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[OBF-420113-002-01]
Briefkorpus

Dienstag, am 13. Januar 1942.

Herzensschätzelein! Geliebtes Herz, Du! Mein [Roland]!

Ach Du! Da habe ich nun gestern, am Montag nicht geschrieben, weil ich erst einmal abwarten wollte, was Du mir nun schreiben wirst über Deinen Urlaub. Und es kam kein Brief, Du! Ach Herzelein! Du!! Weißt? Ich bin bei mir so fest überzeugt nun, daß Du kommen wirst. Ich weißt auch nicht, was mich so gewiß macht. Ich glaube einfach ganz fest, Du kommst. Du! Ich glaube ganz fest daran!

Geliebter! Ich bin so voll Unruhe und so voller Warten, ach – wie soll ich Dir’s nur erklären? Du! Es ist mir halt so, als seist Du, mein Lieb auf dem Weg zu mir. Am Montag gegen Abend nahm meine Unruhe sichtlich zu. Ich mußte immerfort Dein denken, Herzelein. Ach!! Meine Wangen glühten ja sooo und es war mir so unruhig zumute; ich kann das Dir garnicht mit Worten beschreiben. Du? Ob Du nun schon auf der Fahrt nach Hause bist? Ich glaube es beinahe Herzelein!

Herzlieb! Heute Nacht um 12 bin ich aufgeweckt und hatte solch heftigen Schlucken. Du wirst lachen, wenn ich auf diese Anzeichen etwas gebe! Jemand muß an mich gedacht haben zur gleichen Stunde. Und wer auf der Welt sollte um Mitternacht an mich denken, außer meinem Herzensschatz? Du kannst es nur gewesen sein, Du! Ob Du nun auch unruhig geschlafen hast, sodaß ich’s bis hierher verspürte? Oder sitzt mein [Roland] schon auf der Eisenbahn? Ich weiß nun nicht, was ich denken soll, Du!! Geliebter! Ach, ich habe doch bis zum Morgen kein Auge mehr zugetan, Du gingst mir nicht aus dem Sinn. Es war ½ 7 morgens, als ich aus dem Bettlein kroch, es litt mich nicht mehr. Und ich habe mich gleich in die Arbeit gestürzt, damit ich mein unruhiges Blut besänftige, Du!! Die Küche habe ich gründlich reine gemacht von oben bis unten. Um 9 Uhr, als die Zeit des Postboten nahte, mußte ich meine Arbeit ruhen lassen und aus dem Fenster schaun, bis er kam. Es war ja soo bitter kalt! Doch ich habe ausgehalten, bis der Postbote kam – ich habe sooo sehnsüchtig gewartet! Ach – soo lang gehofft! Mein Herz hat nun so geklopft. Und er mußte mich wieder enttäuschen, er hatte nichts für mich. 2 Tage sind es nun wieder. Ach Du!!! Ich war doch so enttäuscht, Du!!! Aber Du kannst es ja nicht ändern, hast mir sicher geschrieben, nur die Post kann es nicht schaffen.

Weißt, ich mußte heute immer denken: Vielleicht ergeht es meinem [Roland] jetzt genau so wie den meisten Soldaten, daß Du auch ganz unverhofft abfahren darfst und daß es sich so garnicht mehr lohnt, zu schreiben, weil Du selbst ja eher da bist als Dein Brief. Ob es so ist? Ich weiß ja nicht!! Aber ich denke es mir so, Du!

Ach Du!!! Heute ist der 13. Januar, ich hatte ganz bestimmt heute mir einer Entscheidung gerechnet. Und ich kann nicht anders – ich muß glauben, als kämest Du heim, als seist Du schon auf dem Weg zu mir.

Oh Geliebter! Morgen muß doch nun ein Brief kommen, auch wenn Du schon abgereist bist, gestern. Und wenn immer noch keiner kommt, dann kommt mein Herzlieb am Donnerstag selbst! Oh Du!!! Du!!!!! Du!!!!!!!!!!!!! Geliebter, mein Geliebter! Ich finde keine Worte mehr. Alles ist mir wie zugeschnürt vor banger Hoffnung, Freue und Erwartung. Oh Du!! Herzelein! Mein Herzelein!!! Was soll ich Dir denn jetzt noch sagen? Ach – so viel habe ich Dir zu sagen! Du weißt es ja! Doch alles muß ich Dir selber sagen. Ach Du!!! Die Worte sind ja so dürftig, so arm. Oh Geliebter! Das, was ich Dir sagen will und sagen muß, Du!!!!! Das läßt sich mit Worten überhaupt nicht sagen. Das muß ich Dir zeigen! Dich fühlen lassen! Oh mein herzliebes, liebstes Mannerli. Du!!!!! Ich liebe Dich! Ich liebe, liebe Dich! Herzelein! Kannst Du es mir nachfühlen, wie ich vor Erwartung und Erregung keine Worte finde, keine Ruhe, mich zu sammeln? Oh, ich denke nur immerfort an Dich! Ich lasse Dich keine Minute aus [me]inen Gedanken fort, mein Schätzelein! O sag? Fühlst Du das? Spürst Du das? Ich muß mich sooo sehnen nach Dir! Oh Du!!! Soooo sehr! Ich finde allein Befriedigung, wenn ich so mit all meinen liebsten und heimlichsten Gedanken rüste auf Dein Kommen! Wenn ich putze und schaffe, wenn ich alles vorbereite zum Fest. Du! Es ist doch ein ganz großes Fest, wenn mein Herzblümelein keimkommt! Oh ja!!! Ach – ich rüste auf dies Fest mit aller Liebe, deren ein liebendes Weib nur fähig ist.

