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[OBF-420227-002-01]
Briefkorpus

Freitag, am 27. II. 1942.

Herzensschätzelein! Mein lieber, liebster [Roland]!

Es ist beinahe ½ 10 Uhr abends, da ich mich zu Dir setze, um mit Dir zu plaudern. Eigentlich bin ich schon sehr müde; denn ich habe von frühmorgens bis vorhin gearbeitet: Monatsende = Großreinemachen im Flur; das Tauwetter zwang mich auch, Fenster zu putzen – nicht alle! – denn die sahen miserabel aus. Wegelaufen war ich gleich am Vormittag, auch auf dem Postamt war Vaters Rente zu holen.

Da sind wir nun zu zweien und doch erst so spät fertig. Bis um 4 [Uhr] ungefähr möchten wir uns ruhig verhalten, weil Papa schläft. Heute, ich war über der Küche säubern, kam Besuch! Onkel Albert aus Kaufungen, er hatte beim Baumeister zu tun. Er war 1 ½ Stunden da – die fehlten dann! Ich soll Dich schön grüßen von ihm. Sein Sohn Hellmut ist nun vor Leningrad.

Na, die nächste Arbeit war dann erst, dem Papa Suppe kochen, Brote schmieren, damit er gut versorgt ist zum Nachtdienst. Weil nun das Schlafzimmer leer war, habe ich mich gleich darüber erbarmt, es gesäubert. Nun sind wir fertig, Herzelein! Auch schon mit dem Baden! Du! Ich sitze jetzt in Deinem Schlafanzuge am Tische und denke Dein! Du!! Vielleicht sitzt Du auch an ei[n]em Briefe für mich? Liebster, Du! Du!!!

Heute kam kein Brief von Dir an. Doch alle Briefe von Wien kamen zurück! 6 hatte ich Dir geschrieben, einen hast Du schon erhalten, die übrigen 5 und einen von Mutsch steckte ich in einen großen Umschlag und trug sie zum Postkasten, als ich zum Milchholen ging. Nun kannst Du alles nachlesen, Herzelein, was ich Dir noch sagen wollte. Du!

Ach, ich bin doch so froh, daß nun der Faden wieder aufgenommen ist zwischen uns, Du! Es hat lange gedauert, ehe wir wieder Kontakt hatten, gelt? Du hast sicher auch wieder Post von mir erhalten. Und morgen, so hoffe ich, stellen sich die 3 fehlenden mit ein, ich erwarte sie doch ganz sehnsüchtig, Geliebter Du!!! Ach Du!!

Herzlieb! Morgen will ich ausgehen! Was sagst Du dazu? Der Kaufmännische-Verein bietet wieder einen Vortrag und den will ich gerne besuchen. Ein Klavierabend des Herrn Pál Kiss, Berlin. Ich verspreche mir nicht wenig davon. Mutter hat keine Lust mitzukommen, Vater hat Dienst, so gehe ich allein, es macht mir nichts aus. Sicher treffe ich auch Bekannte, denn am Donnerstagnachmittag war Lore G. bei uns, sie werden auch hingehen.

Schade, daß ich nicht auch mit meinem lieben Mannerli gehen kann! Na –

jetzt gehen wir noch getrennt, aber bald gehen wir nur noch zusammen, ja Du?!!

Herzelein! Ich hatte mich doch so sehr gefreut, war so erregt vor Freude, als nun endlich Deine lieben Boten kamen, Du! Sodaß ich gleich darauf krank geworden bin – es war ja eigentlich noch garnicht [sic] soweit. Ach Du! Herzlieb mein, Du hast mich so ganz gefangen, ich bin so ganz erfüllt von Dir, Du! Und alle feinsten Regungen die sind tief drinnen im Herzen, in meinem Innern verborgen, für keinen erkenntlich. Für keinen sichtbar, fühlbar. Und nur Du allein bist die geheimnisvolle Macht, Du bist der Magnet, der sie in Bewegung setzen kann, Du! Du vermagst mit einem Worte, mit einer Bewegung mein ganzes Innere vibrieren machen – es ist so wundersam, so eigenartig! Ach – es ist wie ein großer Vogel in der Brust, der seine Schwingen erhebt und so wild, so wild zu flattern beginnt. Ach Du! Wirst Du mich denn begreifen, Herzelein? Wenn ich Dir hier sage, was ich empfinde in mir? Ach Du!!!

