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[OBF-420216-002-01]
Briefkorpus

Montag, am 16. Februar 1942.

Mein Herzensschätzelein! Geliebter! Liebster [Roland]!

Die Uhr zeigt gleich 2 Uhr nachmittags. Soeben bin ich fertig mit aufräumen. Und nun tue ich nichts eiliger und lieber, als mit Dir reden. Du mein herzliebes, liebstes Mannerli Du!

Zuerst will ich Dir nur gleich berichten, wie wir gestern die Großmutter fanden. Es war garnicht schlimm, ihr Befinden. Sie hat außer dem Schwindelgefühl keinerlei Beschwerden.

Entweder ist es eine große Überanstrengung, daß ihre Kräfte versagen, oder war es ein leichter Schlaganfall? Wer weiß? Wir wollen einmal abwarten. Sie muß im Bette bleiben. Wir werden abwechselnd am Nachmittag runter fahren und bissel bei ihr sitzen. Denn Tante Friedel kann sie nur mit Essen versorgen, sonst hat sie mit den Gästen und der Wirtschaft zu tun. Mutsch ist heute bei ihr. Sie hat kein Fieber, kann essen, schlafen – also nichts weiter, als ein großes Schwindelgefühl beim Aufstehen. Wenn sich irgendwas tut, rufen sie den Arzt. Ich bin froh, daß es nichts weiter ist. Ich denke mir nur, eines Tages bekommt Oma mal [einen] Schlag; ihr Herz taugt nicht viel. In ihrem Alter muß man dann gefaßt darauf sein, daß die Gesundheit streikt. Sie hat auch zu sehr gearbeitet in ihrem Leben. Ihre Kräfte sind vollkommen verbraucht. Tante Friedel wurde es Angst [sic], weil sie ganz allein im Hause ist mit Oma. Und ihre Eltern sind beide durch Schlaganfall gestorben. Es ist ihr bange geworden, weil es bei Oma ähnlich angefangen hätte.

Wenn's der Fall ist, wird es sich wiederholen. Wir müssen ruhig abwarten. –

Herzelein! Heute habe ich keinen Brief von Dir bekommen. Durch den Schnee dauert's vielleicht bissel länger hierher nach Oberfrohna! Es schneit immer noch, denke nur! Ganz leise nur, aber stetig. Eine Menge Schnee haben wir!! Wo ganz fein Bahn gemacht wurde, da liegt der Schnee am Straßenrand so hoch, daß man kaum noch sehen kann, was auf der anderen Seite los ist. Kinder können nicht mehr drüber gucken. Was das für ein Schaden ist für die Wirtschaft! Alles stockt. Und der Gemeinde kostet es eine schöne Stange Geld. Überall wird[en] Schneeschipper angefordert. Der Schneepflug fährt mit 4 bzw. 6 Pferden umher. Wenn das taut, werden wir sicher Hochwasser bekommen. Ich denke mir nur, bis dahin vergehen noch [ein] paar Wochen.

Was wirst denn Du nun angeben, Herzlieb? Ob Du recht frieren mußt? Bei uns sind wieder 8-10° Kälte.

Ach Du! Ich sorge mich ja so sehr um Dich. Daß ich Dich noch in Wien suchen muß, ich glaube, darin besteht gar kein Zweifel. Gestern hörte ich sagen, daß Jugoslawien durch starke Schneeverwehungen heimgesucht wäre. Es gingen keine Züge. Da kannst Du gewiß noch ein Weilchen sitzen in Wien. Ach Du Armes! Du tust mir sooo leid! Warum lassen sie Euch denn nicht derweile [sic] heim?, wenn sich so viele ansammeln, reicht ja der Platz und das Essen garnicht [sic]! Es ist schon schlimm genug, wenn es nichts als Kartoffelsuppe für Euch gibt. Du kommst ja ganz von Kräften von solchem Paps. Ach, wenn ich doch bei Dir sein könnte! Ich würde schon suchen, wo es was Gescheit’s zu essen gibt. Euch armen Soldaten geben sie ja nichts im Lokal. Und die paar Marken reichen doch weder hin noch her. Wenn Du von den Fleischmarken zum Essen gehst, dann hast Du nichts zum Brot. Kaufst Du Wurst, dann kannst Du nicht Mittagessen. Ich weiß doch wie das ist.

Ich konnte die ganze Nacht nicht schlafen, ich habe immer nur an Dich gedacht und habe mir Vorwürfe gemacht, daß ich nicht gleich von allem Anfang an, wo ich Dich in Wien wußte, losgefahren bin zu Dir. Zu Zweien läßt sich's doch besser wirtschaften, man kommt besser aus mit seinen Marken, als allein. Und ich hätte auch etwas mitgebracht. Wenn ich in ein Privatlogi [sic] gezogen wäre, nicht ins Hotel, dann hätte ich uns mal was kochen können, was Warmes. Oder mal etwas braten. Ein Glas Entenbraten habe ich noch, das hätte ich mitgebracht. Und auf Deine Kartoffelmarken hätte ich eingekauft, das übrige konnte ja die betreffende Frau vertun. Ach Herzlieb! Ich malte mir alles so aus, ich fand keinen Schlaf. Ich habe immerzu an Dich gedacht.

