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[OBF-420225-001-01]
Briefkorpus

Mittwoch, den 25. Februar 42

Mein liebes, teures Weib! Meine liebe, liebste [Hilde]!

Dein lieber Bote ist wieder zu mir gekommen heute, Mittelpunkt und Sonnenkraft meines Tages, Geliebte! Acht Tage lang ist die Post gut gegangen, sechs Tage braucht sie bis zu mir. Heimwärts geht sie meist ein wenig schneller – und Du wirst nun auch von mir Nachricht haben. Schrieb ich Dir schon, daß auch Deine Boten samt den Nachzüglern in meiner Hand sind? Herzelein! Auch die ganz dicken aus den Tagen kurz vor dem Urlaub, die schier bersten wollen vor Liebe und Freude und Ungeduld! Du!!! Du!!!!!

Horch mal auf: hörst Du es rauschen? In der sechsten Abendstunde verfinsterte sich der Himmel, der den ganzen Tag verhangen war, und es begann zu regnen, ganz warm, und der Regen hat noch nicht aufgehört, zeitweise schwillt er an zu wolkenbruchartiger Heftigkeit. Und daheim schneit es noch und noch. Dieser Wechsel und diese Verschiedenheit wollen einmal einem gar nicht recht in den Sinn. Es war mir hier unten die Vorstellung von dem harten Wintersmann doch ganz entschwunden. Er hat seinem Ruf alle Ehre gemacht und möchte nun bald seinen Abschied nehmen. Er soll so im Frieden wiederkommen, da werden sich alle freuen, und vielleicht sind dann unter den vielen Skihäserln auch zwei Langbeine, zwei unzertrennliche, ich glaube [Hilde] und [Roland] heißen sie. Ich danke auch schön für die Grüße, die Du mir von G.s bestellst. Freilich war es ärgerlich, daß wir einander verfehlten. Aber unser Programm war auch wirklich rappelvoll. Ist das nicht eine schreckliche Kutscherei? Erst mal westwärts nach Karlsruhe – und dann wieder zurück in endlosen Bahnfahrten durch Deutschland und hinein in die fürchterliche Weite! Und das in diesem Alter! Diese Soldaten setzen wohl ein paar Lebensjahre zu bei diesem Kriege. Dabei hat der Offizier eine ganz lange Reihe von Annehmlichkeiten, die der gemeine Soldat nur von Ferne si[eh]t, wenn er nur gesund wiederkommt! Gottlob sind die Nachrichten von Siegfried einigermaßen gut. In seinem Briefe bedauert auch er den Infanteristen, der vorn am Feind Wache halten muss in Schnee und Kälte. Manchem wird die Kriegslust dabei vergangen sein. Das dachte man auch, als der erste Weltkrieg zu Ende ging, daß die Menschen wohl nun auf hundert Jahre hinaus genug hätten von diesem Wahnsinn. Aber das Gedächtnis der Menschheit ist gar kurz, in jeder Beziehung, und die Vernunft ist ein Schwächling gegenüber Neid und Haß. Letz[t]licht hat sie beiden nur immer dienen müssen, indem sie immer grausamere Waffen ersann, damit Haß und Neid sich austoben konnten.

Herzlieb! Was ich gestern zu Deinem neuen Amte schrieb, das bewegt mich immer noch und Du wirst auch gemerkt haben, daß es mir wichtig ist. Wir brauchen nach keines Menschen Gunst zu schielen und uns keines Menschen-Willkür zu unterwerfen. Das ist unsere Freiheit und zugleich unser Stolz und unsre Ehre[.] Wir können und mögen beide nur in solcher Freiheit leben. Sie zu verteidigen und zu erhalten ist unser beider Streben. Wir lassen sie uns von niemandem streitig machen, und wer es versuchte, der ist unser Feind. Diese Freiheit zu wahren ist zumal die Aufgabe Deines Mannerli. Ich habe die beste Gelegenheit hier zu sehen, wie dieser und jener „mit drin hängt“, wie er damit hörig wird, unfrei in Meinung und Entschlüssen, wie er sich sozusagen verkauft. (Aber auch die Frau) Was der Uneingeweihte und Außenstehende nicht weiß und vermutet: wie auch bei Soldatens [sic] „die gute Beziehung“ alles ist, gute Beziehung in allen Abstufungen vom persönlichen Wohlwollen bis zum „eine Hand wäscht die andere“.

Aber auch die Frau kann die Freiheit wahren helfen, indem sie nicht schwatzhaft ist und indem sie mit gutem Bedacht die Person wählt, die sie ins Vertrauen ziehen will.

Du! Darum bin ich doch überhaupt nicht bange mit Dir!

Und darin sollst Du mich auch nie mehr mißverstehen: ich glaube an Deine Liebe – ich glaube an unser Glück! Geliebte mein! Herzallerliebste, Du!!! Alle Kräfte fließen ihr zu! Und ich werde nie ablassen, Dich zu lieben! Ach Herzelein! Wir halten einander doch sooo fest! Wir haben einander von ganzem Herzen lieb! Diese Liebe füllt uns ganz aus – erfüllt unsre Herzen mit Glück und Sonnenschein – erfüllt unser Leben, unser ganzes Leben und stellt uns so große Aufgaben – gibt unserem Leben Sinn und Ziel – und wir dürfen hoffen, daß, was gut begann, zu gutem Gelingen führen wird. Unser Leben liegt vor uns als eine große Arbeit und Aufgabe. Beide haben wir sie uns gestellt, Seit an Seite wollen wir sie erfüllen. Ach Herzelein! Ich fände kein Menschenkind, mit dem ich sie lieber anpackte, dem ich sooo ganz vertrauen könnte. Du bist mein liebster Gesell! Mein liebes, einziges Weib! Dich muß ich sooo sehr liebhaben. Dir g kann ich ganz mich geben. Du! Du!!!!! !!!!! !!!

Gott behüte Dich auf allen Wegen!

Herzelein! Ich halte Dich ganz fest! Ich küsse Dich!

Ich liebe Dich! Meine Sonne, Du, mein Leben! Ich bleibe ewig Dein!

Ganz

Dein [Roland]

Bitte grüße die lieben Eltern.

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Autor Roland Nordhoff
Korrespondenz Oberfrohna
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Über den Autor

Roland Nordhoff

Foto von Roland Nordhoff. Nahaufnahme, Person sitzend in einem Fensterrahmen.
Ba-OBF K01.Ff2_.A39, Roland Nordhoff, 1940, wahrscheinlich Bülk, Fotograf unbekannt, Ausschnitt.

 

Roland Nordhoff wurde 1907 in eine bürgerliche Familie in einem ländlichen Dorf im östlichen Sachsen, Kamenz, hineingeboren. Nachdem er ein Musikstudium aufgegeben hatte, arbeitete er als Dorflehrer in Oberfrohna, nahe Chemnitz. Im Frühjahr 1938 wurde er nach Lichtenhain in Sachsen versetzt

Über die Korrespondenz

Oberfrohna

Fotografie des Brautpaars Nordhoff am Tag ihrer Hochzeit vor dem Portal der Kirche.

Das Konvolut aus Oberfrohna befindet sich gut erhalten in privaten Händen in Deutschland. Es umfasst 24 Aktenordner mit ca. 2600 Briefen, die zwischen 1 und 20 Seiten lang sind. Der Briefwechsel beginnt im Mai 1938 und dauert, mit einigen kurzen (Urlaubs bedingten) Unterbrechungen, bis Februar 1946