
[420227–1‑1]
Freitag, den 27. Februar 1942.
Herzensschätzelein! Geliebtes Weib! Du meine [Hilde]!
Morgens zwischen drein und vieren [sic] – ich glaub[‘], so hebt ein [Volks]Lied [von Bettina von Armin, 1805] an, und wenn nicht, eben mein Brief. Ich war ganz von selber munter zu meiner Wache von drei bis sieben Uhr. [Ich] War eben aus Träumen aufgewacht, als der Kamerad mich wecken wollte.
Mir träumte, das ist mir noch erinnerlich, daß ich im Bettlein liegen mußte. In B. war’s. Und mein Schätzelein rückte mit Vater aus. Erst die C.straße längs – überholte ein Soldatenehepaar mit einem Mädel in blauem Mantel. „Das Mädel zieht den Mantel aus!“, herrschte der Soldat. Und ich habe euch mit meinen Blicken verfolgt. Und [ich] bin dann zum anderen Fenster und habe angestrengt ausgeschaut und nur noch gesehen, daß ihr in den L.park einbogt. Der Traum hat doch wenig Sinn. Wäre ich krank zu Haus‘ und müßte im Bettlein liegen – dann rückte mein Schätzelein nimmermehr aus, höchstens um eine gute Arznei zu suchen. Und wär‘ ich gesund und läg[‘] im Bettlein – dann – dann – – rückt es erst recht nicht aus – – – Du!!! – – – Dann braucht[‘] ich gar nicht lange auszuschauen – – – aber es dürft[‘] es niemand sehen – ganz allein müßten wir dann sein – Du! Du!!!
Ich glaub[‘], ganz allein wird das Mannerli überhaupt nimmer schlafen, dann bei Dir. Und es kann auch gar nicht, [es] findet doch gar keine Ruhe wenn es sein Liebstes nicht neben sich weiß. Und wenn mein Schätzelein ruft, dann muß ich doch auch immer in der Nähe sein, damit ich ihn schaue, der lieben Augen ersten Morgenschein – damit ich gleich da bin, wenn das liebe Mündlein sich spitzt und die weißen Arme ganz lieb etwas umschlingen wollen – Du! Du!!! Du!!!!! !!!!! !!! Aber ich habe noch mehr geträumt – und der Grund dieses Traumes war so warm und dunkel wie das, was ich am Tage las. Ich habe in Deinem Keßlerbuch gelesen, das Kapitel auch, das er seiner Frau widmet.
Ich habe mich bald nach dem Abendbrot niedergelegt, damit ich ein wenig Vorrat schlief. Am Nachmittage habe ich den Exerzierdienst mitgemacht. Ich bewege mich gern, und bin beweglich, und das fällt mir alles auch nicht schwer. Aber wenn solch[‘] kleiner Gernegroß seine Freude hat am Schikanieren, dann ist’s vorbei, dann sage ich einfach: „Ich kann nicht mehr.“ Laß mir an meiner Gesundheit bei wachen Sinnen auch nicht den kleinsten Schaden zufügen, zumal nicht von einem lächerlichen Wicht und ohne ersichtlichen Grund. Dann tu[‘] ich mir auch mal was auf mein Alter zugute – aber sonst nie – bei meinem Herzblümelein, meinem Lieben, schon gar nicht. Ich kenne sie doch nun alle, weiß, was sie vorstellen – herzlich wenig – und das Wenige ist noch nicht mal was Gutes. Aber das ist auch gar nicht schreibenswert. Das hat mich auch nicht lang[‘] beschäftigt. Als der Dienst vorbei war, habe ich nur noch daran gedacht, daß ein lieber Bote mein warten wird – und so war es auch. Aller kleine Groll vergessen, Freude und Sonnenschein. Der Bilderbote wartete. Sei recht lieb bedankt. [Du] Hast Dich lieb hineingedacht in aller Bilder. Sie berichten von zwei verschiedenen Ausflügen, dem nach dem Chortiatis in weißer Mütze, dem nach dem Kapellenberg in blauer Mütze, es war schon November. Der Friedhof richtig ein englischer Heldenfriedhof. Und über, richtiger unter den Gipfelklippen die herzförmige Bucht, auch richtig gedeutet. Ich habe Kamerad [K.] einige Bilder abgelassen. Seine Frau hat bald Geburtstag. Herzlieb! Wenn Du die Negative verschickst, vergiß nicht zu schreiben, daß Du sie zurückhaben möchtest. Sie sollen uns bleiben, damit wir jederzeit uns[e]re Bildersammlung vervollständigen können. Deinem Wunsche entsprechend schicke ich die Bilder zurück.
Kamerad K. hat übrigens seiner Frau zum Geburtstage ein schönes Silberfiligranarmband gekauft – auf mein Anraten mit. Teuer ist es freilich, aber doch ein schönes Geschenk und Andenken.
Das darfst du aber vor dem 16. März nicht schreiben, das ist ihr Geburtstag. Ich rate Dir, dazu nicht besonders zu schreiben. Es erhöht nur Deine Schreibpflichten, die schon so groß genug sind.
Geburtstage sehe auch ich immer näher rücken. Für den lieben Pappsch samm[e]le ich schon fleißig nach Rauchwaren.
Die beiden anderen Wiegenfeste haben noch eine Weile Zeit.
Na, in eine Wiege passt mein Schätzelein nimmer –[es] ist ja so groß geworden, drüber und drunter hinaus – für sein Mannerli – ja, Schätzelein? Größer dürft[‘] es gar nicht sein – aber auch nicht kleiner – ich hab[‘] es doch so lieb, auch darum, daß es eben so groß und rank und schlank gewachsen ist, so frei und froh wie ein schöner Tannenbaum – ja, so frei und froh ins Leben gewachsen – oh, ich hab[‘] es doch sooooooooooooo lieb, Du! Du!!! Schätzelein! Herzelein! Daß Du mein bist! Ganz mein! Du!!!!! !!!!! !!!
Ich gönn[‘] Dich doch gar keinem ander[e]n. Ich möchte[‘] Dir doch der Allerliebste sein – ach Du! So lieb und wert Dich halten! Und so froh und frei mit Dir durch dieses Leben gehen! Und ich gehe doch schon. Erfüllung ist alles schon! Und ich bin das glücklichste Mannerli! Dein Mannerli! Du!!!!!! [Ich] Bin ganz erfüllt von Deiner Liebe und davon, Dich wiederzulieben.
Behüt‘ Dich Gott! Geliebte!
Bleibe mir froh und gesund!
Ich möchte Dich sooo ganz glücklich machen, Du!!!
Ich liebe Dich! Du! Du!!! Von ganzem Herzen!
Mit allem bin ich Dein, ganz Dein!
Ewig Dein [Roland].
Der Himmel dunkel und wild.
Golden erzittert das Meer
auf tiefdunklem Grunde
vom Goldstreif des Abendscheins.
Flut ruht am Herzen der Bucht.
Schiff ruht im Hafen.
Nur die Wolke jagt drohend und ruhelos westwärts.
Ruhelos so wie mein Herz:
Möcht‘ heim zu Dir, Geliebte!
Heim zu Dir nun am Abend.
