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[OBF-420218-002-01]
Briefkorpus

Mittwoch, am 18. Februar 1942.

Herzensschätzelein! Mein geliebter, liebster [Roland]!

Bin ich doch gestern gegen abend wieder auf dem Postamt gewesen, um mir Deinen Boten heimzuholen! Und welche Überraschung wurde mir! Ich sah auf den Stempel, wie immer mit erstem Blicke, Graz 15.2.42 – 1700 [Uhr.] Mein Herzlieb ist fort! Abgereist!!

Und ich habe Dich doch noch verfolgt mit meinen Briefen, bis gestern! 6 Boten sandte ich nach Wien und einen einzigen hast Du nur bekommen? Daran kann nur der Schnee schuld sein, der den Zugverkehr aus dem Konzept brachte[.] Aber Du bekommst sie alle nach, die Boten! Meine erste Arbeit war: eine Postkarte an das Postamt 76 in Wien-Südbahnhof, mit der Bitte um Rücksendung aller Postsendungen auf die Anschrift „Schr. Gefr. [R.N.]“ lautend. Es muß ja bald geschehen, daß alle Post zurückkommt. Ach Du! Das ging nun soo schnell!

Ich konnte es doch garnicht gleich fassen im ersten Augenblick. Und doch bin ich nun sehr froh, Herzelein! Daß ich Dich nicht noch einmal sehen könnte, damit habe ich mich nun abgefunden. Es war eben zu unsicher. Und als ich aus dem Sonnabendbrief ersah, daß 400 Mann abfahren konnten, da war mir gewiß, daß auch Du bald an der Reihe bist, daß es nun nicht erst Zweck hätte, zu fahren. Es ging uns im Grunde beiden gleich:

Dem Für des Wunsches stand doch immer das Wider der ungewissen Hast gegenüber. Und die Lage von Deinem Platz aus gesehen, ließ mein Vorhaben, Dich aufzusuchen, wohl nur noch unmöglicher erscheinen. Du hast Recht Liebster! Die Erinnerung und das Nachempfinden unsres glücklichen Beisammenseins wären getrübt worden, schon durch den lastenden Druck der Umstände, die Dich dort festhielten. Nun hast Du die Wartezeit glücklich überstanden! Nun bin ich froh mit Dir, daß es wieder vorwärts geht! Vorwärts! Nun können wir wieder ein Stück voraussehen. Nach Saloniki mußt Du ja doch erst zurück. Und wohin Dein Weg von da an führt – Gott weiß es – oh Geliebter! Zwei Händepaare drücken bittend und hoffend einander! Du! Mein [Roland]! Gott schütze Dich!

Gestern abend konnte ich nicht noch an Dich schreiben, weil ich zum Kursus ging. Und heute Vormittag hatte ich auch ganz schönen Drasch mit der Wirtschaft. So ist es 1 Uhr durch, da ich mich hinsetze zu Dir, Du!! Nachher um 300 [Uhr] habe ich doch Kinderschar, aber ich will Dir vorher noch schreiben. Es scheint, als ob es taut draußen. Der Schnee wird ganz weich. Na, ich denke, daß wir das Ärgste überstanden haben. Wie wirst Du wohl weitergekommen sein? In Belgrad wieder Ruhepause??

Hast Du denn auch genug Verpflegung mitgenommen, sag? Ist doch unverantwortlich, uns die ganzen Reisemarken zu schicken!! Ich schicke Dir ein Paket mit Butter, Wurst und Eiern hin nach Wien! Und Du schickst mir Reisemarken her! Es ist eine verdrehte Welt! Wenn das Päckel zurückkommt, backe ich Dir gleich einen Kuchen davon. Aber es ist schon wahr, es war ja Sonntag, als Du abfahren konntest, sonntags sind die Läden zu, konntest ja Deine Marken garnicht umsetzen. Und im Auslande gelten sie doch nicht. Na, was will ich weiter machen nun, als sie annehmen? Sei recht herzlich bedankt! Freilich ist das eine feine Sonderzuteilung! Mir tut nur leid, daß Du mein Päckel nicht bekamst, hattest [sic] es gut auf der Fahrt gebrauchen können. Ach Du! Wenn Du nur gesund ankommst! Ob Du schon dort bist, jetzt um diese Zeit? Ich werde ja bald hören! Ich freue mich [sc]hon auf Deinen ersten Brief aus Saloniki.

Du!! Heute kam ein Bote an vom 23. Dezember von Dir!!! Sei von Herzen bedankt! Sie werden schon noch alle eintrudeln, die Nachzügler.