Sag? Weißt Du denn noch immer nicht, wann Ihr abfahren könnt[?] Heute früh war meine erste Arbeit, daß ich für Dich ein kleines Päckchen mit etwas zu Essen packte. Viel hatte ich ja auch nicht da heute, aber es hilft Dir schon paar Tage weiter.

Frage nur bald auf dem Postamt nach dem Päckel! Es ist ebenso adressiert wie die Briefe. Es wird bestimmt am Mittwoch bei Dir sein. Drinnen ist ein ½ Stück Butter, das spendet Dir Mutsch, sie hat sie geschenkt bekommen. 3 gekochte Eier, ein Stück Wurst, feine harte, von Frau S. gekauft. Und noch paar Äpfel in die Lücken. Laß es Dir gutschmecken. Hoffentlich bekommst Du alles auch!

Herzelein! Mußt mir nicht böse sein, wenn i[ch] Dich so bedrängte gestern, daß ich zu Dir will. Ich weiß doch wie riskant es ist, weil Du täglich abgerufen werden kannst. Aber es drängt mich doch sooo mächtig hin zu Dir!

Du mußt es verstehen, Geliebter!

Ich will doch bei Dir sein Du!!!!!

Ach sooo gern bei Dir sein!

Sieh, heute ist es nun schon eine Woche, daß Du in Wien bist! So lange beinahe hätte ich Dir nun schon mithelfen können, die Wartezeit verkürzen, wenn ich gleich zu Dir gekommen wäre. Herzelein! Weißt Du denn noch, wie lieb ich Dich habe? Wie gerne ich bei Dir sein will, wenn Du so alleine bist! Du!!!

Ach Herzelein! Wenn ich nur erst Deinen Brief hätte, wo Du mir sagst, was nun aus Dir wird. Ob Du noch lange bleiben mußt. Doch – das kann Euch keiner vorher sagen vielleicht. Ihr müßt warten. Du! Nun mußt Du mir doch auch bald meinen ersten Brief an Dich bestätigen! Ich warte so drauf.

Ach Geliebter, Du! Ich muß Dich so liebhaben. Ich will aufhören für heute – meine Sehnsucht ist so groß.

Ich will den Kamenzerer Eltern schreiben noch, Vaters Heiratsurkunde beilegen, die auf dem Landesamt lag. Ich habe nun alle Urkunden hier bis auf die [der] Großeltern von Dir väterlicherseits. Vater muß sie mir noch beschaffen. Dann fehlt nur noch Dein Zeugnis. – Frau L.s Mann hat geschrieben, daß Sperre sei. Er hat alle Scheine schon in der Tasche! –

Herzelein! Gestern habe ich Deine Briefe eingeheftet, wann werde ich den ersten wieder aus Saloniki erhalten? Du! Bleib nur gleich hier in Deutschland!! Herzelein! Behüte Dich Gott!

Ich liebe Dich! Ich sehne mich nach Dir!

Ich küsse Dich herzinnig! Deine [Hilde].

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Autor Hilde Nordhoff
Korrespondenz Oberfrohna
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Hilde Nordhoff

Foto von Hilde Nordhoff. Nahaufnahme, Person im Sommerkleid, im Hintergrund Bäume.
Ba-OBF K01.Ff2_.A12. Hilde Nordhoff, 1940, Oberfrohna, Fotograf unbekannt, Ausschnitt aus Fotoalbum.

Hilde Nordhoff wurde 1920 als Hilde Laube in eine Arbeiterfamilie in Oberfrohna, eine Kleinstadt in Sachsen, hineingeboren. Sie arbeitete ein Jahr lang als Hausangestellte, dann in einem Trikotagenwerk.

Sie kannte Roland Nordhoff aus der Kantorei in Oberfrohna und trat sogar der evangelischen

Über die Korrespondenz

Oberfrohna

Fotografie des Brautpaars Nordhoff am Tag ihrer Hochzeit vor dem Portal der Kirche.

Das Konvolut aus Oberfrohna befindet sich gut erhalten in privaten Händen in Deutschland. Es umfasst 24 Aktenordner mit ca. 2600 Briefen, die zwischen 1 und 20 Seiten lang sind. Der Briefwechsel beginnt im Mai 1938 und dauert, mit einigen kurzen (Urlaubs bedingten) Unterbrechungen, bis Februar 1946