Du! Ich weiß nicht, wie das Mannerli die letzten Stunden ausfüllen würde, wenn es sooo lieben Besuch erwartete? Sag? Ach! Du!!! Ich habe es ja schon viele Male erlebt, wie Du die Zeit genützt hast, als Du gewartet hast auf mich! In unsrer Brautzeit noch, wenn ich zu Dir auf Besuch kam! Du!!!!! Hast ja alles soo lieb hergerichtet und vorbereitet, hast an alles, alles gedacht, was zwei sich wünschen, die sich ganz sehr liebhaben und sich gut sind und die miteinander allein sein möchten mit ihrem Glück. Oh Geliebter, Du! Ich muß immer etwas zu tun haben nun, daß die Wartezeit nicht so quälend lang dauert. Ach, wenn ich nicht wüßte, daß Du kommen willst! Aber ich weiß es ja!! Und weiß ja sogar schon die Daten, an denen Du ungefähr hier sein kannst. Herzlieb! Ich kann ganz bestimmt keine Nacht mehr ruhig schlafen bis ich nun endlich wissen werde, wie es wird. Du!!!

Mein [Roland]! Mein liebster [Roland]! Eine ist noch, die auch so sehnsüchtig auf ihr Mannerli wartet: Frau L. Ich habe gestern mit ihr gesprochen. ‚Er‘ hat sich für Januar angemeldet, dann schrieb er an den Feiertagen auch, daß Urlaubssperre sei. Und nun war ‚sie‘ doch ganz enttäuscht. Als ich ihr nun erzählte, daß die Sperre ab 12.I. aufgehoben sei, war sie gleich wieder voller Hoffnung. Athen – Saloniki, ist doch alles eine Strecke. Du!! Ob sich denn auf der Welt noch zwei Menschen soo ganz herzinnig sehnen können wie Du und ich? Ob sich noch zwei soo ganz von Herzen liebhaben, wie wir? Ob sie ein so köstliches Glück ihr Eigen nennen können wie wir es hüten? Oh Herzensschätzelein! Ich bin sooo voller Liebe und Sehnsucht nach Dir!!! Oh Du!! [D]u!!! Und ich weiß, auch Du ersehnst nichts inniger und heißer, als mir heimzukehren! Mein [Roland]! Ich bete ganz innig zu Gott, unserm Vater, daß er mir Dich heimkehren läßt, gesund und wohlbehalten. Ich befehle Dich ihm an. Er wird es wohl machen! Geliebter! Herzelein! Komm! Oh komm zu mir, daß ich Dir all meine große Liebe bringe! Ich bin Dein! Ganz Deine [Hilde].

Du!!! Du! Du!!

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Autor Hilde Nordhoff
Korrespondenz Oberfrohna
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Über den Autor

Hilde Nordhoff

Foto von Hilde Nordhoff. Nahaufnahme, Person im Sommerkleid, im Hintergrund Bäume.
Ba-OBF K01.Ff2_.A12. Hilde Nordhoff, 1940, Oberfrohna, Fotograf unbekannt, Ausschnitt aus Fotoalbum.

Hilde Nordhoff wurde 1920 als Hilde Laube in eine Arbeiterfamilie in Oberfrohna, eine Kleinstadt in Sachsen, hineingeboren. Sie arbeitete ein Jahr lang als Hausangestellte, dann in einem Trikotagenwerk.

Sie kannte Roland Nordhoff aus der Kantorei in Oberfrohna und trat sogar der evangelischen

Über die Korrespondenz

Oberfrohna

Fotografie des Brautpaars Nordhoff am Tag ihrer Hochzeit vor dem Portal der Kirche.

Das Konvolut aus Oberfrohna befindet sich gut erhalten in privaten Händen in Deutschland. Es umfasst 24 Aktenordner mit ca. 2600 Briefen, die zwischen 1 und 20 Seiten lang sind. Der Briefwechsel beginnt im Mai 1938 und dauert, mit einigen kurzen (Urlaubs bedingten) Unterbrechungen, bis Februar 1946