich so viel Zeit für mich bei seiner wenigen Muße. Das ist beschämend für mich.

Ach, da war so rasch Mittag! Und ich kam nicht dazu, vor meinem ,Dienst‘ an Dich zu schreiben. D[u]! Wenn ich mit Dir rede, will ich mindestens zwei volle Stunden vor mir liegen wissen, Herzelein! Um ½ 3 [Uhr] ging ich zum Schreibdienst, heute war der Pfarrer garnicht da, verreist auf 4 Tage. Wir waren ganz allein. Frl. S. hatte viel Betrieb in der Bibliothek heute. Ich habe noch 40 Konfirmationsscheine zu schreiben. Was dann kommt, das weiß ich noch garnicht. Ach Du! Was wirst Du denn nun sagen, daß ich auch Schreiber geworden bin, Du? Wirst Du mir böse sein, daß ich auf eigene Faust einen Dienst im Pfarrhause annahm? Du! Herzlieb!! Du!! Nun sitze ich daheim vorm Schreibpapier, ach Herzelein! Das ist meine liebste Beschäftigu[n]g am ganzen Tage! Du!! Wenn ich zu Dir kommen darf! Zu Dir! Geliebter! Ach, noch ist es nur auf dem Papier! Aber auch der Tag kommt einmal, da ich leibhaftig zu Dir kommen darf! Oh Du!

Herzelein! Du!! Ich muß Dich immer soooooooo lieb, oh sooooooooo lieb haben! Weißt Du es denn noch? Fühlst Du es, mein Herzelein?! Ach Du!! Du!!! Jetzt möchte ich doch gleich bei Dir sein, Dich ganz ganz fest an mich drücken und liebhaben! Oh sooo sehr liebhaben! Herzelein! Ich sehne mich ja heute sooo sehr nach Dir!! Du!! Ganz lieb küssen möchte ich Dich! Ganz fest an mich drücken möchte ich Dich, daß mein Herzschlag dem Deinen gleich ist. Oh, Du mein Geliebter! Wie liebe ich Dich!!!

Herzelein! Die Eltern sind schlafen gegangen. Ich habe mich erst einmal mit all Deinen geliebten Boten, die Du mir seit Deiner Ankunft in S. [sic] geschrieben hast, in die Sofaecke gesetzt. Ach Du! Nun fühle ich sie wieder so mächtig und so nahe, meine ganze große, heiße Liebe zu Dir! Und fühle den befreiten Strom Deiner großen Liebe in meine Herz strömen. Oh Du! Du!!! !!!!!!!!!! Wie lieb hast Du mich! Mein [Roland]!!!

Himmelhoch jauchzen möchte ich vor Glück! Oh Geliebter! Frage nicht, wie Du solches Glück verdienst! Könnte ich mich denn nicht ebenso fragen?! Sei dem Glück aufgeschlossen! Es wartet nicht! Es geht nur ein in geöffnete Herzen! Du!!! Nimm meine Liebe, die Dir so köstlich und wundersam scheint! Nimm sie so ganz! Nimm sie als Gottesgeschenk. Wie ich die Deine als Gottes Geschenk nehme. Und wüßten wir unser übergroßes Glück nicht in Gottes Liebe geborgen, auf sein Wort gegründet, wie könnten wir einen Tag unbesorgt darum unser Haupt zur Ruhe legen! Oh segne Gott unser Glück! Schenke er uns in Gnaden ein Leben Seit an Seite! Du!!! An Deiner Seite, Geliebter!! Du!!!!!

Bleibe mir gesund und froh!

Oh Herzlieb! Wie Du mich fragst!

Hatte ich Dich denn immer recht lieb, jetzt im Urlaub? War ich denn auch recht Dein Glück und Sonnenschein?

Oh Du!! Du!!!!!!!!!!!!! Ja!!! Oh ja!!!!!

Die Sonne Deiner Liebe hat mit der meinen um die Wette gestrahlt, Geliebter!

Du! Du kannst mich so ganz erfüllen! Du bist mein ganzes Glück auf Erden. Du bist und bleibst meine einzige große Liebe, Herzelein! Du weißt es ja, Du! Uns[e]re Liebe bleibt uns! In uns leben Vertrauen und Hoffnung! Hoffnung und Vertrauen sind kein Wahn! Und uns[e]re Liebe nährt sie! Du! Rechte Liebe muß hoffen und vertrauen! Gott behüte Dich! Bleibe gesund, Du!!!

Ich liebe Dich! Ich küsse Dich!

Deine glückliche [Hilde], Dein.

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Autor Hilde Nordhoff
Korrespondenz Oberfrohna
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Über den Autor

Hilde Nordhoff

Foto von Hilde Nordhoff. Nahaufnahme, Person im Sommerkleid, im Hintergrund Bäume.
Ba-OBF K01.Ff2_.A12. Hilde Nordhoff, 1940, Oberfrohna, Fotograf unbekannt, Ausschnitt aus Fotoalbum.

Hilde Nordhoff wurde 1920 als Hilde Laube in eine Arbeiterfamilie in Oberfrohna, eine Kleinstadt in Sachsen, hineingeboren. Sie arbeitete ein Jahr lang als Hausangestellte, dann in einem Trikotagenwerk.

Sie kannte Roland Nordhoff aus der Kantorei in Oberfrohna und trat sogar der evangelischen

Über die Korrespondenz

Oberfrohna

Fotografie des Brautpaars Nordhoff am Tag ihrer Hochzeit vor dem Portal der Kirche.

Das Konvolut aus Oberfrohna befindet sich gut erhalten in privaten Händen in Deutschland. Es umfasst 24 Aktenordner mit ca. 2600 Briefen, die zwischen 1 und 20 Seiten lang sind. Der Briefwechsel beginnt im Mai 1938 und dauert, mit einigen kurzen (Urlaubs bedingten) Unterbrechungen, bis Februar 1946