Nun erfährst Du meine Nachricht so spät erst, wegen meinem neuen, angebotenen Amt als Kirchenbuchführerin. Das ist sehr schade! Ich wollte doch so gerne erst Deine Zustimmung haben, ehe ich annehme. Ich will es Dir wiederholen. Der Pfarrer bat mich, das Amt der Eintragungen in die Kirchenbücher zu übernehmen. Es kommen in Frage: Geburten, Taufen, Konfirmationen, Hochzeiten, Sterbefälle. Das ist eine Arbeit, die nur wenige Stunden in der Woche beansprucht. Sie kann auch an einem Nachmittage erledigt werden. Gegen Bezahlung wird dieses Amt vergeben. Er hat an mich gedacht, weil er mich für geeignet findet dazu. Jede beliebige Person könnte er auch nicht nehmen. Ich müßte vereidigt werden. Weißt Herzlieb? Ich habe es mir hin und her überlegt und bin zu dem Entschluß gekommen, anzunehmen. Erstens bin ich einmal mehr sicher vor dem Arbeitsamt, [w]enn ich diese Arbeit leiste neben noch 2 anderen Ämtern, Ehrenämtern.

Und zweitens wäre ich dann endlich auch dem bedrückenden Gefühl entbunden, daß ich mich nicht in irgendeiner Weise helfend einreihe in den Arbeitsprozeß in der Heimat. – Denn daß auch im Kriege, durch Mangel an Kräften, weil sie beim Militär sind, auch die Ordnung der Kirchenbücher weiter aufrecht erhalten bleiben muß, finde ich nicht unwichtig. – Wir haben uns über diesen Punkt mehr als einmal schon unterhalten. Und ich weiß, daß mein jetziges Arbeitsfeld groß genug ist. Aber damit genügt man heutzutage dem Arbeitsamte nicht. Opfer bringen sollen wir!

Von allen in Aussicht stehenden Möglichkeiten meiner eventuellen Verwendung in irgend einem Dienst scheint mir dieses Amt, daß mir so geradezu schicksalhaft zufällt, am vorteilhaftesten. Es ist nicht schwer, ich kann nach wie vor die Eltern betreuen, bleibe zuhause und kann mir meinen Dienst einrichten wie ich will.

Herzlieb! Du wirst Dich nicht hindern dagegen stellen. In meinem Brief habe ich auch die anderen Fragen angeschnitten, die Dich und mich bei diesem Entschlusse zuerst bewegen müssen. Du wirst den Brief bald in Händen haben. Eines sollst Du nur immer und ewig wissen und glauben! Was auch geschehen mag, ich bleibe wer ich bin. Ich bleibe meinem Glauben, mir selber treu. Ich bleibe Dein Weib, ganz Dein, wie von Anbeginn unsrer Liebe. Herzlieb! Laß mich meinen Weg gehen, daß ich reife und hineinwachse in den tieferen Sinn unsres Lebens, ich gehe ihn in der Geborgenheit Deiner Liebe! Laß mich nicht so ganz abseits stehen in unsrer großen Zeit. Ich will, ich mag vor meinen Mitmenschen nicht als Drohne gelten. Herzlein! Du wirst mich verstehen! Du liebst mich. Du!! Mein Sonnenschein! Mein Ein und Alles! Ich bin allezeit ganz fest bei Dir mit meinen Gedanken! Du bist ein Stück von mir! Bist all mein Glück! Ich liebe Dich!!! Du!!!!! Ich küsse Dich!

Ewig Deine treue [Hilde].

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Autor Hilde Nordhoff
Korrespondenz Oberfrohna
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Hilde Nordhoff

Foto von Hilde Nordhoff. Nahaufnahme, Person im Sommerkleid, im Hintergrund Bäume.
Ba-OBF K01.Ff2_.A12. Hilde Nordhoff, 1940, Oberfrohna, Fotograf unbekannt, Ausschnitt aus Fotoalbum.

Hilde Nordhoff wurde 1920 als Hilde Laube in eine Arbeiterfamilie in Oberfrohna, eine Kleinstadt in Sachsen, hineingeboren. Sie arbeitete ein Jahr lang als Hausangestellte, dann in einem Trikotagenwerk.

Sie kannte Roland Nordhoff aus der Kantorei in Oberfrohna und trat sogar der evangelischen

Über die Korrespondenz

Oberfrohna

Fotografie des Brautpaars Nordhoff am Tag ihrer Hochzeit vor dem Portal der Kirche.

Das Konvolut aus Oberfrohna befindet sich gut erhalten in privaten Händen in Deutschland. Es umfasst 24 Aktenordner mit ca. 2600 Briefen, die zwischen 1 und 20 Seiten lang sind. Der Briefwechsel beginnt im Mai 1938 und dauert, mit einigen kurzen (Urlaubs bedingten) Unterbrechungen, bis Februar 1946