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[OBF-420219-002-01]
Briefkorpus

Donnerstag, am 19.II.1942.

Herzensschätzelein! Mein lieber, guter [Roland]!

Nun bin ich wieder soweit, daß ich mich zu Dir setzen kann und mit Dir plaudern. Wo magst Du denn um diese Stunde sein, was magst Du treiben? Nachmittag ist, die Uhr zeigt auf ½ 3 [Uhr]. Mutsch sitzt mit ihrem Strickzeug in Ofennähe, sie ist emsig bei der Sache; denn sie macht aus Alt Neu. Oder muß ich's klein schreiben?

Draußen hat wieder ein Schneetreiben begonnen, als wäre eine bestimmte Höhe erwünscht von uns Menschen, die uns der Petrus zu erfüllen bemüht ist. Ich bin beinahe bange, daß wir noch im Schnee ersticken, Du! Meine Buben kamen alle mit Brettern zur Schar. Wer keine hatte, brachte seinen Schlitten mit. Doch ich bin nicht mit rodeln gegangen. Erstens hatte ich schon meinen Plan für den Nachmittag, zweitens war ich auch garnicht darnach angezogen. Ich ließ sie aber dafür ½ Stunde eher

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gehen, damit sie sich noch im Schnee tummeln konnten. Ich bin anschließend noch zu G.s gegangen! Es hat endlich mal geklappt mit der Zeit. Die Trudi ist auch zuhause, denke nur! Sie hat Erholungsurlaub 14 Tage. Sieht noch sehr blaß aus. Aber die Dicke hat sie noch beibehalten. Nun mußte ich mich erst entschuldigen, weil wir nicht gekommen waren damals. Sie hatten den ganzen Nachmittag gewartet auf uns, am anderen Tage nach unserm "Besuch im Korridor". Herr G. hat es bedauert! Und ich habe mich dann geärgert innerlich, daß wir's versäumten. Na – nun läßt sich's nicht ändern. Er hat viel erzählt von seinen Erlebnissen in Rußland. Schade, daß ich Dir hier nicht alles erzählen kann. Ich will's mir aufmerken für's nächste Zu[s]ammensein, Du! Weil ich gerade den Atlas bei mir hatte, zeigte er mir gleich seine ganze 'Reiseroute'. Schaurig-schön ist es gewesen. Und zu allem Unglück sind seine ganzen schönen Kleidungsstücke und andre Sachen in einem großen Koffer noch draußen! 3 km hinter

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der Front. Er hat keine Hoffnung, daß er dies jemals wiedersieht, denn durch das Zurückgehen kann es leicht den Russen in die Hände gefallen sein. Seine Frau ist ganz untröstlich, sie hat ihn vollkommen neu ausstaffieren müssen in Unterwäsche. Eine Punktkarte ist bald hops gegangen. Er muß morgen wieder fort. Nach Karl[sr]uhe, er ist einem Badischen Regiment zugeteilt. Aller Voraussicht [nach] geht's wieder nach Osten. Die Mittelfront, Südfront hat er kennen gelernt – nun glaubt er, nach Norden zu kommen. Es graut ihn auch, und er macht einem wenig Hoffnung. Weshalb er zurück mußte? Das Klima vertrug er nicht, Fieber kaum auf und steigerte sich. Er hat Tage und Nächte in Erdlöchern gehockt vorm Feind. Er kann erzählen! Und das konnte er nicht durchhalten.

Ich soll Dich nur recht herzlich grüßen! Er wird Dir mal schreiben!

Trudi wird als K.-Ä. (Kameradschafts-Älteste) [sic] im Lager bleiben und so ihren Kriegshilfsdienst ableisten. Das ist wenigstens eine Beruhigung für ihre Eltern. –

Heute kam auch wieder eine Brief von meinem Herzelein! Vom 23. Dezember! Du! Wie schön! Sie kommen alle noch!

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Und ganz unversehrt sind sie – ungeöffnet! Ach Herzelein! Wenn auch alles, was darinnen steht längst überholt worden ist an Traute und Herzinnigkeit, durch unser glückseliges Erleben des Zusammenseins! Alles, alles, was Du mir sagst aus einem Herzen voll überströmenden Glückes und Dankes, ach Du!!! Es bewegt mich doch so tief und so ganz wundersam, Geliebter! Du!!! Es ist die Bestätigung all dessen, das wir einander an Liebe und Zuneigung erwiesen in den Tagen unsres Zusammenseins. Oh Du!!! Es ist das frohe, jubelnde Bekenntnis aus Deinem Herzen, das voller Glück und Sonne ist, das ganz, ganz allein mir gehört! Ach herzliebes Schätzelein! Mein Glück, Du! Wie bist Du mir so unendlich lieb und wert und teuer! Alles, was mein Herz an Liebe fassen kann, Dir allein will ich es schenken. Oh Du!!! Du!!!!! Dich muß ich lieben! Lieben! Du sollst es niemals vergessen, daß ich nur Dir gehöre bis an mein Lebensende! Nichts kann mich von Dir reißen! Meine Liebe ist unvergänglich, wie die

