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[OBF-420301-001-01]
Briefkorpus

Sonntag, den 1. März 1942

Geliebtes, teures Herz! Meine liebe liebste [Hilde]!

Abend ist es wieder. Fast dieselbe Stunde, da Du am vergangenen Sonntag mein so lieb dachtest. Oh Du! Mein liebes, liebes Weib! Mein Sonnenschein! Mein Leben Du! Ich war heute so ein wenig unzufrieden und zerfallen mit mir selber. Gegen 6 Uhr war ich munter. Habe mir Gedanken gemacht, mit Dir geredet und gerechtet den ganzen Vormittag über um Freiheit [sic], Stolz und Ehrgefühl. Die Gedanken marterten mich und ich hätte sich sie abschütteln wollen, aber es ging nicht. Es war mir richtig lästig.

Ach Herzelein! Ich weiß, was es ist im letzten Grunde: Sehnsucht – Geliebte!!!

Nun ist Dein lieber Bote bei mir und hat sooo viel Liebe, Glück und Sonnenschein gebracht, daß die Nebel weichen mussten. Und daß ich nun am Abend der Sonne Deiner Liebe ganz still halte, Du! Meine liebe [Hilde]! Trübe und regnerisch ist es heute wieder, ohne Sonne, wie fast die ganze Woche. Das drückt aufs Gemüt. Ach Herzelein! Wenn wir werden beisammen sein, lass ich mich von Wetterlaunen nie unterkriegen, dann bin ich einen Tag so froh wie den andern.

Nun muss ich meinen lieben Sonnenschein aber erst einmal ganz fest einfangen mit meinen Armen und ganz lieb an mich drücken – Du! Du!!! Du!!!!! !!!!! !!! Mein Sonnenschein, Du! Mein liebes Weib! Ich danke Dir sooo sehr für Deine Liebe. Du hast mich sooo lieb! Du wartest treulich mein. Du betest für mich! Du! Du!!! Du!!!!! !!!!! !!! Du wirst mich nimmer mehr fallen lassen. Ach Du! Du!!!

Ach Geliebte! In Deinem Schoße möchte ich mich bergen heute – ich darf es, ich allein – möcht Deine Liebe Hand füllen – Dein Bub – er sehnt sich nach einer zarten Hand heute, nach einem lieben Wort und nun sagst Du mir doch soviel Liebes! Ach Herzelein! Sagst mir, was mich ganz glücklich machen muss und verschweigst mir noch Lieberes. Du Liebe! Du bist mein! Ganz mein! Du hast mich sooo lieb! Und ich will mich doch sooo liebhaben lassen – von Dir ganz allein – niemand sonst kann mich so lieben.

Den ganzen Tag sind wir zu Hause geblieben. Es regnet. Aber erst am Abend schreibe ich Dir. Ich wollte ganz allein sein. Kamerad K. ist ins Kino gegangen. Am Nachmittag haben wir erst Schach gespielt. Dann habe ich drei Päckchen zurecht gemacht. Durch unsre Kantine habe ich ein Kistchen mit Mandeln und Rosinen bekommen. Ich hab geteilt unter zwei, Dich und Mutter. Beim Packen besann ich mich, daß ich in Bälde noch einmal ein größeres Kästchen brauchen kann. Bitte, schicke mir eines gelegentlich. Heute kam doch noch ein Bote von der Mutter aus Kamenz. Sie erzählte von einem Urlauber, der in Wien aufgehalten wurde von einer [Hilde], die ihn gern besuchen wollte und Rat suchte in Fahrplanangelegenheiten (ich hätte Dir doch schon einen Zug geschrieben), von einem anderen Paare, das sich auf dem Jeschken ein Stelldichein gibt und kürzlich fast verfehlte, von Siegfried, seinem und Onkel M.s Geburtstag (89.! am 16. März). Sie bittet mich, doch auch Siegfried ein hübsches Andenken zum Geschenk zu machen. Gerne, gerne! Ich habe schon überlegt. Ob ich ihm ein schönes Kissen besorge? Ich wüsste sonst gar nichts Dauerhaftes.

Nun aber zu Deinem lieben Boten. Es ist Numero 16, hat Numero 15 überholt, den ich morgen erwarte.

Ach Herzelein! Du denkst mein immer! Denkst mein so lieb! Du hast mich so lieb! Und ich darf Dich liebhaben, ganz lieb, ich allein – und meine Liebe ist Dir Lebensodem so wie mir die Deine. Oh Schätzelein! Das ist doch mein ganzes Glück, mein Sinnen und Trachten, mein Glücklichsein. Ach Du! So ist es doch schon immer zwischen uns – so wird es immer bleiben – und wir dürfen nur Gott um seinen Segen und seine Gnade bitten dazu.

Und doch müssen wir es einander immer wieder gestehen, möchten es einander stets aufs Neue bezeigen. Du denkst so recht, Herzelein: in guter Geborgenheit, in friedlicher Häuslichkeit findest Du mich, – oh Herzelein! und in bester Geborgenheit weiß ich Dich – ich will mit Dir ganz still und dankbar sein. Mit Dir will ich darum beten, daß es so bleiben möge, Du! „Es steht ein jeder auf einem gewissen Platze“ – oh Geliebte! Und wir wissen darum, daß dieser Platz kein Zufälliger ist, daß hier ein großes Schicksal waltet, daß Gott in dieser Zeit uns näher ist denn je. „Oh Gott im Himmel! Sei uns gnädig! Segne unsern Bund! Lass uns zusammen leben! Hilf uns durch diese böse Zeit“ – Laß uns ganz stille werden, Geliebte! Uns fassen in Geduld und festhalten an unserem Glauben und an unsrer Liebe.

