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[OBF-420217-002-01]
Briefkorpus

Dienstag, am 17. Februar 1942.

Herzallerliebster! Mein Schätzelein! Liebster [Roland]!

Du!! Ich habe gestern keine Ruhe mehr gehabt, ich bin abends noch zur Post, um zu sehen, ob mein Herzlieb mir geschrieben hat. Und ich fragte nicht vergebens! Ich bekam einen Brief! Vom Herzallerliebsten, Du! Ich bin doch so froh! Heute Nacht habe ich erst mal wieder schön geschlafen. Vom Sonnabend ist Dein lieber Bote. Und Du teilst mir mit, daß Du den ersten Brief von mir erhalten hast. Ich freue mich, Du! Nun hast Du gewiß auch täglich ein Zeichen von mir in Händen.

Ach Du! Das ist so gut und tröstlich, daß man sich die Hände reichen kann! Nun bist Du nicht mehr so ganz allein und verloren – ich bin wieder bei Dir mit all meinen Gedanken, meinen Wünschen; mit meinen Sorgen – mit meinem Sehnen. Oh Geliebter! Ich weiß, wir gerne Du mich bei Dir hättest! Ach, ich sehe es auch ein: das ganze [sic] ist so abenteuerlich ungewiß.

Und ich will mich trösten mit dem, was auch Dich immer heimlich beschäftigt: vielleicht haben wir uns bald viel gewisser wieder! Du!!! Oh, sei Gott mit unserem Bunde!

Du mein Glück! Mein Ein und Alles! Ich muß Dich a sooo lieben, daß ich keine Stunde meines Lebens mehr allein sein möchte! Ach Du! Bald wird es so sein, wir glauben so fest daran! Und jetzt? Du!!! In unseren Herzen halten wir einander ja schon sooo unlösbar fest, sind uns sooo nahe, sooo vertraut, als seien wir schon für immer umeinander. Du!!! Du!!!!!

Herzelein! Ich freue mich ganz sehr, daß Du nun endlich das Soldatenheim aufgefunden hast! Eine freundliche Bleibe, eine bessere Bewirtung. Aber, mir scheint, anders als mit Suppe will man Euch Soldaten garnicht verpflegen?! Und ich tröstete mich wieder bei dem Gedanken: in Rußland haben die Soldaten vielleicht nicht mal eine warme Suppe. Ach ja – man muß sich an alles gewöhnen lernen. Herzlieb! Vielleicht ist es gut, daß Du jetzt nicht in S. [sic] bist. Ich habe schon zweimal von Fliegerangriffen auf griechische Orte gelesen. Leider sind mir ihre Namen wieder entgangen. Eleusis – Euslar? Ich möchte nur mal das „Warum“ Eures Zwangsaufenthaltes wissen.

Am Sonnabend war der erste größere Apell. 400 Mann konnten wieder losfahren. Wenn Du auch erst 14 Tage sitzen mußt wie die anderen, ehe Du an der Reihe bist, dann bist Du noch eine Woche da und dann kriegst Du mein Päckchen auch.

Nun erzählst Du mir das köstliche Erlebnis mit dem bärtigen Manne in Tracht! Ich konnte mich eines Schmunzelns nicht erwehren, Du! Das war eine Treppe, gelt? Fein, daß er mit seinem Wissen so freigebig war! Ein jeder tut das nicht! Und Ihr werdet Euch doch gewiß sehr gefreut haben. Das war ein billiger „Reiseführer“!

Dann hat mein Hubomannerli eilends sein Abendbrot eingekauft und sich mit dem Honigmann ein Gutes getan: Ich bin richtig froh, daß Du wenigstens bissel Anhalt hast, ein wenig Abwechslung durch ihn. Ich habe mir schon gedacht, daß Du einen Gottesdienst besuchen würdest! Hoffentlich konntest Du hingehen und es hat Dir gefallen.

Für den Nachmittag hast Du Dir eine Karte zum Sinfoniekonzert gekauft. Ich denke sicher, daß Du es besuchen konntest. Denn meinem Gefühl nach[,] daß [sic] ich so am Sonntagnachmittag hatte, hast Du lieb und oft mein gedacht.

Ich werde ja noch hören! Am kaufmännischen Verein war für diese Woche auch ein Vortrag angesagt, er muß verschoben werden, wie ich aus der Zeitung ersah. Vielleicht kann der Vortragende durch den Schnee nicht kommen. Heute ist es klar draußen, aber kalt. Es hat aufgehört zu schneien. Ich bin neugierig, wie das Wetter bei Dir sein mag. Wenn Du mir nur nicht frieren mußt! Du!! Ob ich Dir noch Leibwäsche schicke? Was meinst?

Ach Herzelein! Nun muß ich Dir noch zweierlei erzählen. Zuerst von Oma.

Sie ist wieder auf. Als wir am Sonntag weggingen, hätte sie heftiges Nasenbluten gehabt. Und dann sei ihr leichter geworden. Mama war gestern unten, sie braucht aber nicht wieder runter. Da ist es vielleicht eine Blutsgeschichte [sic], wie üblich bei ält[er]en Frauen. Na, das ist mehr oder weniger ein ganz natürlicher Vorgang, der sich nur bei jeder Natur anders äußert.

Und nun das zweite.

