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[OBF-420222-001-01]
Briefkorpus

Sonntag, den 22.Febr.1942

Herzensschätzelein! Meine liebe, liebste H[ilde]!

Vor vierzehn Tagen um diese Stunde – 2045 Uhr – da ruckte der Zug an, der mich Dir entführte, Geliebte, da begann die Unruhe der Reise, die nun endlich sich wieder gelegt hat. Ach Herzelein! Was stürmt und drängt alles zum Herzen in der Stunde des Abschieds!

Ich habe schon so oft reisen müssen und Abschied nehmen – aber so richtig und bedeutsam und schwer waren doch all diese Abschiede nicht, wie der Abschied es von Dir ist. Herzliebes. Die Hoffnung allein und der Glaube an Gottes Güte helfen ihn uns überwinden. Und dazu der Wille, dir wiederzukehren, der so mächtig ist wie der Wille zum Leben selber, zu meinem Leben, das mit Dir erst rechten Sinn und Wert und einen Mittelpunkt erhalten hat. Herzelein! Ein ganz neues Leben wird doch gemeinsam mit Dir beginnen – zum ersten Male auf eigenen Füßen, ein richtiger Mann, Herr eines Hauses. Bisher war ich doch immer noch ein Bub nur. Und alle Junggesellen bleiben doch in ihrem Leben eigentlich nur Buben.

Herzlieb! Wenn ich Dein denken will in diesen Tagen, so muß ich doch immer zurückdenken. Zu nahe liegt noch die schöne Zeit unseres Wiedersehens, zu weit noch und unbestimmt die des nächsten Wiedersehens. Und Deine Boten sind noch nicht bei mir. Aber in den nächsten Tagen, vielleicht morgen schon, kann ich sie erwarten. Ich freue mich ganz sehr darauf. In den nächsten Tagen wirst auch Du nun Nachricht von mir haben – und dann leben wir wieder miteinander, als ob gar keine Ferne zwischen uns wäre.

Wie wir den Sonntag verlebten? Ganz häuslich sind wir heute. Die Sonne mochte nicht scheinen. Grau der Himmel, rauh die Luft, bleiern das Meer. Kamerad K. hatte Sonntagsdienst. Ein prima Mittagessen gab es heute: Nudelsuppe, Huhn, fein, fein und viel! und Apfelmus. Ich hatte ein ganz strammes Bäuchlein.

Daheim angekommen haben wir erst die nötigen Handgriffe in unsrer Wirtschaft getan: Kohlen geholt, aufge[wa]schen, Proviant gefaßt, die Stube gewischt. So durchgearbeitet haben wir uns dann langgestreckt. Wir müssen mehrere Stücke unsrer Bekleidung abgeben morgen; die haben wir gesäubert und zurechtgelegt. Das Mannerli hat dann bis zum Dunkelwerden noch in Deinen lieben Boten gelesen. Und so ging der Nachmittag herum

Kamerad H. hat langsam für seine Reise gerüstet. Er darf, vielleicht morgen schon, in Urlaub fahren. Du weißt, dann gehen meine Gedanken doppelt schnell nach Hause, zu Dir, geliebtes Wesen! Sie gehen immer zu Dir! Und gehen in diesen Wochen zu Dir mit einer gewissen Spannung und Hoffnung, Du! Du!!!

Morgen in der Mittagspause wollen wir ein Bad nehmen. Unsre Badeanstalt ist wieder aufgetan und tut es jetzt um den vierfachen Preis. Am Dienstagnachmittag ist für mich Exerzierdienst. Am Dienstagabend möchte ich einen Kammermusikabend besuchen. Wenn ich mal ein bissel Luft habe, muß ich daran gehen, meine Schreibschulden zu tilgen. Zuerst ist Siegfried dran. Von ihm erhielt ich einen Brief vom 28. Januar. Siegfried hat am 5. März Geburtstag. Dann sind erst mal die Kamenzer Eltern dran. Ihnen muß ich den Eingang ihres Päckchens melden mit den Hosenträgern und der Mundharmonika. Nun habe ich zwei solche Schnutenhobel – da können wir zum Einzug in unser Heim eine schneidige Musik blasen. Ich halte nicht viel von dem unmusikalischen Instrument, das nur zwei Untermalungen kennt zur Melodie, und auf dem man viele Lieder falsch spielen muß, weil es fis und ♭ nicht von sich geben kann.

Was werdet Ihr denn heute angestellt haben? Ach, ich warte doch auf die Nachrichten von [zu] Hause, auf Deine lieben Boten! Ich freue mich auf Deine lieben Berichte. Ob denn noch Winter daheim ist? Ob Du dann wieder Dienst tust in vollem Umfange? Ob Du denn auch nicht frierst allein im Bettlein? Und ob Du Du mich auch noch liebhast? Oh Herzlieb Du verstehst mein Fragen. Du verstehst mein Warten! Und ich weiß: Du daheim wartest ebenso wie ich, und Dein Herz bewegen die gleichen Fragen.

Ob ich Dich liebhabe? Du! Du!!! Du!!!!! !!!!! !!! Oh Geliebte! Wenn ich den Weg nicht hätte zu Deinem Herzen – wenn ich die Heimat nicht hätte, die Du mir bewahrst – ich möchte nicht mehr leben. Deine Liebe erst verleiht meinem Leben noch Sinn und Wert, Freude und Sonnenschein, Mut und Kraft.

Gott sei uns gnädig! Er sei mit Dir auf allen Wegen!

Ich bleibe in Liebe und Freud Dein [Roland],

Dein Herzensmannerli. Ich drücke Dich an mich voll inniger Liebe – ich küsse Dich! Du! Mein Herzelein! Mein geliebtes Weib!

Viel liebe Grüße den Eltern

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Autor Roland Nordhoff
Korrespondenz Oberfrohna
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Über den Autor

Roland Nordhoff

Foto von Roland Nordhoff. Nahaufnahme, Person sitzend in einem Fensterrahmen.
Ba-OBF K01.Ff2_.A39, Roland Nordhoff, 1940, wahrscheinlich Bülk, Fotograf unbekannt, Ausschnitt.

 

Roland Nordhoff wurde 1907 in eine bürgerliche Familie in einem ländlichen Dorf im östlichen Sachsen, Kamenz, hineingeboren. Nachdem er ein Musikstudium aufgegeben hatte, arbeitete er als Dorflehrer in Oberfrohna, nahe Chemnitz. Im Frühjahr 1938 wurde er nach Lichtenhain in Sachsen versetzt

Über die Korrespondenz

Oberfrohna

Fotografie des Brautpaars Nordhoff am Tag ihrer Hochzeit vor dem Portal der Kirche.

Das Konvolut aus Oberfrohna befindet sich gut erhalten in privaten Händen in Deutschland. Es umfasst 24 Aktenordner mit ca. 2600 Briefen, die zwischen 1 und 20 Seiten lang sind. Der Briefwechsel beginnt im Mai 1938 und dauert, mit einigen kurzen (Urlaubs bedingten) Unterbrechungen, bis Februar 1946