Herzelein ja! Ja! Du wirst es! Du liebst mich! Oh Du! Daß ich Dich je loslassen könnte!!! Eher müßte ich mir ein Leid antun – oh Du! Geliebter! Du bist für mich aller Inbegriff des Liebesglückes – ach des Lebens überhaupt! Ohne Dich gibt es keine Sonne mehr, ist auch alle Freude erloschen! Du bist mein Glück! Du bist mir wie die Flamme, die Licht gibt und wärmt. Du! Ich brauche Dich wie meinen Herzschlag, wie meinen Atem zum leben, Du! Du!!! Geliebter!!!

Ich habe Dich unendlich lieb! Und ich spüre es immer mehr, je länger ich mit Dir auf unser[e]m Wege w[ei]ter gehe, umso inniger liebe ich Dich, desto köstlicher und unersetzlicher wirst Du mir! Geliebtes Wesen! Mit Deiner guten, treuen Liebe, die mich so zutiefst im Herzen berührt, Du! Ich bin Dein! Laß mich immer nur Dein bleiben! Halte mich fest, oh ganz fest! Du!!! Liebe mich immer, Herzelein! Ich bin Dir so, soooooo von Herzen gut! Mein ganzes Leben, ich will es zu Deinem legen, will ganz, so ganz eins sein mit Dir – im Herzen, vor Gott und vor allen Menschen. Ich will mit aller Herzenskraft Dich lieben, Du mein Ein und Alles! Du!!! Du!!!!!!!!!!!!!

Und Du sollst mich lieben, Du! So wie Du mich immer liebtest, Geliebter! Weißt Du denn, daß in Deiner köstlichen Liebe all mein Glück geborgen ist? Daß Du wohl kein Weib je wieder so von ganzem Herzen beglücken kannst wie mich? Oh Du! Weißt Du es noch, Geliebter?! Ich gehöre Dir so ganz.

Herzelein! Ich muß so voll Sehnsucht an Dich denken. Alle Liebe drängt hin zu Dir. Ich weiß nicht, ob Du in meinen Worten mein ganzes Glück mitschwingen fühlst. Ich weiß nicht, habe ich Dir verständlich gesprochen.

Ach Du! Eines wollte ich doch nur! Dir sagen, wie sooo lieb ich Dich habe! Dich, mein Herzensmannerli! Sei Dir der Herrgott gnädig!

Ich küsse Dich herzinniglich und bleibe in Ewigkeit ganz Deine [Hilde]

Dein! Mein!

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Kommentare

drew.bergerson

Fr., 15.02.2019 - 21:51

Hilde erwähnt den Pianist Pál Kiss, wohl den in Berlin lebenden jüdischen Ungar, der Dezember 1942 wegen "Rassenschande" angezeigt wurde und Januar 1945 in Auschwitz ermordet wurde. [Siehe Klaus Riehle, Pál Kiss, Gefangener Nr. 193 273, Auschwitz, Pianist, Ibera Verlag - European University Press Verlagsgesellschaft, 2017]

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Autor Hilde Nordhoff
Korrespondenz Oberfrohna
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Über den Autor

Hilde Nordhoff

Foto von Hilde Nordhoff. Nahaufnahme, Person im Sommerkleid, im Hintergrund Bäume.
Ba-OBF K01.Ff2_.A12. Hilde Nordhoff, 1940, Oberfrohna, Fotograf unbekannt, Ausschnitt aus Fotoalbum.

Hilde Nordhoff wurde 1920 als Hilde Laube in eine Arbeiterfamilie in Oberfrohna, eine Kleinstadt in Sachsen, hineingeboren. Sie arbeitete ein Jahr lang als Hausangestellte, dann in einem Trikotagenwerk.

Sie kannte Roland Nordhoff aus der Kantorei in Oberfrohna und trat sogar der evangelischen

Über die Korrespondenz

Oberfrohna

Fotografie des Brautpaars Nordhoff am Tag ihrer Hochzeit vor dem Portal der Kirche.

Das Konvolut aus Oberfrohna befindet sich gut erhalten in privaten Händen in Deutschland. Es umfasst 24 Aktenordner mit ca. 2600 Briefen, die zwischen 1 und 20 Seiten lang sind. Der Briefwechsel beginnt im Mai 1938 und dauert, mit einigen kurzen (Urlaubs bedingten) Unterbrechungen, bis Februar 1946