Der Herr Pfarrer hatte mich zu sich bestellt heute Vormittag, durch H., seine Stütze. Ich bin hingegangen. Er nötigte mich hinauf ins Wohnzimmer. Und nun trug er mir sein Anliegen vor: Es handelt sich um die Kirchenbuchführung. Es sind Nachträge zu machen, Einträge. Er kann nicht mehr nachkommen und Herr W. eignet sich dafür nicht. Weil er meine Handschrift kennt, habe er mich gebeten, dieses Amt auszuüben, gegen Stundenbezahlung natürlich. Es kämen nur wöchentlich wenige Stunden in Frage. Es könnte auch an einem Nachmittag erledigt werden, den ich mir aussuchen könn[te]. Sein Superintendent habe es ihm erlaubt, sich eine Hilfe zu suchen. Dieselbe müßte aber vereidigt werden.

Ich habe zugehört, mein Einwand war, daß ich bereits zwei Ehrenämter habe und meine Eltern versorgen muß. Ich soll mir mal überlegen, ob ich einen Tag, oder 2 Tage wenige Stunden, wie ich es mir einrichten will, erübrigen könnte dafür. Ich sagte ihm, daß ich überlegen will und mit meinem Mann Rücksprache nehmen. Er will nochmal nachfragen. Herzlieb! Und nun sollst Du meine Meinung hierzu hören: Ich weiß, Du wirst es nicht gerne sehen, wenn ich für diesen Mann arbeite.

Ich weiß aber auch, daß Du mir ganz vertraust.

Ich kann nicht umhin, vor meinem Gewissen mir diese Frage vorzulegen: Falle ich meinem Mann in den Rücken, wenn ich für einen Deutsch-christlichen Pfarrer arbeite?

Und wenn ich alles bedenke muß ich antworten: Mein persönliches Eigenleben gehört dazu nicht. Ich bleibe wer ich bin. Bleibt nur die Frage: Kannst du dich in dieser Kriegszeit dem entgegenstellen, wenn du helfen kannst? Es ist für unsre Ortsgemeinde ein guter Dienst, wenn ich die Kirchenbuchführung übernehme. Und soll diese Ordnung darunter leiden, weil die Verhältnisse es mit sich bringen? Wer würde sich noch dem Pfarramt zur Verfügung stellen? Ich weiß niemanden. Gerade jetzt, wo die meisten es öffentlich tunlichst vermeiden mit Pfarrern etwas zu schaffen zu haben. Ich bin nicht feige. Ich wage es.

Und ich nehme es beinah als einen Wink des Schicksals, daß man mir ein neues Amt zuweist. Ich habe eine Handhabe mehr vor dem Arbeitsamt, wenn es mich wieder behelligt. Liebster! Bist Du einig mit mir, wenn ich „ja“ sage? Sag es mir offen.

Ich habe es mir überlegt: ich will das Amt annehmen. Und ich kann es Dir ja sagen, Herzelein: mein Gewissen ist beruhigt, wenn ich sagen kann, nun bist auch du zu einem kleinen Teil mit eingespannt in den Dienst in der Heimat. Es ist mir nicht behaglich, wenn ich immer anhören muß, so indirekt: „es gibt noch so viele Drohnen.“ Wir haben davon schon mehrere Male geredet, Herzlieb! Wenn ich irgend etwas andres aufnehme, den Bereitschaftsdienst im Roten Kreuz oder sonst etwas, es ist unbequemer in jeder Hinsicht, als das in Aussicht stehende Amt.

Und Du würdest mir nicht verwehren, daß ich ganz abseits stehe, nein?

Herzelein! Überlege Dir das mal und gib mir Deine freie Antwort, gelt?

Für heute will ich Dir ganz lieb die Hände drücken! Und ganz innig Dich küssen! Ich liebe Dich! Du mein Sonnenschein! Ich bleibe Dein in alle Ewigkeit! Gott behüte Dich mir! Bleibe gesund! Nimm herzinnige Grüße von Deiner treuen

[Hilde].

Viell liebe Grüße v. d. Eltern!

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Autor Hilde Nordhoff
Korrespondenz Oberfrohna
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Über den Autor

Hilde Nordhoff

Foto von Hilde Nordhoff. Nahaufnahme, Person im Sommerkleid, im Hintergrund Bäume.
Ba-OBF K01.Ff2_.A12. Hilde Nordhoff, 1940, Oberfrohna, Fotograf unbekannt, Ausschnitt aus Fotoalbum.

Hilde Nordhoff wurde 1920 als Hilde Laube in eine Arbeiterfamilie in Oberfrohna, eine Kleinstadt in Sachsen, hineingeboren. Sie arbeitete ein Jahr lang als Hausangestellte, dann in einem Trikotagenwerk.

Sie kannte Roland Nordhoff aus der Kantorei in Oberfrohna und trat sogar der evangelischen

Über die Korrespondenz

Oberfrohna

Fotografie des Brautpaars Nordhoff am Tag ihrer Hochzeit vor dem Portal der Kirche.

Das Konvolut aus Oberfrohna befindet sich gut erhalten in privaten Händen in Deutschland. Es umfasst 24 Aktenordner mit ca. 2600 Briefen, die zwischen 1 und 20 Seiten lang sind. Der Briefwechsel beginnt im Mai 1938 und dauert, mit einigen kurzen (Urlaubs bedingten) Unterbrechungen, bis Februar 1946