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[OBF-420217-001-01]
Briefkorpus

Mittwoch, den 17. Febr. 1942

 

Mein liebes, teures Herz! Geliebtes Weib!

Rostig und verstaubt ist die Feder. Ich muß sie nun wieder von unserem Bücherbord holen. Dem Datum nach vor einem Monat war’s, daß ich bei Dir daheim anlangte. Nun ist es wieder ein siebzehnter, der mich glücklich gelandet sieht in S. [sic].

Ach Geliebte! Du liebe, gute, treue Seele! Soviel Liebe und Süßigkeit warteten mir zum Empfang! 3 Päckchen, 2 von Dir, die mit den Stollen – und die Boten, die mein warten, bekomme ich erst heute abend, die haben die Kameraden verwahrt. Ach Herzelein! Nun bin ich zwar wieder so weit von Dir – und Dir doch näher als an allen Unterwegsstationen. Deine Liebe findet sich hierher und sie umfängt mich so warm und traut und freundlich – ach Du! Du!! Du!!!!! Danken, danken möchte ich Dir! Danken Gott, der Dich mir zuführte. Und danken Dir, von ganzem Herzen danken für Deine Liebe und Treue! Herzensschätzelein! Daß ich Dich wiederliebe, daß ich Dir mein ganzes Leben weihe – anders und besser kann ich Dir nicht danken. Ich habe Dich ganz lieb! Sooooooooooooo lieb! Und all meine Liebe und Treue schlägt Dir bis an mein Lebensende!

Nun laß Dir von meinen Abenteuern weitererzählen! Es ist jetzt um 4 Uhr am Nachmittag. Um 10 Uhr am Vormittag langten wir glücklich in Saloniki an. Ich bin ganz gerädert und verhockt und müde. Aber ich will die Stunden des Alleinseins bis zum Abend nützen, mit Dir zu plaudern.

In Graz übergab ich meinen vorangegangenen Boten dem Postkasten. Die Fahrt bis Belgrad verlief planmäßig bis auf die Verspätung von 9 Stunden, die wir unterwegs machten. In Kroatien lag fast 1 m Schnee. Davon ½ m Neuschnee. Die Strecke mußte erst mit dem Schneepflug freigemacht werden. In allen Stationen schaufelte man die Weichen aus. Aus einem Bahnhof brachten die beiden Maschinen unseren Zug nicht heraus. Erst nach zweistündigen Bemühungen und dadurch, daß zwei Lokomotiven schieben halfen, kamen wir los. Die letzten Stunden vor Belgrad waren eine Fahrt durch  eine Schneewüste. Man kann sich leicht ausmalen, wie es ist, wenn ein solcher Zug auf offener Strecke nicht mehr weiterkann. Aber das war alles erträglich – vor allem saßen wir ganz warm. Wir waren in unserem Abteil auch eine nette, ganz bunte Gesellschaft. Einer von der Luftwaffe, Student der Rechte, bei einem Luftgaugericht tätig – einer von der Feldgendarmerie, aus Köln stammend – ein Mechaniker aus Berlin – mein Kamerad S. aus Pommern – in Agram stieg noch ein Volksdeutscher aus dem Banat zu, aus der Umgegend von Belgrad – die Unterhaltung drehte sich um allerlei, auch Bedeutsame[s] und Politisches – und soviel verschiedene Stimmen und Standorte wir auch vertraten, stimmten wir in den Hauptsachen doch recht gut überein.

Der Anschluß in Belgrad war natürlich weg – und in geschlossenem Zuge führte man uns zur Sammelstelle, zu einer Schule, die nur ganz notdürftig erwärmt war. Unsre Stimmung kannst Du Dir denken. Nur ein Gedanke: weiter, weiter! Es gab gleich etwas Warmes für den Magen und gegen Abend wurde es auch wärmer im Massenquartier. Ich habe nicht gefroren. Mit dem Kameraden bin ich gleich noch einmal durch die Stadt gegangen – aber die Geschäfte hatten schon geschlossen. Mächtige Schneeberge in den Straßen. Viele neue, moderne Gebäude sieht man in der Stadt. Die Auslagen der Geschäfte zeigten nicht viel Besonderes. Einen Laden merkten wir uns für den nächsten Tag – Kämme gab es dort. Unser Ziel war das Soldatenheim – eine warme Bleibe für den Abend. Man sagte uns, daß es dort auch etwas Gutes zu essen gebe. Das Essen war recht wenig wert, der Kaffee abscheulich – und viel anderes gab es nicht. Aber wir saßen warm. Im Quartier legten wir uns sofort schlafen. Beim Heimgehen waren die Straßen hellerleuchtet, aber menschenleer. Um 8 Uhr muß alles zu Hause sein. Ich habe gut geschlafen und viel geträumt, lauter Familiengeschichten, Du warst auch dabei, eine von den seltenen Traumnächten.

