Bitte warten...

[OBF-420301-002-01]
Briefkorpus

Sonnabend, am 28. II. 1942.

Herzallerliebster! Mein [Roland]!

Ich kann nicht einschlafen, ohne ein Wort zu Dir geschrieben zu haben. Du!!! Und darum setze ich mich noch heute, zu nächtlicher Stunde vor den Bogen und denke an Dich, Schätzelein liebstes! Der heutige Tag war so angefüllt wieder mit allerlei Geschäften und Arbeit, sodaß ich erst gegen Abend zum Verschnaufen kam. Aber auf meinem heutigen Abendprogramm stand doch: Ausgang – zum Klavierabend.

So hatte ich eben zu tun, mich noch ein wenig in Ruhe zu sammeln, mit den Eltern Abendbrot zu halten, mich umziehen und da war's ¾ 8 Uhr. Schlag 8 [Uhr] war ich dort. Die Aula war fast gefüllt. Ich sah G.s sitzen, setzte mich aber nicht zu ihnen, um ungestört genießen zu können, was der Pianist uns bieten würde.

Herr G. entdeckte mich jedoch, als er sich mal umwandte und kam, mich begrüßen und lud mich ein, neben sich zu setzen. So mußte ich schon mitkommen, Lore freute sich. Viele herzliche Grüße übrigens an Dich! Nun zum Abend selbst.

Ein auffallend junger Künstler stellte sich vor. Ich denke es war ein Ungar, G.s auch. Schwarz, beweglich – einen fremden Akzent sprach er. Nach einer erläuternden Einführung setzte er sich an den Flügel und – begeisterte uns! Es war sehr schön, ihm zuzuhören. Ich wünschte mir Dich herbei, Herzelein! Welch eine Technik hatte dieser Mann, verblüffend. Mozart spielte er großartig. Es war ein wirklich genußreicher Abend. Reicher Beifall belohnte den Künstler.

Eins hatte Herr G. herausgefunden: die Deutschen spielten gründlicher, sauberer. Wobei nicht gesagt sein soll, daß er Schluderei uns vorsetzte! Seine Technik war phantastisch! Und er meinte, Mozart wolle noch tiefer empfunden sein, die Feinheiten noch besser herausmodelliert haben. Das hätte dieser junge Mann noch nicht meisterhaft genug verstanden.

Mag sein. Ich besitze soviel Urteilskraft noch nicht, kenne keine Unterschiede – ich beginne ja erst zu verstehen was Musik überhaupt bedeutet! Du! Und wenn Du wieder bei mir bist, ach ich weiß, dann werden wir beide die Gelegenheiten nutzen, durch verschiedene Künstler unsre großen Meister zu hören, zu erleben! Du!! Freust Du Dich auch so sehr, Herzelein? So viel Schönes wirst Du mir noch erschließen! Ich habe heute abend soo fest Dein gedacht! Und Du weißt, wo Du mich suchen mußt, wo Du mich finden kannst, wenn ich Dir schreibe, ich war im Kaufmännischen Verein. Warst doch einmal mit mir da. Herzelein! Es war mir ein Erlebnis, dieser Abend. Und ich will meine dankbare Freude im Gedenken an Dich ausklingen lassen, da Du im fremden Lande weilst und doch in Gedanken so ganz eng mit mir zusammenlebst, Geliebter mein!

Überall wo ich Schönes erlebe, wo mich etwas im Innersten anrührt, da bist Du mir, Geliebter, so ganz nahe! Alles Schöne und Erhebende, es weckt die Sehnsucht nach Dir. Und es macht mich unsres glückhaften Einsseins so selig froh bewußt.

Oh Du! Du bist mein – ich bin Dein! Du liebst mich – ich liebe Dich! Herzelein! Nun laß mich schlafen gehen! Ich denke voller Innigkeit Dein, Du!

Ich habe Dich von Herzen lieb!

Es küßt Dich ganz lieb

Deine treue [Hilde].

 

Mein Herzelein! Nun ist Sonntag. Gleich wird es 2 Uhr schlagen. Wir sind fertig mit unsrer Arbeit. Es sieht wieder sonntäglich aus in unserm Stübel. Vater liegt auf dem Sofa, hält seine Mittagsruhe – Mutter, sie denkt schon wieder ans Kaffeetrinken! Ach, ihr schmeckt's schon nach einer Stunde nach Tische wieder! Na, ich freue mich nur! Und ein bissel Schadenfreude ist auch dabei, Du! Weil ich noch immer auf die schlanke Linie halte! O ja!! Wenn's mir auch manchmal so gut schmeckt, daß ich ungern aufhöre zu essen. Tja = [Laubes] Rasse ist immer schlank – vollschlank, mehr nicht! F.s hingegen neigen zur Dicke. Ach was rede ich da! Du mußt mich nun wohl oder übel so nehmen, wie ich bin, ich bin nun mal Dein Weibel! Nun hast mich aufgeladen und wirst mich nimmer los, Du!