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Sonne am Himmel, wie die Sterne droben. Oh Du! Dein bin ich und Dein will ich bleiben bis in alle Ewigkeit! Du!!! Du hast mein Herz! Du hast meine Liebe! Du hast mich so ganz, geliebtes Wesen! Und daß Du mir ferne bist, das macht mich unsres köstlichen Bundes, unsres großen Glückes nur noch tiefer eingedenk [sic], ich muß mit Dir im Herzen durch dieses Leben gehen – komme was wolle!! Du!!! Ich bin Dein! Ich liebe Dich!

Mein herzlieber [Roland]! Deine liebe Mutter hat mir auch geschrieben, sie fragt an, ob Du noch immer in Wien seist. Ich will ihr nur anschließend gleich Bericht erstatten, daß sie sich nicht unnötig sorgen. Vom Siegfried haben sie auch gute Nachricht. Er ist gesund, nur habe das Messer verkehrt geschnitten! Anstatt ins Brot, in die Finger! Dieser Brief ist vom 30.I, ein Kamerad hat den Brief mit befördern helfen, da er Urlaub hatte. Auch vom 4. Advent ist Nachricht eingegangen. Siegfried berichtet von Weihnachtsbescherung mit Kleintierzucht. Zu den Läusen haben sich auch

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noch Wanzen gesellt! Der Bedauernswerte! Hellmuth ist auch noch am alten Orte; denn Mutter schreibt: Elfriede ist gewiß wieder auf den Jeschken [sic], vielleicht ist sie stecken geblieben, oder eingeschneit, weil sie nicht schreibt! Ich soll nur nicht nach Wien fahren! Dort fände ich mich garnicht herum! Oder hätte ich An[gs]t, daß mein Hubo in den Prater geht??

Die Mutter hat ihre liebe Not, daß sie bei dem Wetter ihre „Bande“ zusammenhält! Na, so Gott will hat auch dieses Herumreisen bald mal ein Ende! Du!!! Aber – wenn Du nach Deutschland kommen solltest – was ich mir ganz sehr wünsche, Du! – dann geht die Reiserei erst nochmal so richtig los, gelt?

Ach Du! Uns ist doch kein Weg zu weit! Kein Umstand zu groß, zueinander zu kommen! Und wenn wir laufen müßten! Wir kämen zueinander! Ach Herzelein! Ich muß Dich sooo liebhaben! Weißt Du es noch? Du?!! Fühlst Du es?

Gott behüte Dich mir allezeit! Er erhalte Dich gesund und führe Dich bald, bald für immer zu mir! Ich liebe Dich! Ich küsse Dich! Ich bin ewig Dein!

Ob Du mir bald schreibst?

Viele Grüße von d. lb. Eltern! Deine [Hilde].

VI.[*]

 

[*= handgescriebene Seitenzahl, am unteren Blattrand]

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Autor Hilde Nordhoff
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Hilde Nordhoff

Foto von Hilde Nordhoff. Nahaufnahme, Person im Sommerkleid, im Hintergrund Bäume.
Ba-OBF K01.Ff2_.A12. Hilde Nordhoff, 1940, Oberfrohna, Fotograf unbekannt, Ausschnitt aus Fotoalbum.

Hilde Nordhoff wurde 1920 als Hilde Laube in eine Arbeiterfamilie in Oberfrohna, eine Kleinstadt in Sachsen, hineingeboren. Sie arbeitete ein Jahr lang als Hausangestellte, dann in einem Trikotagenwerk.

Sie kannte Roland Nordhoff aus der Kantorei in Oberfrohna und trat sogar der evangelischen

Über die Korrespondenz

Oberfrohna

Fotografie des Brautpaars Nordhoff am Tag ihrer Hochzeit vor dem Portal der Kirche.

Das Konvolut aus Oberfrohna befindet sich gut erhalten in privaten Händen in Deutschland. Es umfasst 24 Aktenordner mit ca. 2600 Briefen, die zwischen 1 und 20 Seiten lang sind. Der Briefwechsel beginnt im Mai 1938 und dauert, mit einigen kurzen (Urlaubs bedingten) Unterbrechungen, bis Februar 1946