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[OBF-420223-002-01]
Briefkorpus

Montag, am 23. Februar 1942.

Herzallerliebster! Mein geliebter, guter [Roland]!

Tauwetter herrscht bei uns, es rinnt und tropft und plätschert von den Dächern. Aber ehe die liebe Sonne den Schnee von den Straßen abgeleckt hat, wird wohl noch ein Weilchen hingehen; denn da liegt er zu hoch. Es scheint, wir kriegen nochmal neuen Schnee. Die Wolkenbildung läßt darauf schließen. Und der Volksmund sagt: „der Schnee, den die Sonne leckt, der kommt wieder.“ Na, wir werden ja sehen.

Ich habe doch am Vormittag so herzlich gelacht! Ich ging nach Limbach, um nach Garn für meinen weißen Pullover auszuschauen. Da begegnete mir Frau Lehrer G., wie wir nun so nebeneinander herlaufen, kommt uns der Herr Bürgermeister zu Oberfrohna entgegen, mit einer total verklebten Nase. Meine Nachbarin sagt lachend zu ihm: „Na, ihnen [sic] scheint aber der gestrige Tag nicht gut bekommen zu sein!“ Worauf er höchst peinlich berührt verneinte. Es war köstlich, mitanzusehen, wie unser alter gewichtiger Herr M., genannt Bürgermeister, mal etwas von seiner gemachten Würde einbüßte!!

Frau G. erzählte mir dann, daß auch ihr Mann mit dabei war gestern. Dem Bürgermeister hat jemand eins verwinkt mit dem Sp[at]en! Und ich denke bei mir, mit Berechnung! Er ist ein unbeliebter Mann. Einem anderen sei die halbe Fingerkuppe abgeschlagen worden. Überhaupt seien alle „freiwilligen Helfer“ mehr oder weniger beschädigt heimgekommen, sagte sie! Wer nichts abgekriegt hat von einem Werkzeug, der ist mit ’nem tüchtigen Muskelkater belohnt worden. Papa G. habe auch lamentiert! Ist es nicht spaßig, wenn man die Komik, die Wirkung dieser großherzigen Tat besieht?!

Tja, auch in der Heimat holt man sich noch Schrammen beim arbeiten! Wie würden sich diese Männer als aktive Soldaten ausnehmen?

Aber, es ist schon so: der Mensch ist ein Gewohnheitstier, er paßt sich jeder Lage an, wenn er muß. Und Lehrgeld zäahlen muß ein jeder. Wer den Schaden hat, braucht für den Spott nicht zu sorgen.

Herzelein! Es hat geklappt mit der Wolle. Ganz draußen an der „Wartburg“ ist ein Geschäft, da bekam ich noch meine Wolle. Ich muß aber 9 Punkte dafür zahlen. Das nützt nun alles nischt – ich brauche sie. Heute morgen habe ich Dir gleich ein feines Pfefferkuchenpäckel gepackt, auch einen Film legte ich bei. Und nun haben sie es auf der Post nicht mal angenommen! Zu ärgerlich. Für alle Anschriften mit Feldpostnummer ist bis auf weiteres Paketsperre. Bis zu 50g sind zulässig. Das ist ja lächerlich. Da mußt Du nun auch warten wie der Siegfried, liebes Herzelein!

Ach, Siegfried schrieb mir heute einen lieben Brief und der Hellmuth auch. Ich habe mich gefreut, es geht beiden noch gut. Das ist die Hauptsache, sie werden schon durchhalten. Wenn sie der Herrgott nur gesund erhält. Weißt? Ich lege Dir gleich mal beide Briefe mit bei. Schickst mir sie bitte zurück, gelt? So kannst gleich mal selbst lesen, was die beiden treiben. Nun bin ich bloß gespannt, wann von Dir ein Brief ankommt. Du!! Wenn nun überall Tauwetter ist, dann mu[ß] doch auch der Bahn- und Postverkehr besser klappen. Herzelein! Ich sehne mich nach einem lieben Wort von Dir! Du!! Ach, bald wird mein Warten belohnt sein.

Geliebter! Du bist doch mein ganzes Glück. Bist mein Ein und Alles auf Erden! Ach Du! Du mußt es wissen, mußt es fühlen, wie so lieb ich Dich habe! Du! Wie so unendlich lieb, mein [Roland]! Ich hab Dich ganz fest, ganz tief in mein Herz geschlossen, Geliebter! Niemand kann Dich mir herausreißen! Nimmermehr lasse ich Dich von mir, Du! Du!!!!!!!!!!!!! Ich liebe Dich! Ich bin Dein! Gott schütze und behüte Dich mir. Ich bleibe in inniger Liebe allezeit

ganz Deine [Hilde].

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Autor Hilde Nordhoff
Korrespondenz Oberfrohna
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Hilde Nordhoff

Foto von Hilde Nordhoff. Nahaufnahme, Person im Sommerkleid, im Hintergrund Bäume.
Ba-OBF K01.Ff2_.A12. Hilde Nordhoff, 1940, Oberfrohna, Fotograf unbekannt, Ausschnitt aus Fotoalbum.

Hilde Nordhoff wurde 1920 als Hilde Laube in eine Arbeiterfamilie in Oberfrohna, eine Kleinstadt in Sachsen, hineingeboren. Sie arbeitete ein Jahr lang als Hausangestellte, dann in einem Trikotagenwerk.

Sie kannte Roland Nordhoff aus der Kantorei in Oberfrohna und trat sogar der evangelischen

Über die Korrespondenz

Oberfrohna

Fotografie des Brautpaars Nordhoff am Tag ihrer Hochzeit vor dem Portal der Kirche.

Das Konvolut aus Oberfrohna befindet sich gut erhalten in privaten Händen in Deutschland. Es umfasst 24 Aktenordner mit ca. 2600 Briefen, die zwischen 1 und 20 Seiten lang sind. Der Briefwechsel beginnt im Mai 1938 und dauert, mit einigen kurzen (Urlaubs bedingten) Unterbrechungen, bis Februar 1946