Ich glaube, ich bin immer schuld, daß Mutsch sonntags so gerne früh Kaffeetrinken will, weil ich sonnabends immer etwas backe, wir hatten kaum noch bissel Butter, kein Weizenmehl, weil die Markenperiode zu Ende geht. Aber ich habe wieder einen ganz feinen Pflaumenkuchen gebacken, wenn auch wenig drin ist. Ich möchte Dich gleich zum Kaffee einladen, Herzelein! Hoffentlich kann ich Dir bald wieder ein Päckel schicken. Ach Du! Heute Nacht habe ich so tief geschlafen, habe garnicht geträumt. Erst morgens um 8 [Uhr] erwachte ich, hab gleich an Dich gedacht Herzlieb, weil blauer Himmel zum Fenster hereinschaute und die liebe Sonne schien! So ist's doch bei Dir im Süden, gelt? Ich hatte nämlich nicht verdunkelt, weil der Mond so hell schien abends. Ach Du! Ich muß soo lieb an Dich denken, mein Herzletin! Und wenn ich im Bettlein liege, dann kann ich garnichts andres denken als: Du.

Mußt nun wieder in Deinem harten Soldatenbett liegen. Ohne Deckbett, ohne Federkissen. Tust mir leid, Herzelein! Und doch muß ich so dankbar sein, daß Du überhaupt noch ein bequemes Bett hast, ein Dach überm Kopfe und ein geregeltes Leben überhaupt. Der Feiertag unterscheidet sich vom Arbeitstag und irgend ein frohes Erleben läßt auch den Alltag mit seiner oft unerquicklichen Arbeit erträglicher werden. O wir müssen sehr dankbar sein für das Los, mein [Roland]! Denke nur einmal an Siegfried. In einem kleinen Raum, notdürftig ausgestattet haust er mit noch 23 Leuten! Er könnte klagen und murren, er tut es nicht. Es murrt keiner, der Gesundheit hat, und dafür müssen wir Gott zumeist danken, daß er uns gesund erhielt an Leib und Seele. Einmal muß Erlösung uns werden von dieser schlimmen Kriegszeit. Gott wird mit uns sein. Das glauben wir ganz fest, mein Herzensschatz. Treu und fest halten wir zusammen, mag kommen, was auch will. Und das gibt uns soviel Kraft und Mut auszuhalten. Geliebter! Wenn ich Dich nicht hätte in dieser Zeit, wie einsam und verloren wäre ich! Wie leer wäre mein Leben! Nichts, woran mein Herz so fest, so innig und unlöslich hinge wie an Dir, geliebtes Leben! So wie ich Dich liebe, kann man nur einmal im Leben lieben. Du!!! Dir gehört mein Herz bis an mein Ende. Ich habe Dich geliebt, immer – ich muß Dich lieben immerdar, nur tiefer und inniger verliere ich mein Herz an Dein geliebtes Wesen, Du! So schicksalhaft, so unwiderruflich zog es mich hin zu Dir, nichts, kein Mensch vermochte mich von Dir zu lösen. Nicht in Gedanken, geschweige denn leiblich. Ich habe Dir die Treue halten müssen über alles – aus Liebe, aus urgewaltiger Liebe. Geliebter! Ich bin Dir so unlöslich verbunden, durch unser inniges Zusammenleben haben sich die feinen Fäden unsres Verstehens nur noch fester verschlungen. Ich bin Dein geworden, so ganz. Und ich bleibe Dein. Das ist mein Bekenntnis meiner großen Liebe zu Dir, Du! Und es wird immer das gleiche bleiben, solange die Erde besteht.

Gott sei uns gnädig! Er schenke uns starke und tapfere Herzen!

Er behüte mir Dich!

