Bitte warten...

[OBF-420220-001-01]
Briefkorpus

Freitag, den 20. Februar 1942

Geliebtes, teures Herz! Du meine liebe [Hilde]!

Herzelein! So schnell ist der Tag vergangen über den Geschäften, Dein Mannerli war heute fleißig, und hat verschiedentlich Ordnung geschafft, wo es nottat. Es ist immer wieder ulkig zu sehen, wie einem die Fäden in die Hände zurückgleiten. Und es ist ein buntes Vielerlei, das da wieder der Erledigung harrt – und mit jedem Male steht man ihm freier und sicherer gegenüber.

Viel geträumt habe ich in der vergangenen Nacht – von Familienfesten mit vielen Verwandten, und Du Herzensschätzelein warst auch dabei, warst mir die nächste, und ein paarmal habe ich Dich gesucht – auf Einzelheiten besinne ich mich nicht mehr – aber gerne habe ich so geträumt!

Das Wecken morgens richtet sich nach der Helligkeit. Um 6 Uhr ist es noch ziemlich dunkel. Die Tageseinteilung ist noch dieselbe, nur daß der Dienst in der Kompanie bloß bis abends 6 Uhr geht. Nach dem Essen war ich in der Stadt. In den 4 Wochen seit meiner Abreise ist alles teurer geworden. Meine erste Umschau und Nachfrage galt einem Paar Stiefelein für mein Herzlieb. Gibt es gar nicht mehr, nur auf Bezugschein, dann kosten sie 80 Mark. Aber diesen Bezugschein erhalten wir nicht: Und ohne ihn kosten die Stiefelein das Doppelte, weil das Leder im Preis rapid gestiegen ist. Das war nun freilich eine betrübliche Auskunft. Heute bin ich gleich wieder aus gewesen, damit ich mein Geld anlege, ehe es noch mehr an Wert verliert. Habe ein Paar feine Schuhe für mein Herzelein erstanden, wirst Freude daran haben.

Man sieht in der Stadt jetzt viel ausgezehrte, mißmutige Gesichter. Es gibt wenig zu beißen. An einer Straßenecke stand ein Vater mit 4 Kindern im Alter von ein bis vier Jahren. Das jüngste trug er auf dem Arm. Die drei anderen kauerten neben ihm – ausgezehrt, abgemagert, wie Gespenster, zwei davon sind bestimmt vor dem Hungertode nicht mehr zu bewahren. Es war ein erschütternder Anblick. Es ist auch eine Anklage gegen die Griechen selber. Müßten sie nicht diesen Ärmsten kameradschaftlich unter die Arme greifen? Bald wird die Sonne wärmend scheinen und das Los vieler Menschen wieder erträglicher machen.

Ach Schätzelein! Wie gut können wir hier und Ihr daheim dagegen noch leben!

Du! Meine Zunge und Gaumen sind noch recht verwöhnt von all dem Guten, das Du ihnen reichtest. Ich muß mich an das „Essen in Uniform" erst wieder gewöhnen.

Herzlieb! Neben mir liegt ein ganzer Stoß Briefe, die lieben Boten, die Du mir sandtest, als ich schon auf dem Wege zu Dir war – und der letzte davon doch eben erst abgefertigt, als ich eben zur Tür hereintrat. Oh Herzelein! Wie müssen wir Gott danken, daß er unseren Herzenswunsch erfüllte und uns zusammenführte!

Und nun sehe ich, wie Du Liebes mein gewartet hast – oh Du! Sooo lieb und treu und sehnsüchtig! Wie Du mich zu Dir gezogen hast. Wie Du mein gewartet hast! „Was wirst Du denn jetzt treiben? Es ist gerade um 3 Uhr. Hast noch bis 5 [Uhr] Dienst? Wirst Du dann Feiertag halten? Ach – wenn ich doch gleich eine Wunderbrille hätte, daß ich Dich sehen könnte! Bloß einmal möchte ich Dich sehen!" Du Liebe, Liebste!!! Und zwei Stunden später stand das Mannerli wahrhaftig in Deinem Stübchen, Du!!!

Hast es sooo herbeigewünscht, herbeigesehnt, -gezogen – aus übergroßer Liebe, Du! Du!!!

Ach Herzelein! So, wie Du gewartet, gebangt und gebetet hast, so bewegt von Unruhe und Liebe – so hat es mich getrieben und gezogen heim zu Dir, zu Dir!!!

Herzensschätzelein! Und diese Liebe, die große, mächtige, sie bleibt uns, sie ist auch jetzt immer mit uns, da wir getrennt voneinander sein müssen. Herzelein! Ich mein – der Brunnen unsrer Liebe ist unerschöpflich dies ganze Leben, unversieglich ihre Quellen! Mit Leib und Seele hangen [sic] wir für immer zusammen – und jedem Arm, den mein Wesen ausstreckt nach dem Du, nach seiner Ergänzung, kommt ein Arm von Dir entgegen – und mit tausend feinen Würzelchen hat sich Herz in Herz gesenkt, Geliebte!!! Unzertrennlich! Unlöslich! Unverlierbar!

Oh Schätzelein! So unendlich weit diese Welt ist und so unzählig groß die Menge der Schicksale – so innig und fest sind wir doch miteinander verbunden, so bestimmt und einzig scheint uns unser Schicksale. In Gottes Hände befehlen wir es. Er sei uns gnädig. Er stärke uns im Glauben. Er behüte Dich auf allen Wegen!

Bleib mir froh und gesund. Oh Herzlieb! Weil Du an meiner Seite bist, kann kein Leid und Schmerz mich so tief beugen, daß ich nicht zutiefst im Herzen froh und reich und dankbar bleibe, weil Du mich liebst, weil Du Dich mir zu Eigen gabst, und weil ich ganz Dein Eigen sein darf! Oh Herzelein! Du bist meines Lebens einziger Schatz, Freude und Sonnenschein! Mit Dir bin ich sooo reich und glücklich!

Ich liebe Dich! Ich küsse Dich herzinnig!

Ich bleibe ewig Dein! Ganz Dein!

Dein Mannerli, Dein [Roland]!

Du! Mein liebes Weib! Mein Frauchen!

Mein Herzblümelein! Du!!! Ich liebe Dich!!!

Karte
Kommentare
Einordnung
Gesendet am
Gesendet aus
Autor Roland Nordhoff
Korrespondenz Oberfrohna
Über den Autor

Roland Nordhoff

Foto von Roland Nordhoff. Nahaufnahme, Person sitzend in einem Fensterrahmen.
Ba-OBF K01.Ff2_.A39, Roland Nordhoff, 1940, wahrscheinlich Bülk, Fotograf unbekannt, Ausschnitt.

 

Roland Nordhoff wurde 1907 in eine bürgerliche Familie in einem ländlichen Dorf im östlichen Sachsen, Kamenz, hineingeboren. Nachdem er ein Musikstudium aufgegeben hatte, arbeitete er als Dorflehrer in Oberfrohna, nahe Chemnitz. Im Frühjahr 1938 wurde er nach Lichtenhain in Sachsen versetzt

Über die Korrespondenz

Oberfrohna

Fotografie des Brautpaars Nordhoff am Tag ihrer Hochzeit vor dem Portal der Kirche.

Das Konvolut aus Oberfrohna befindet sich gut erhalten in privaten Händen in Deutschland. Es umfasst 24 Aktenordner mit ca. 2600 Briefen, die zwischen 1 und 20 Seiten lang sind. Der Briefwechsel beginnt im Mai 1938 und dauert, mit einigen kurzen (Urlaubs bedingten) Unterbrechungen, bis Februar 1946