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[OBF-420214-002-02]
Briefkorpus

8.

Sonnabend, am 14. Februar 1942.

Herzallerliebster!! Mein geliebtes, teures Herz!

Nun ist für mich Ruhepause – Wochenende. Die Uhr geht auf 3. Bei mir drinnen ist es schön warm. Draußen fällt noch immer Schnee. Es ist, als wollte unser Herrgott die ganze Erde zudecken für eine lange Zeit. Vielleicht wäre das gut so – dann würden die Menschen gezwungen, mit dem bösen Kriegsführen aufzuhören.

Was wirst Du, mein Herzelein[,] um diese Stunde treiben? Vor einer Woche kamen wir aus Limbach und brachten den feinen Kuchen mit vom Bäcker, um die erste Kostprobe abzulegen! Ach – schon 8 Tage sind drüber hingegangen! Wie eilt die Zeit! Gebe Gott, daß sie uns dem ersehnten Frieden immer näher bringt. Und – Du! Unsrer heimlichsten Hoffnung auch, Geliebter! Daß wir bald, bald für immer umeinander sein dürfen. Du!!! Du!!!!!

Herzlieb? Siehst Du es? Das Glück war mir hold, ich habe wieder einen Karton Briefpapier aus Frankreich bekommen. Sehr lange reiche ich zwar damit nicht. Du, sieh bitte [ein]mal in Wien nach, ob Du für mich etwas erwischen kannst, ja?

Und nun will ich mich noch einmal in Deine lieben Boten versenken. Herzelein, Du! Da ist erst der vom Dienstagabend und vom Mittwoch. Mein Herzensbübchen sitzt in seinem Stübchen und meint, weil er so alleine ist, er sei wieder ein Junggeselle geworden!!

O nein! Ich laß Dich nimmermehr zurück in Dein einsames Schneckenhäusel, Du! Du hast mich nun an Dein Herz genommen, nun wirst Du mich nimmermehr los!!! Ach – ich weiß doch, bist ja selbst glücklich darum! Vom Konzert bist Du gekommen, durch erleuchtete Straßen heimwärts! Wie fein! Na, bei uns mag es jetzt auch angehen, wenn Schnee liegt, kann man ganz fein sehen.

Du! Ich freue mich, daß Dir solch schöner Abend wurde. Aus dem Programm schon kann man ersehen, welche Meister Euch unterhielten, sie machen alle ihrem Namen Ehre. Und nun berichtest Du mir den ganzen Verlauf des Abends noch selbst. Ich glaube gern, daß Wien großzügig angelegt ist in allen Dingen, was Kultur betrifft. Ich hätte mich allein garnicht zurecht gefunden in dem großen Konzerthaus! Daß die Vorstellung einer Erna Sack ausverkauft war, kann ich mir lebhaft denken! Das leichtlebige Wien mag so etwas gern.

Einen netten Nachbar hattest Du, der Dich in seiner Partitur nachlesen ließ. Du bist aber ein undankbarer Geselle, höre!! Dafür zertrittst Du ihm ein Brillenglas! Ich hab so lachen müssen. Er muß ganz schön im Eifer gewesen sein, daß er nicht bemerkte, daß seine Brille am Fußboden lag. Über 2 Stunden dauerte das Konzert. Ich hätte dabei sein mögen, Du! War doch just am gleichen Tage auch so lange wach und habe Dein gedacht, Herzensschatz.

Und nun ist Mittwoch 11.II. Du liegst auf dem Sofa in Deinem Stübel, das so kurze Zeit Dein Eigen war. Bist eben vom essen heim. Schon zum 2. Male Kartoffelsuppe! Du Armer! Wenn Du nun nicht so gerne Suppe äßest, Du tätst mir doppelt leid. War denn eine große Wurst wenigstens dabei?

Wirst Du denn auskommen mit Deinen Marken, Herzlieb? Weil Du nur immer noch ein wenig Zubuße hast von dem Mitgeführten im Koffer. Aber das wird auch einmal alle. Wenn Du nicht auskommst Liebster, schreibe mirs bitte, ich will Dir etwas schicken!

Mein Bub ist wieder ein richtiger Weltenbummler. steigt [sic] ganz ledig, allein in der Welt umh[er]. Und ist doch mein Bub! Ganz mein Bub!! Ach Du! Ich weiß es so froh beglückt! Du bist mir ganz zu Eigen! Du bleibst mir treu! Du fühlst wie ich das Band, das uns verbindet, das wir immer nach uns ziehen und an dessen, einem Ende ich, am andern Du bist! Du!!! Wir verlieren einander niemals. Das Band unsrer Liebe hält uns ganz fest! Du bist nun in so weite Ferne gerückt, meinem Herzen bliebst Du aber nahe, ganz nahe wie immer zuvor. O Geliebter! Wir müssen Gott so unendlich dankbar sein für alle Gnade. Er hat uns beide so sichtbar [be]hütet! Ach Du! Sei dankbar mit mir!