Geliebter! Heute kamen 3 liebe Boten an von Dir, es sind die fehlenden! Ach Du! Tiefbeglückt und von Herzen froh bin ich nun, da all Deine Liebe von Dir zu mir strömt in Deinen lieben Worten. Oh Du! Glückhaftes Erleben, traumhaftes Wunder! Du liebst mich! Du liebst mich! Geliebter! Was Du mir für große Freude bereiten kannst! Du herzliebes Mannerli! Ich danke Dir herzinnig für Deine Liebe, für alle Beweise Deines treuen Gedenkens. Ach Du! Welch reicher, froher Sonntag [ist] nun! Mich lockt das schönste Wetter nicht hinaus, Ich [sic] muß mich erst zu Dir setzen und Dir von meinem Glück sagen, von meiner Freude! O Herzelein! Ich bin das allerglücklichste Weib auf Gottes Erde! Du! Ich glaube fast, es bricht uns das Herz vor übergroßem Glück, wenn wir plötzlich ganz, für immer umeinander sein dürfen! Sag? Empfindest Du auch so, Herzelein? Ach Du! Du!!!

Wie unsagbar glücklich bin ich mit Dir! O bleibe mir, mein Herzensschätzelein! Du!!! Bleibe mein!!! Du bist all mein Glück, all mein Sonnenschein, meine ganze Freude! Nur mit Dir mag ich weiterleben! Nur mit Dir!

Du!! Nun steht das Bild Deiner Umgebung wieder vor mir. Du erzählst mir, wie Du alles vorfandest, wie Du Dich langsam wieder einlebst in Dein Amt. Es muß sein.

Und nun leben wir in der Hoffnung auf die kommenden Tage und Wochen, die, so Gott will, eine Entscheidung fällen sollen ü[be]r Dein künftiges Geschick, über unser Geschick, Du. Vertrauensvoll legen wir unser Schicksal in Gottes Hände, er wird alles zum Besten wenden. Ich bin mit all meinen guten Wünschen bei Dir, Herzelein! Meine Gebete gehen zugleich mit Deinen hinauf zum Vater, er wird uns nicht vergebens bitten lassen.

Du! Nun kann ich bald alle Schriftsachen zum Schulrat schicken, mir fehlt nur noch die eine Urkunde aus Gaußig. Vater meinte, wenn sich nichts rührt, soll ich ihm gleich schreiben. Das will ich auch. Kamerad K. macht Dir da einen netten Vorschlag! In Gohrisch könnte man wohnen! Ich kenne es nicht, doch Du gewiß! Wohnen da nicht K.s Schwiegereltern? Ach Du! Es ist so schön von unserm Glück zu träumen! Wie will ich Dir unser Heim lieb und traut bereiten, mein [Roland]! Am allerliebsten sollst Du da einkehren immer! Du Herzelein! Und nun erfahre ich von Dir, daß sich H.'s ein Kleinchen bestellt haben?! Wie schön! So wie bei ihnen der Unterschied ist, das gefällt mir: das Mädel wird sieben, nun kann ein neues Kindlein kommen! Was sagt denn der ‚Vati‘ dazu? Er möchte sicher gerne heim, gelt? Er ist vielleicht schon zuhause. Besinnst Dich noch? Als wir sie einst besuchten, sagte Frau H., daß sie sich noch einen Buben wünschte. Da war es sicher schon so! Nun kannst Dir ausrechnen, wann der Storch kommt! Wollen [wir] sagen im September sind die bösen Störche zuletzt dagewesen – im Juni kann er also eintreffen, was meinst Du? Oder hat Dir Dein Kamerad auch verraten, wann es ankommen wird. Oh Du! Da besuche ich Frau H. aber mal, wenn der Bub da ist! Und helfe ihn baden!! Vielleicht kriegst Du 'nen Gevatterbrief [sic]! Würdest Du Dich da freuen?

Du! Deinen Wunsch erfülle ich Dir mit den Braunen. Hast mir doch mal Feldpostbriefe gekauft, darin kannst sie finden.

Du erzählst mir die Stiefelgeschichte. Ach! Es dauert mich das Geld! Glaubst Du, Herzlieb? Laß es nur lieber sein, ich ziehe wollne Strümpfe an. Und wenn Du ein Paar arbeiten läßt, dann brauche ich Größe 40, damit ich in den Schaft komme und da geht wieder mehr Leder drauf, dann wird’s noch teurer.