Geduld! Geduld! Das scheint auch dieser hartnäckige Winter daheim zu predigen. Das fällt uns modernen, nervösen Menschen doch so schwer: Geduld zu üben, abzuwarten. Oh Herzelein! Du wirst mir helfen, und wir wollen einander helfen, auch nach dem Kriege, geduldige Menschen zu werden, die es abwarten können. Hast und Ungeduld raubt den Menschen alle Tiefe, alle Gottesnähe. Wir wollen uns darin helfen und üben, recht hinzuhören auf alle Stimmen, die um uns sind – alles, was um uns ist, hat eine beredte Sprache. Wir werden uns nicht jagen und abstumpfen lassen von Rundfunk, Zeitung und Propaganda. Trug und Wahn ist diese Jagd. Das Leben ist im Grunde so einfach. Das Glück und alles Gute lassen sich nicht jagen. „Eins ist Not“, wir wissen es. Und die Liebe ist der Schlüssel zu allem Guten. Dem Tageslärm wollen wir unser Ohr verschließen, allem Bleibenden aber Herz und Sinne weit öffnen. Das wird uns alles viel leichter sein, wenn wir unser Heim nicht in der großen Stadt aufschlagen müssen.

Hat sich doch auch der schöne Wintertag mit dem Winterspaziergang beinahe gejährt. Recht so, daß Ihr ihn genützt habt. Und ich wäre doch gern dabei gewesen. Ich denke so gern zurück an unseren einzigen größeren Spaziergang nach Kaufungen. Im nächsten Urlaub, Schäzelein, will's Gott, fällt er in den Sommer, wollen wir aber uns ganz vollpumpen mit Sommerluft und Sonnenduft, ja? Überall liegt so abnorm viel Schnee in Deutschland, auch im Rheinland, wo er sonst sparsamer fällt. Wenn ihn nur die Sonne alle [sic] wegbringt bis zum Sommer. Hier ist es auch noch frisch und wechselhaft, die Sonne macht sich selten.

So habt Ihr Euren Sonntag daheim still verbracht wie wir hier. Woher käme uns auch die Lust zu lauter Freude? So lange dieser Krieg dauert, ist sie verbannt und verstummt. Und die sie sonst suchen und sich an sie gewöhnt haben, haben auch immer weniger Gelegenheit: „Es ist nichts mehr los.“ Herzelein! Wir empfinden das nicht, uns tut das nicht weh.

Sonntagabend daheim. Haben wir diese Abende alle recht genützt und ausgekostet im Urlaub? Den Abendfrieden und die fruchtbare Stille? Oh Herzelein! Will's Gott, werden wir noch viel schönere Abende erleben. Hinter allen Stunden stand die Unrast und der Abschied, Geliebte!!! Die Ruhe, Herzelein, war doch noch nie zwischen uns.

Aber trotz allem war es doch sooo schön daheim! Ich käm‘ doch gleich wieder – auf der Stelle! – und mein Schätzelein könnte die Feder beiseite legen – und meine Wurstbrühe wollt ich trinken – und die Pfefferkuchen brauchtest gar nicht erst einzupacken – und dann? – Du!!! Dann ließe ich mir zeigen, wer mich lieber hat von meinen Anbeterinnen – Du! Du!!! Wer könnte mich lieber haben als Du, Herzelein? Wer könnte mich tiefer beglücken und reicher beschenken? Herzenskönigin! Meine [Hilde]!!! Und von wem ließe ich mich noch sooo liebhaben? Du!!!!! !!!!! !!!

Und dann darf sich mein Herzelein aussuchen, wen es lieber haben will, ob das Schlankerl oder das Dickerle. Ach Schätzelein! Ich bin Dir sooo gut! Ich bin so froh und glücklich mit Dir! Bleibe mir! Du! Mein Leben! Gott schütze Dich! Ich habe Dich sooooooooooooo lieb!

Ich bleibe ewig Dein!

Dein [Roland]

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Autor Roland Nordhoff
Korrespondenz Oberfrohna
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Über den Autor

Roland Nordhoff

Foto von Roland Nordhoff. Nahaufnahme, Person sitzend in einem Fensterrahmen.
Ba-OBF K01.Ff2_.A39, Roland Nordhoff, 1940, wahrscheinlich Bülk, Fotograf unbekannt, Ausschnitt.

 

Roland Nordhoff wurde 1907 in eine bürgerliche Familie in einem ländlichen Dorf im östlichen Sachsen, Kamenz, hineingeboren. Nachdem er ein Musikstudium aufgegeben hatte, arbeitete er als Dorflehrer in Oberfrohna, nahe Chemnitz. Im Frühjahr 1938 wurde er nach Lichtenhain in Sachsen versetzt

Über die Korrespondenz

Oberfrohna

Fotografie des Brautpaars Nordhoff am Tag ihrer Hochzeit vor dem Portal der Kirche.

Das Konvolut aus Oberfrohna befindet sich gut erhalten in privaten Händen in Deutschland. Es umfasst 24 Aktenordner mit ca. 2600 Briefen, die zwischen 1 und 20 Seiten lang sind. Der Briefwechsel beginnt im Mai 1938 und dauert, mit einigen kurzen (Urlaubs bedingten) Unterbrechungen, bis Februar 1946