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[OBF-420221-001-01]
Briefkorpus

4)

Sonnabend, den 21. Februar 42

Herzallerliebstes Schätzelein! Meine liebste [Hilde]!

Deine lieben Boten gehen immer noch nach Wien; denn sonst müßte ich längst einen erhalten haben. Ich habe schon gerechnet, daß ich nun am Dienstag den ersten Boten erwarten kann – und die andern alle kommen dann noch, zur Belohnung für die Geduld – ja? Schätzelein! Ach, es ist doch jetzt noch gar nicht schwer, geduldig zu sein. Soviele Boten habe ich hier schon. Und noch ist mein Herz ganz erfüllt von dem Erleben unsrer gemeinsamen Tage, von Deiner Liebe, Du! Du!!!

Ach Herzelein! Wie hat doch die Liebe soviel Macht über uns, hat uns ganz eingenommen! Ganz offen halten wir unsre Herzen füreinander, so offen wie unsre Arme, daß wir einander fest und innig umschlingen. Herzelein! Nur die Liebe hat Raum zwischen uns. So frei wir einander gegenüberstanden und uns näherten von Anbeginn, so hat jetzt nur die Liebe Raum zwischen uns. Sie überstrahlt alles, sie schmilzt alles ein, alles muß ihr zur Nahrung dienen, alle Aufgaben und Sorgen müssen ihr zu Pfeilern und Brücken werden! Herzlieb, ich kann mir gar nicht denken, daß es einmal anders sein sollte zwischen uns. Von mir aus kann es nicht anders werden. Und von Dir? – Oh Du!!! Du!!!!! Du hast mich sooo sooooo lieb! Ach Herzlieb! Ich fühl es noch, Du! Du!!! Geliebte!

Es ist Sonnabendmittag. Wir sitzen alle drei am Tische und schreiben. Die Kameraden haben Post bekommen. Sie geht jetzt wieder gut regelmäßig. Auch der Urlaub ist wieder im Gang. Damit sind alle Gerüchtemacher wieder einmal bloßgestellt, die im Januar davon sprachen, daß eine Sperre bis zum 27. Mai zu erwarten sei. Heute in der Früh war ich beim Arzt und habe mir das Zeugnis ausstellen lassen. Ich lege es bei. Wieder etwas, Herzelein, das mit unsrer Zukunft zu tun hat, ich freue mich darum auch um Deinetwillen. Kamerad K. machte mich darauf aufmerksam, daß man auch gut im Nachbarort Gohrisch wohnen könne, das liegt auf der Höhe, ein bekannter, gepflegter Sommerfrischenort, von Königstein in 20 Minuten zu erreichen, bei schlechtem Wetter auch mit dem Omnibus.

Auf dem Rückweg vom Arzt habe ich Deine Schuhe mitgebracht. Gestern hatte ich nicht Geld genug mit. Fein sind sie. Ich möchte Mutsch auch noch gern paar besorgen. Dazu brauchte ich Freitag mal noch paar Braune. Der Verkäufer fragte mich nach Sacharin [sic]. Schick mir doch mal ein Quantum, es muß ja nicht gleich ein Zentner sein. Die Braunen müßten natürlich i[m] Päckchen gut verwahrt werden.

Heute schicke ich Dir das Teepäckchen ab. Ich kaufe davon gelegentlich noch mehr zum Vorrat für nächsten Winter.

Kamerad H. erhielt heute von seiner Frau Nachricht, daß sie die Überraschung schon erhalten hat. Er hat mir gestern auch anvertraut, daß seine Frau ein Kindlein erwartet.

Kann doch der Storch gar nicht gewesen sein, der zieht doch schon Anfang September ab. Na, was willst Du Deinem Buben nun sagen? Du! Du!!! Ich glaub, der kennt den Storch schon mit dem langen Schnabel! Hast Du wohl aufgemerkt, als wir im Urlaub mit den Eltern darüber ins Gespräch kamen? Mama sagte ja, Papa sagte nein -  -  - Ach Du! Darum wäre mir wenig bange, daß Du mit dem Kindlein keine Herberge hättest. Vater würde sich ebenso froh dreinschicken – und Du würdest mit Fleiß und Umsicht alles tun, daß alle so viel wie gar keine Beschwerden davon hätten. –

Und doch wäre es nicht so, wie wir es uns wünschen, gelt, Herzliebes? Du! Du!!! Herrin sein im eigenen Hause, das gehört zur Frau und das wünschst auch Du Dir! Du wartest mit mir, Du Liebe!