Aber nach Sacharin frage ich! Vielleicht stehen Dir dann noch andre Wege offen! Ich wünsche mir zu meinem Geburtstag Herzelein, daß Du Dir Paar gute Schuhe kaufst! Wirst Du mir meinen Wunsch erfüllen? Bitte ja! Ich freue mich ja ganz sehr, Du! daß Du [sch]on wieder für mich ein Paar hast! Du Guter, Lieber, Du! Die bringst mir aber mit, ja? damit sie nicht verloren gehen! Ach Du! Es wird alles teurer, auch hier. Aber wenn man noch etwas Gutes erstehen kann, dann lieber zugegriffen! Die Mama freut sich, wenn Du für sie Schuhe kaufst! 39. Sie steckt Dir 'was mit hinein!

Ach Du! Wenn Du heimkommen könntest für immer, ach alles tauschte ich dafür ein! Einmal wird auch die Stunde kommen, da uns solches Glück widerfährt, Geliebter! Ach Herzelein! So voll ist mein Herz! Voll Glück! Voll Sonne! Voll Liebe! Ich liebe Dich, Du!!

Den ganzen Nachmittag sitze ich schon vor dem Briefblock, Du! Und noch immer an Deinem Briefe schreibe ich! Weil die Eltern da sind, habe ich immer mal eine kleine Störung! Ich muß doch noch dem Siegfried schreiben und das sollte schon viel eher sein, weils ein Geburtstagsbrief werden muß! Auch Hellmuth und den Eltern möchte ich schreiben!

Es geht mir wie Dir, Herzelein! Wenn ich schon schreibe, dann immer nur an den gleichen. Alle Schreibschulden stehen noch offen! Ei ei!! Das wird bei uns auch ewig so bleiben! Außer dann, wenn wir zusammen wohnen einmal und unser eig[e]ner Briefwechsel wegfällt. Ich schreibe aber auch am allerliebsten nur Dir, Du!!

Jetzt wird es gleich ½ 5 [Uhr] sein, um 5 [Uhr] geht die Post sonntags. Mein Bote soll heute mit auf den Weg. Und ich will mich darum heute von Dir verabschieden, Herzlieb! Hoffentlich mußtest Du nicht mehr gar so lange auf Nachricht von mir warten, Du! Heute ist Sonntag und ich habe Deinen Brief vom vorigen Sonntag bei mir, das ist der Brief mit dem jüngsten Datum. Fein, daß die Post wieder besser funktioniert. Heute gegen Abend haben uns N.s zu sich geladen, wir waren lange nicht da. Ich will mal mitgehen mit den Eltern, ich werde meine Handarbeit mitnehmen. Elfriede, weißt die lange, die ist auch zuhaus und hofft auf mein Erscheinen.

Ach Du! Am liebsten machte ich mit nun [sic] mit diesem Boten mit auf den Weg zu Dir!

Du!! Ich muß Dich sooo liebhaben! So ganz von Herzen lieb, mein [Roland]! Ich denke voll Sehnsucht an Dich! Ich bin Dir so dankbar für all Deine lieben Zeichen treuen Gedenkens!

Der Herrgott sein mit Dir allezeit!

Bleibe mein! Du mein Glück!

Ich liebe Dich! Deine [Hilde].

Karte
Kommentare
Einordnung
Gesendet am
Gesendet aus
Autor Hilde Nordhoff
Korrespondenz Oberfrohna
Gesendet nach
Erwähnte Orte
Über den Autor

Hilde Nordhoff

Foto von Hilde Nordhoff. Nahaufnahme, Person im Sommerkleid, im Hintergrund Bäume.
Ba-OBF K01.Ff2_.A12. Hilde Nordhoff, 1940, Oberfrohna, Fotograf unbekannt, Ausschnitt aus Fotoalbum.

Hilde Nordhoff wurde 1920 als Hilde Laube in eine Arbeiterfamilie in Oberfrohna, eine Kleinstadt in Sachsen, hineingeboren. Sie arbeitete ein Jahr lang als Hausangestellte, dann in einem Trikotagenwerk.

Sie kannte Roland Nordhoff aus der Kantorei in Oberfrohna und trat sogar der evangelischen

Über die Korrespondenz

Oberfrohna

Fotografie des Brautpaars Nordhoff am Tag ihrer Hochzeit vor dem Portal der Kirche.

Das Konvolut aus Oberfrohna befindet sich gut erhalten in privaten Händen in Deutschland. Es umfasst 24 Aktenordner mit ca. 2600 Briefen, die zwischen 1 und 20 Seiten lang sind. Der Briefwechsel beginnt im Mai 1938 und dauert, mit einigen kurzen (Urlaubs bedingten) Unterbrechungen, bis Februar 1946