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[OBF-420209-002-01]
Briefkorpus

Montag, am 9. Februar 1942

Mein herzallerliebstes Schätzelein ! Geliebter [Roland]!

Du ! Es schluckt mich – mein Schätzel denkt!

Die Uhr zeigt gleich die elfte Stunde an. Du rollst auf Wien zu. Herzelein! Du!!! Ob Du eine gute Nacht hattest? Ein wenig Schlaf fandest? Du! Ich denke sooo lieb Dein. Gleich am Vormittag muß ich mich noch ein Stündchen zu Dir setzen, Du liebes Mannerli. Saß doch jeden Vormittag mit Dir am Tische beim Frühstück. Ach, heute wollte es mir doch garnicht schmecken. Ich bin um 8°° [Uhr] aufgestanden. Die Mutsch war schon fort. Der Vater hatte ein warmes Stübel gemacht und bohnerte schon wieder im Haus! Vorhin ist er zur Frau Dr. W. gegangen mit seinem Fläschel goldenen Inhalts! Ich bin neugierig, was sie sagen wird.

Ach Du!! Schätzelein !! Ich lag doch gestern noch so lange wach im Bettlein. Der Schlaf wollte nicht kommen. Mitternacht war vorüber, es schlug 1 Uhr, ich war immer noch wach. Herzelein! Ich habe weinen müssen, ich kann es Dir nicht verheimlichen. Es tut doch so weh, vom Liebsten zu scheiden. Und ich hätte Dich nicht lieb genug, wenn mich Dein Scheiden nicht erschütterte. Du!!! Du weißt wie ich, daß wir einander zutiefst, zuinnerst verbunden si[n]d. Ach Geliebter! Es mußte sein. Und nach und nach machte die Vernunft, das Wissen um das Unabänderliche dem Schmerz Raum. Ich wurde ganz still. Nur das Herz schlug noch weh, ich faltete die Hände und in Gottes Liebe geborgen mit Dir schlief ich dann wohl ein.

Heute früh, es war noch dunkel, erwachte ich, meine Hände lagen noch immer gefaltet auf der Brust. So still habe ich gelegen die ganze Nacht. Du! Ich habe Dich im Traum gesehen, Herzelein. Ein stiller, fro[h]er Traum war es. Ich kann Dir Näheres aber nicht wiedererzählen. Oh Du mein geliebtes Leben! Wie habe ich Dich fest in mein Herz geschlossen! Wie tief rührst Du in meinem Wesen, unverlierbar sind wir aneinandergebunden mit unseren Herzen voller Liebe, Treue und Gläubigkeit.

Mein [Roland]! Mitten in diesem schlimmen Krieg durften wir so viele glückliche Tage erleben. Durften unsere sehnenden Seelen erlösen, durften uns Herz an Herz und Mund an Mund all des unsagbaren Glückes versichern, daß nur zwei Menschen, wie Du und ich es sind – in so un[e]ndlicher Liebe aneinander verloren – verbindet. Oh Herzallerliebster mein! Diese große Güte und Gnade Gottes für solches kostbare Geschenk sollten wir tiefer in uns bewegen, als den Schmerz um unsere Trennung! Gott wird es uns verzeihen, wenn wir nicht selbstlos genug, bei unsrer jungen, so tiefen, heißen Liebe unseren Schmerz wichtiger nehmen, als das Größere, Wichtigere. Er hat Erbarmen mit seinen Menschenseelen, das glauben wir fest. Und wir wissen noch eines: Gott siehet das Herze an. Geliebter! Wird er auch in unseren Herzen, trotz der Glut unsrer Liebe, die darinnen brennt, auch die Stille Demut, das Fügen in seinen väterlichen Willen erkennen? Gott nimmt das Wollen für das Vollbringen, wenn es aus einem guten, reinen Herzen kommt.

Oh mein Geliebter! Heute bin ich nun ganz stille. Erfüllt ward unser inbrünstiges Verlangen. Wir tranken uns satt am Brunnen der Liebe. Nun müssen wir wieder ganz ruhig sein und einander fest an der Hand haltend, auf den Spruch unseres Herrgott warten. Wir haben uns in den Tagen unsres Beisammenseins viel neue Kraft geholt, einander geschenkt; nun dürfen wir getrost weiter vorwärts gehen. Wir sind voller Gedanken an unser Leben zu zweien, voller Rücksicht auf ein baldiges Ende aller Trennung. Herzallerliebster! Du und ich, wir sind so ganz eines – so ganz in Liebe und letztem Verstehen verbunden und das ist doch der Grund, der feste, unerschütterliche, worauf wir mit Gottes Hilfe unser gemeinsames Leben bauen können.

Es mögen Stürme kommen, rauh und wild, unsere Liebe ist fest verankert in unser beider Herzen. Wir stehen zueinander, bedingungslos aus innerem Herzensdrange. Nichts kann uns je trenne[n] als der Tod. Geliebter! Hilf Du mit mir[,] Gott um unser Leben zu bitten! Um unser Leben! Oh Herzensschätzelein! Darinnen liegt all unser Glück beschlossen, was wir noch erwarten: in unserem gemeinsamen Leben. Du!!! Geliebter! Mein [Roland]! Ich drücke Dich voller Liebe fest an mich. Ich küsse Dich lieb und lind! Bleibe mein, wie ich auch ewig Dein bleibe. Du!!! Ich liebe Dich! Liebe Dich unendlich! Gott sei mit Dir auf allen Wegen, er behüte Dich mir!

Sei vieltausendmal lieb gegrüßt von Deiner treuen [Hilde].

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Autor Hilde Nordhoff
Korrespondenz Oberfrohna
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Hilde Nordhoff

Foto von Hilde Nordhoff. Nahaufnahme, Person im Sommerkleid, im Hintergrund Bäume.
Ba-OBF K01.Ff2_.A12. Hilde Nordhoff, 1940, Oberfrohna, Fotograf unbekannt, Ausschnitt aus Fotoalbum.

Hilde Nordhoff wurde 1920 als Hilde Laube in eine Arbeiterfamilie in Oberfrohna, eine Kleinstadt in Sachsen, hineingeboren. Sie arbeitete ein Jahr lang als Hausangestellte, dann in einem Trikotagenwerk.

Sie kannte Roland Nordhoff aus der Kantorei in Oberfrohna und trat sogar der evangelischen

Über die Korrespondenz

Oberfrohna

Fotografie des Brautpaars Nordhoff am Tag ihrer Hochzeit vor dem Portal der Kirche.

Das Konvolut aus Oberfrohna befindet sich gut erhalten in privaten Händen in Deutschland. Es umfasst 24 Aktenordner mit ca. 2600 Briefen, die zwischen 1 und 20 Seiten lang sind. Der Briefwechsel beginnt im Mai 1938 und dauert, mit einigen kurzen (Urlaubs bedingten) Unterbrechungen, bis Februar 1946

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