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[OBF-420225-002-01]
Briefkorpus

Mittwoch, am 25. Februar 1942

Herzallerliebster! Mein lieber, liebster [Roland]!

Nun mußte ich heute wieder zusehen, wie die Briefträgerin vorbeiging. Ach Du! Du!!! Und ich hatte doch heute sooo sehnsüchtig gewartet! Um 9 [Uhr] schon stand ich am Fenster, schaute nach der blauen Uniform. Man kann garnicht weiter als bis zum Nachbarhaus sehen, solch dicker Nebel ist draußen. Endlich, kurz vor 10 Uhr kam sie an.

Nichts, garnichts – wie gestern.

Nun setze ich meine ganze Hoffnung wieder auf morgen. Es kann doch bald nicht mehr länger dauern!

Herzelein! Gestern war ich beim Pfarrer. Am Nachmittag von 1/3 3 [Uhr] – ½ 6 [Uhr]. Hinten in seinem Studierzimmer hatte er bereitgelegt, was ich bearbeiten sollte. Die Anmeldeformulare aller Konfirmanden vom Jahre 1942. An Hand dieser Bogen mußte ich Konfirmationsscheine ausstellen. Weißt? Alles in dieses Schmuckblatt eintragen und vorne drauf in schönen Buchstaben den Namen des Betreffenden. Das war an und für sich eine leichte Arbeit, man darf nur keinen Fehler begehen in den verschiedenen Daten. Ich bin noch nicht zu Ende mit dem Stoß. Es sind über 120 Konfirmanden. Ich werde aber erst nächsten Montag wieder hingehen, es hat ja Zeit damit.

Der Pfarrer ließ mich allein, nachdem er mir alles gezeigt hatte. Er ging zu den Soldaten ins Lazarett. Ich bin mit Frl. S. zusammen, das ist eine 65 jährige Dame, die nachmittags die Bibliothek übernimmt und die sonstigen Eingänge bucht, Herr W. ist nur vormittags da.

Am schönsten finde ich, daß ich so ganz für mich bin in dem außerordentlich gut geheizten Raum, ich sitze am Schreibtisch, weißt [Du]?, links von mir ist das große Fenster mit dem Blick nach der Straßenkreuzung, Du! Wenn Du aus dem Bus steigest, oder vom Zug kämest – ich könnte Dich sehen! Aber das passiert so leicht nicht jetzt, gelt? Und ob Du dann gerade in der Zeit von ½ 3 [Uhr] – ½ 6 [Uhr] ankämest, an dem einen Tag? Ach Du!! Du! Es kann ja nicht sein, Du! Ich muß noch fein geduldig warten.

Ach Herzelein! Du weißt! Ich tu's ja auch! Wir warten alle beide! Und eines so sehnsüchtig wie das andere. Aber auch eines so lieb und treu wie das andere, gelt? Liebster! Als ich nachhause kam gestern, war Besuch da. Frau G. mit der Trudi. Sie hatten schon seit ½ 4 [Uhr] gesessen und sich mit Mutter unterhalten. Bis gegen ½ 8 [Uhr] blieben sie noch, ich mußte ihnen versprechen, heute abend zu Besuch zu kommen, weil Trudi am Sonnabend wieder weg fährt. Na, ich habe zugesagt. Ich werde meine Handarbeit mitnehmen.

Gestern Abend im Kursus sprach Dr. H. Das war der schönste Abend im ganzen Kursus. „Kein Krieg ohne Seuchen.“

Sehr interessant und lehrreich war sein Vortrag. Und ich wünschte mir, daß er uns noch [ein] paarmal besuchte. Das Fleckfieber sei in vereinzelten Fällen im Umlauf. Es kommt daher, weil erstens etliche Männer vom Osten, wo vermutlich die Ausgangsstelle dieser ansteckenden Krankheit zu suchen ist, jetzt in Urlaub da sind, oder waren. Das Mitbringsel, das unvermeidliche [sic], die Kleiderlaus sorgt für die Verbreitung. Er sagte uns, daß wir sofort Meldung machen, wenn irgendwo Verdächtige sind. Man muß mit allen Mitteln versuchen, eine Verbreitung solcher Krankheiten zu unterbinden. Seine Fälle, im Lazarett sind nach Chemnitz überwiesen, sie liegen in der Carantaine [sic] (so sagte er) das soll wohl heißen: isoliert= abgetrennt? Na, hier drinnen wird ja wohl alles get[a]n, einem eventuellen Auftreten einer Seuche entgegenzutreten. Aber es ist mir von Nutzen, wenn man hierüber aufgeklärt ist.

Du siehst also, Herzelein! Meine Tage sind ganz schön ausgefüllt! Und ich bin auch froh; denn zum Grübeln und Nachdenken bleibt noch genug Zeit abends im Bett. Arbeit und Beschäftigung vertreibt die Sorgen! Ach Du! Gott wird seine Hand nicht von uns nehmen! Das kann doch nicht sein!

Geliebter [Roland]! Die Uhr rückt auf 3 [Uhr]! Kinderschar! Na, Frau [Nordhoff], was geschah in dieser Woche, welche bedeutenden Tage enthält sie[?]

Gestern: Parteigründungstag!

Heute: 100. Todestag von Karl May!

Sowas darf man als angehende Erzieherin nicht vergessen!!!

Ach Herzelein! Wie wir uns nun die Zeit vertreiben müssen! Wäre nur erst der Tag da, wo wir miteinander an unserem Leben bauen könnten! Gott sei uns gnädig!

Er schütze Dich! Ich bin und bleibe in Liebe und Treue immer Deine [Hilde].

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Autor Hilde Nordhoff
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Hilde Nordhoff

Foto von Hilde Nordhoff. Nahaufnahme, Person im Sommerkleid, im Hintergrund Bäume.
Ba-OBF K01.Ff2_.A12. Hilde Nordhoff, 1940, Oberfrohna, Fotograf unbekannt, Ausschnitt aus Fotoalbum.

Hilde Nordhoff wurde 1920 als Hilde Laube in eine Arbeiterfamilie in Oberfrohna, eine Kleinstadt in Sachsen, hineingeboren. Sie arbeitete ein Jahr lang als Hausangestellte, dann in einem Trikotagenwerk.

Sie kannte Roland Nordhoff aus der Kantorei in Oberfrohna und trat sogar der evangelischen

Über die Korrespondenz

Oberfrohna

Fotografie des Brautpaars Nordhoff am Tag ihrer Hochzeit vor dem Portal der Kirche.

Das Konvolut aus Oberfrohna befindet sich gut erhalten in privaten Händen in Deutschland. Es umfasst 24 Aktenordner mit ca. 2600 Briefen, die zwischen 1 und 20 Seiten lang sind. Der Briefwechsel beginnt im Mai 1938 und dauert, mit einigen kurzen (Urlaubs bedingten) Unterbrechungen, bis Februar 1946