Herzelein! Über der täglichen Lauferei geht auch Dein Tag rasch herum. Morgens müßt Ihr Euch alle melden. Bis zum Mittagessen kannst Dir auch nicht viel vornehmen. Und wie rasch ist dann gleich Abend.

In Deinem Brief vom Donnerstag erfahre ich nun, daß die Aussichten auf eine baldige Abreise gesunken sind. Und dazu kommt noch die unerfreuliche Nachricht, daß Du Dein Stübchen verlassen mußtest. Das tut mir sehr leid für Dich. Aber was hilft weiter, als eben sich tapfer in die Lage schicken? Und Du, mein liebes, gutes Mannerli, Du wirst es auch. Weil ich Dich nur noch nicht so sehr verwöhnt habe, daß Du Dich auf Deine Anpassungsfähigkeiten immer noch besinnen kannst, Du!! Aber schön empfindest Du es gewiß nicht, aus dem Urlaub kommend so im Massenlager zu kampieren. Glaubst, da hast Du es in Saloniki noch tausendmal schöner. Na. Wir wollen nur nicht jammern! Das ändert nichts an der Lage. Du mußt nun wohl oder übel warten, bis Dein Zug [ein]mal fährt. Und ich drücke fest beide Daumen, daß es bald geschieht. Denn nach Saloniki mußt Du so oder so erst einmal zurück.

Gib nur acht, Herzlieb! Es kommt die Stunde, wo sich herausstellt, warum es nun mit Dir gerade so kommen mußte und nicht anders. Ich sage mir immer es geschieht nichts in der Welt ohne Sinn. Ich wünsche Dir von ganzem Herzen, daß diese Verzögerung auf‘s Ganze gesehen einen guten Ausgang nimmt!

Der Herrgott stehe Dir bei, mein [Roland]! Das Leben und Treiben in der Kaserne, es ist doch überall dasselbe! Und Du wirst Dich nie daran gewöhnen können. Du paßt da [ni]cht hinein. Ach Du! Wer sehnst sich wohl hin? Höchstens ein armer Heimatloser, der froh ist unterzukommen.

Ich bin nur froh, daß Du warm steckst, Du! Über Deine Schilderungen der Stadt Wien überhaupt, dank freute ich mich und danke Dir schön! Einiges kenne ich von Bildern her. Aber in Wirklichkeit alles [ein]mal zu durchstreifen! Das wäre ein Plan für den Frieden, Herzlieb! Mußt Dich nun in Deiner Freizeit in den Kaffeehäusern rumdrücken. Das ist auf die Dauer ein unerfreulicher Zustand. Herzelein! Ich wünsche Dir bald ein Fort[ko]mmen[.] Entweder nach Hause! Oder nach Saloniki. Du wirst selbst froh sein, wieder an einem rechten Platz zu stehen.

Nun will ich Dir für heute ganz lieb die Hände drücken, mein Sonnenschein! Ich behalte Dich von ganzem Herzen lieb! Gott sei mit Dir allezeit! Ich küsse Dich! Ich liebe Dich sooooo sehr! Deine [Hilde].

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Autor Hilde Nordhoff
Korrespondenz Oberfrohna
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Über den Autor

Hilde Nordhoff

Foto von Hilde Nordhoff. Nahaufnahme, Person im Sommerkleid, im Hintergrund Bäume.
Ba-OBF K01.Ff2_.A12. Hilde Nordhoff, 1940, Oberfrohna, Fotograf unbekannt, Ausschnitt aus Fotoalbum.

Hilde Nordhoff wurde 1920 als Hilde Laube in eine Arbeiterfamilie in Oberfrohna, eine Kleinstadt in Sachsen, hineingeboren. Sie arbeitete ein Jahr lang als Hausangestellte, dann in einem Trikotagenwerk.

Sie kannte Roland Nordhoff aus der Kantorei in Oberfrohna und trat sogar der evangelischen

Über die Korrespondenz

Oberfrohna

Fotografie des Brautpaars Nordhoff am Tag ihrer Hochzeit vor dem Portal der Kirche.

Das Konvolut aus Oberfrohna befindet sich gut erhalten in privaten Händen in Deutschland. Es umfasst 24 Aktenordner mit ca. 2600 Briefen, die zwischen 1 und 20 Seiten lang sind. Der Briefwechsel beginnt im Mai 1938 und dauert, mit einigen kurzen (Urlaubs bedingten) Unterbrechungen, bis Februar 1946