Am nächsten Morgen die erlösende Kunde, daß wir weiterfahren könnten. Schnell sind wir noch einmal in die Stadt gehuscht. Kalt war’s und der Sturm blies den trockenen Schnee durch die Straßen. Wir hatten Glück, und das Mannerli hat doch schon für den neuen Urlaub ein Mitbringsel erstanden. Nach vielem Anstehen und Herumstehen saßen wir dann glücklich im Zuge. Die Fahrt hierherunter verging fast planmäßig. Immer weniger wurde der Schnee. Hier liegt keiner. Die Luft ist fast milde. Gestern soll es richtig warm gewesen sein. Auch auf dieser Fahrt wieder interessante Reisegesellschaft: Piloten und Bordmechaniker – Piloten für den Nachschubflug, meist ältere Männer, in unserem Abteil ein alterfahrener Pilot und Verkehrsflieger, schon seit dem vorigen Weltkrieg, eine interessante Erscheinung - aus Westphalen stammend, durchaus kein Abenteurer und Waghals. Zu acht Mann steckten wir im Abteil. Und alle so breit. Wir saßen fast gequetscht. Froh waren wir, als wir nun an Ort und Stelle waren. Unser Gepäck ließen wir uns zur Unterkunft fahren.

So fremd kam mir diesmal alles vor. Fremd auch unsre Stube. Ich habe mir gleich erst zu schaffen gemacht. Feuer im Ofen. Die Stube gewischt, sie war mir zu schmutzig. Meine Schuhe gesäubert – und dann mit warmem Wasser mich selber erst mal vorgenommen. Vorher habe ich aber die Päckchen entdeckt und auseinandergenommen – und habe mich so von Herzen gefreut über diesen Willkommen – und habe doch genascht. Und der Stollen schmeckt noch. Ein wenig hart ist er. Vielen herzlichen Dank noch einmal für alles, auch den lieben Eltern.

Die Seemannskrause habe ich mir abgenommen – der Bart wächst doch jetzt gar nimmer so schnell, Du! Na, und sonst mich ein wenig menschlich hergerichtet, Du weißt schon!

Herzliebes Schätzelein! Nun ist Kamerad H. gekommen. Und nun hat das Erzählen begonnen. Beide Kameraden sind munter und wohlauf.

Ach Du! Liebes! Ich glaube, ich bin noch zu sehr bei Dir! Bei Dir ist meine richtige, wahre Heimat, da bin ich ganz zu Haus! Nirgend sonst auf der Erde ist sie noch einmal. Und dieses Heimgefühl mag es sein, das mir alles ein wenig fremd erscheinen läßt! Geliebtes Weib! Du meine [Hilde]! Dein bin ich! Ganz Dein! Ewig Dein! Gott helfe uns! Er segne unsern Bund!

Ach Herzelein! Möchtest Du so glücklich Dich in meiner Liebe fühlen wie ich mich in der Deinen! Du! Du!! Mein liebes, liebes Weib!

Gott behüte Dich mir! Ich habe Dich von Herzen lieb! Morgen komme ich wieder zu Dir! Du!!! Ich bleibe in Liebe und Treue ewig

Dein [Roland]! Dein Mannerli!

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Autor Roland Nordhoff
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Roland Nordhoff

Foto von Roland Nordhoff. Nahaufnahme, Person sitzend in einem Fensterrahmen.
Ba-OBF K01.Ff2_.A39, Roland Nordhoff, 1940, wahrscheinlich Bülk, Fotograf unbekannt, Ausschnitt.

 

Roland Nordhoff wurde 1907 in eine bürgerliche Familie in einem ländlichen Dorf im östlichen Sachsen, Kamenz, hineingeboren. Nachdem er ein Musikstudium aufgegeben hatte, arbeitete er als Dorflehrer in Oberfrohna, nahe Chemnitz. Im Frühjahr 1938 wurde er nach Lichtenhain in Sachsen versetzt

Über die Korrespondenz

Oberfrohna

Fotografie des Brautpaars Nordhoff am Tag ihrer Hochzeit vor dem Portal der Kirche.

Das Konvolut aus Oberfrohna befindet sich gut erhalten in privaten Händen in Deutschland. Es umfasst 24 Aktenordner mit ca. 2600 Briefen, die zwischen 1 und 20 Seiten lang sind. Der Briefwechsel beginnt im Mai 1938 und dauert, mit einigen kurzen (Urlaubs bedingten) Unterbrechungen, bis Februar 1946