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[OBF-420224-001-01]
Briefkorpus

Dienstag, den 24. Februar 1942

Herzensschätzelein! Meine liebe, liebste [Hilde]!

Nun ist Dein erster Bote bei mir, wie ich es mir dachte! Endlich! Geliebte! Ist es doch, als ob ich nun Deine Hand wieder in der meinen fühlte, als ob eine Tür aufgetan wäre. Ach Geliebte! Nun können wir wieder gleichen Schrittes nebeneinandergehen, nun fühlen wir unsre Herzen wieder schlagen. Vielleicht hast auch Du heute meinen ersten Boten erhalten?

So, wie Du mir nun schreibst, habe ich es mir gedacht: Deine Boten sind nach Wien gegangen. Bald werden sie alle zu mir kommen. Sei von Herzen bedankt für Dein liebes Gedenken. Ich bin nun glücklich wieder an Ort und Stelle und habe mich auch schon wieder ein wenig eingelebt. Eben bin ich aus einem Konzert nach Hause [gekommen]. Auf dem Heimwege begleitete mich der Verwandte der Dora P., an den mir der Herr P. im Konzert der Bachgesellschaft Grüße auftrug. Er hatte auch das Konzert besucht. Wir unterhielten uns von Oberfrohna, und es war mir ganz heimatlich dabei zumute. Das Konzert war recht anregend. Es war schwach besucht. Den ganzen Tag war der Himmel heute tief verhangen, wie ich es hier noch nicht erlebte. Den ganzen Tag hat es geregnet, mal gröber, mal feiner. Heute Abend hat es sich beruhigt, der Mond bricht durch die Wolken.

Ach Herzelein! Ich bin sooo froh und dankbar, daß ich nun wieder Nachricht von Dir habe! Was ich zu der Neuigkeit sage, die Du mir mitteilst?

Gezuckt hat mir's um das Gesicht, Schätzelein, daß ich dir die Wahrheit sage.

Ich verstehe dich so gut. Du magst nicht ganz abseits stehen. Du kannst nun auf Deine Ämter hinweisen.

Du weißt, daß das all das auch Gegenstand meiner Sorge war und daß der Entschluß, irgendwo mit anzupacken, erschwert wird dadurch, daß man fast allerorts die gute Bereitwilligkeit zu helfen, zu dienen nicht mit dem lohnt, was man zumindestens verlangen kann: mit der nötigen Quittung. Herzelein! Wir gehören einander für dieses Leben. Ich bin Deiner Liebe ganz gewiß und kann Dir restlos vertrauen.

Aber wem kann ich Dich anvertrauen, mein Liebstes, mein Herzblatt?

Herzlieb! Ich werde mich nicht hindernd entgegenstellen. Es ist Notzeit, es ist Krieg. Nie würde ich Dich sonst aus der Hand geben!

Ich mag Dir nicht verhehlen, was ich denke.

Ich habe den Verdacht, daß der Pfarrer Deine Nähe sucht, deren ich ihn nicht für wert halte. Ich denke nicht an das Äußerste. Man kann seine Lust auch anders büßen. Ich vertraue dir auch darin: daß du unverzüglich die Konsequenzen ziehst, wenn dieser Verdacht sich bestätigt, und wenn Deine Würde als Frau, als mein liebes Weib, auch nur im Leisesten gekränkt wird. Die Kränkung, die man Dir zufügt, fügt man auch mir zu. Wer dich mißachtet, mißachtet auch mich; mit dem pflegen wir nicht die geringste Gemeinschaft, dem versagen wir uns, dem dienen wir nicht, freiwillig niemals. Wir sind nicht Knecht und Magd, die sich verdingen müssen. Ich stehe für Dich.

Herzelein! Dieses Ehrgefühl und diesen Stolz zu zeigen sind wir einander schuldig. Ehrgefühl und Stolz sind keine Herzenstugenden. Es sind Empfindlichkeiten, wohl mehr dem Manne eigen, sind schützende Schranken, die jeden Aufdringling zurückweisen, Schranken, die nur fallen vor den Menschen, die wir uns zu Freunden wählen.

Herzallerliebste! Du wirst mich verstehen. Daß ich überhaupt darum noch einmal so viel Worte verliere, es geschieht nicht aus Mißtrauen gegen Dich. Ich sage das alles aus klarer, ungetrübter Erkenntnis. Ich bin Dein und unseres Hauses Beschützer. Dieses männlichen, in seiner Art besonderen Schutzes kann die Frau nicht entraten [sic]. Auch Tapferkeit und Treue der Frau können ihn nicht ersetzen und machen ihn nicht überflüssig.

Ich hätte Dich nicht recht lieb und hielte Dich nicht recht wert, wenn ich in dem Augenblick, da Du aus diesem unmittelbaren Schutz auch nur [f]ür kurze Zeit heraustrittst, nichts davon sagte, was uns und Dir zum Schutze diente und wie gut und lieb ich Dich schützen möchte.

So und nicht anders sollst Du auch meinen Wunsch verstehen, daß ich Gelegenheit haben möchte, mich zu Deinen Unternehmungen zu äußern und Dir zu raten.

Ich habe Dich sooo unendlich lieb. Du bist mir sooo wert, meines Herzens Königin! Du bist mein Ein und Alles! Du weißt es. Und Du sollst es aus diesen Zeilen erkennen.

Ich liebe Dich. Ich bin sooo glücklich in Deiner Liebe! Und ich möchte nur alles Dir zuliebe tun und am allerliebsten um Dich sein: Dich zu schützen, den Sonnenschein Deiner Liebe zu trinken und Dir wieder Sonne sein.

Ich bin ganz Dein! Ewig

Dein [Roland]

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Autor Roland Nordhoff
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Über den Autor

Roland Nordhoff

Foto von Roland Nordhoff. Nahaufnahme, Person sitzend in einem Fensterrahmen.
Ba-OBF K01.Ff2_.A39, Roland Nordhoff, 1940, wahrscheinlich Bülk, Fotograf unbekannt, Ausschnitt.

 

Roland Nordhoff wurde 1907 in eine bürgerliche Familie in einem ländlichen Dorf im östlichen Sachsen, Kamenz, hineingeboren. Nachdem er ein Musikstudium aufgegeben hatte, arbeitete er als Dorflehrer in Oberfrohna, nahe Chemnitz. Im Frühjahr 1938 wurde er nach Lichtenhain in Sachsen versetzt

Über die Korrespondenz

Oberfrohna

Fotografie des Brautpaars Nordhoff am Tag ihrer Hochzeit vor dem Portal der Kirche.

Das Konvolut aus Oberfrohna befindet sich gut erhalten in privaten Händen in Deutschland. Es umfasst 24 Aktenordner mit ca. 2600 Briefen, die zwischen 1 und 20 Seiten lang sind. Der Briefwechsel beginnt im Mai 1938 und dauert, mit einigen kurzen (Urlaubs bedingten) Unterbrechungen, bis Februar 1946