Dein Mannerli wartet sehnlich der Stunde, da er sein liebes Weib wirklich heimführen kann – und mein Herzensschätzelein darauf, daß es mir das liebste und schönste Heim bereiten kann auf Erden. Und das wird es doch auch: der allerliebste Ort auf Erden, ja Du! Weil ich Dich dort finde – Dich! Du!!! Geliebte! Meine [Hilde]! Bei Dir ist der liebste Ort, bei Dir ist meine Heimat, Du! Du!!!

Schätzelein! Hier habe ich vorhin aufgehört. Um 5 Uhr bin ich zum Abendessen nach dem Hafen gefahren. Die Straßenbahnen sind wieder in Betrieb zu gewissen Stunden. Es gab guten Reis mit Hühnerbrühe, morgen gibt es wahrscheinlich die Hühner. Für die Abendstunden hatte ich mit Kamerad K. einen Spaziergang verabredet. Durch die Stadt sind wir an der Zitadelle vorbei nach einem der nächsten Vorberge gestiegen. In der Stadt noch geschäftiges, sonnabendliches Treiben. Es ist doch noch allerhand gute Laune unter der Bevölkerung. Doppelt öde und trostlos muten dann die Schluchten und kahlen Höhen an – der Blick über Stadt und Bucht versöhnt auch damit. Das Wetter jetzt? Die Sonne hat sich rar gemacht. Sie kommt nur um Mittag ein wenig durch. Sonst war es diese Tage noch recht kühl. Heute lag Reif auf dem Dach unsrer Kombüse. Ich habe noch meinen Pullover an. Schätzelein. Deine Erkältung habe ich doch mitgenommen, daß ich sie hier aus- und abschütteln kann. Vorgestern und gestern hatte ich Halsschmerzen und war heiser. Heute ist nur noch ein wenig Heiserkeit. Brauchst Dich nicht zu sorgen.

Herzelein! 14 Tage sind schon wieder dahingegangen seit unserem Abschied. Mancherlei kann und wird sich in den nächsten Wochen entscheiden. Ich weiß: Du wartest und betest und vertraust mit mir. Es wird alles sich zu unserem Besten wenden.

Nun werdet Ihr zu dritt wieder beisammensitzen und Feierabend halten. Und die Gedanken finden keine rechte Ruhe. Immer gehen sie davon, hinaus – so wie die meinen nach Hause zu Euch, zu Dir, Geliebte! Sie finden nicht eher wieder rechte Ruhe, als bis wir beieinander sind.

Und so ist überall in der Welt eine große Unruhe eingezogen, eine Unruhe der Herzen. Diese Unruhe macht die Herzen schwächer und älter. Geliebte! Die Unruhe unsrer Herzen ist nur klein. Wir wissen uns in Gottes Hand. Wir sind unsrer Liebe gewiß! Wir halten einander die Treue bis in den Tod! Gott schenke uns feste, stete Herzen!

Er behüte Dich auf allen Wegen! Herzelein! Ich denke Dein voll Liebe und Innigkeit! Ich bin sooo glücklich in Deiner Liebe! Ich halte Dich ganz lieb umfangen! Du! Du!!! Mein liebes, einziges Weib! Du! Meine liebe [Hilde]! Ich küsse Dich! Ich liebe Dich! Du! Du!!! Du!!!!! !!!!! !!! Ich bleibe Dein! Ganz Dein! Ewig Dein [Roland].

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Autor Roland Nordhoff
Korrespondenz Oberfrohna
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Über den Autor

Roland Nordhoff

Foto von Roland Nordhoff. Nahaufnahme, Person sitzend in einem Fensterrahmen.
Ba-OBF K01.Ff2_.A39, Roland Nordhoff, 1940, wahrscheinlich Bülk, Fotograf unbekannt, Ausschnitt.

 

Roland Nordhoff wurde 1907 in eine bürgerliche Familie in einem ländlichen Dorf im östlichen Sachsen, Kamenz, hineingeboren. Nachdem er ein Musikstudium aufgegeben hatte, arbeitete er als Dorflehrer in Oberfrohna, nahe Chemnitz. Im Frühjahr 1938 wurde er nach Lichtenhain in Sachsen versetzt

Über die Korrespondenz

Oberfrohna

Fotografie des Brautpaars Nordhoff am Tag ihrer Hochzeit vor dem Portal der Kirche.

Das Konvolut aus Oberfrohna befindet sich gut erhalten in privaten Händen in Deutschland. Es umfasst 24 Aktenordner mit ca. 2600 Briefen, die zwischen 1 und 20 Seiten lang sind. Der Briefwechsel beginnt im Mai 1938 und dauert, mit einigen kurzen (Urlaubs bedingten) Unterbrechungen, bis Februar 1946