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[OBF-420112-001-01]
Briefkorpus
 

Montag, den 12. Januar 1942

Herzallerliebste! Du! Mein liebes, liebstes Weib! Holde mein!

Dein lieber Bote von 5.1. ist heute zu mir gekommen. Die Post geht wieder besser und ich kann hoffen, daß auch Du nun in den Besitz meiner Boten gelangt bist. Am 22., 23., 27., 28., 29., 30. habe ich Dir geschrieben. Ach, ich denke nicht, daß diese Briefe verloren gingen! Kamerad K. ist noch nicht zurück. Der Spieß ja nun schon eine Woche.

Herzelein! Es ist ein großes Stillschweigen um den Urlaub. Das Heer fährt ab heute wieder. Und wir dürfen hoffen, daß am Montag auch für uns das Tor sich wieder auftut. Schätzelein!!! Ganz von selber hat heute der Spieß geäußert, daß ich dann fahren kann, Du!!! Ach, möchte nichts dazwischen kommen! Oh Herzelein! Wie gern, ach wie gern, sooo gern möchte ich Dir Deine Freude erfüllen!!!!! Deine Freude – und meine Freude! Oh Du! Deine Freude ist ja die meine! Oh Herzelein! Es wird alles gut gehen! Und sobald ich Sicheres und Bestimmtes weiß, bist Du doch die erste, die ganz, ganz schnell es wissen und erfahren muß! Oh, Du freust Dich ja sooo sehr schon! Du! Weil Du mich sooo lieb hast! Sonst könntest Du Dich ja gar nicht so freuen! Und das Mannerli könnt ja gar nicht heimkehren, wenn es Dir untreu geworden wäre und Dich nicht mehr von Herzen liebte! Oh Schätzelein! Ich bin doch schon ganz zapplig – und spanne, spanne, daß alles auch klappt. Ich weiß doch keinen anderen Weg, den ich lieber ginge, als den heim zu Dir! Zu Dir!!!

Schätzelein! Nun laß mich erst noch von gestern etwas erzählen. Als Kamerad H. heimkam, schrieb ich doch gerade noch die letzten Zeilen von Deinem Boten. Dann hielten wir zusammen Abendbrot und wurden schnell uns einig, ein Kino zu besuchen. „Amphitrion“. Weiß nicht, ob Du schon von dem Film gehört hast oder ihn selber schon gesehen. Er kann nicht mehr ganz neu sein, denn Adele Sandrock spielt noch mit. Dieser Film ist ein ganz besonderer Fall. Vorweggenommen sei, daß wir uns sehr amüsiert haben dabei. Der Film führt uns ins alte Griechenland, auch Hellas genannt. (Nur Bauten). Die beiden Stadtstaaten Theben und Sparta liegen in blutigem Streit. Die Frauen Thebens sind ganz ohne Männer und harren der Nachricht vom Ausgang des Krieges, harren sehnlich, manche schon mit murrender Ungeduld der Heimkehr ihrer Männer. Die schöne Alkmene wartet auf ihren Mann Amphitrion, Hauptmann im Heer der Thebener. Die Frauen rotten sich zusammen auf dem Markte, klagen einander ihr Leid, manche mit lautem, unwilligem Murren. Da tritt Alkmene auf und ermahnt die Frauen zu geduldigem Ausharren du würdigem Ertragen des Unabänderlichen. Und ihre Worte finden Anklang. Jedermann weiß, daß die Sprecherin mit ihrem Mann das Kostbarste in Gefahr weiß, sie liebt ihren Mann ganz heiß und treu.

Soweit ist der Film ganz ernst, und man weiß nicht, ob ein Lustspiel oder ein Trauerspiel werden soll. Alkmene kehrt in ihr Haus zurück. Die vorhin öffentlich so tapfer sprach, sie überkommt zu Hause große Sehnsucht und Verzagtheit. Und sie wendet sich fürbittend an Jupiter, den obsten Gott, in kindlicher, gläubiger Klage, die aber schon etwas ironisiert wird.

Nun werden wir in den Himmel versetzt. Jupiter, auf seinem Lager schnarchend, hört die Bitte der Alkmene. Er ruft Merkur, den Götterboten (Paul Kemp). Der braust auf Rollschuhen (!) über die Marmorflächen der Himmelssäle und bringt den Erdenspiegel. Jupiter erkundigt sich nach Alkmene. "Ist sie jung? Ist sie schön? Was wünscht sie?["] Nun sucht er sie mit seinem Spiegel. Merkur ist ihm dabei behilflich, und das ist gut, denn Jupiter stellt sich nicht gerade recht schlau an, er sucht in Amerika. Er findet Gefallen an der Frau. Er läßt sich von diesem Wohlgefallen bestimmen, den Thebanern den Sieg zu schenken (!), will aber noch vor der Heimkehr Aphitrions ein Abenteuer bei Alkmene suchen. Er entschließt sich zu einer Erdenreise nach Theben. Jupiters Frau, eine ältliche, spitze häßliche Person, sie bestimmt und macht ihrem Mann nun eine Szene. Jupiter soll seiner alten Gewohnheit treu die Bäder von Sparta zur Heilung aufsuchen. Jupiter und Merkur rüsten nun zur Reise. Jupiter, ein alter Vater, schon mit etwas lichtem Haar und Merkur, hübsch jugendlich, lassen sich im Fallschirm (!) herunter zur Erde. Sie kommen nun als Fremde nach Theben. Sehen die Standbilder auch, die ihnen errichtet wurden! Alkmene erscheint auf dem Markte, und Jupiter zögert nicht, sich ihr sogleich etwas umständlich und gespreizt zu nähern. Merkur steht unterdessemn unter seinem Standbild, das eben von einer Griechenfrau, Alkmenes Dienerin, geschmückt wird, die dem Fremden gegenüber aus ihrer unfrommen Verehrung für den schönen Marmorjüngling kein Hehl macht. Kurzum, Jupiter bekommt einen Korb, Merkur hingegen hat Glück. Jupiter gibt nicht Ruhe. Er verjüngt und verschönt sich nun und nimmt die Gestalt Amphitrions an, Merkur aber weist er die undankbare Rolle des beschränkten und versoffenen Dieners zu. So verwandelt, dringen die beiden in Alkmenes Haus ein. Die Täuschung gelingt wenn auch unter reichlichen Verwicklungen. Jupiter findet sich nicht zurecht in Alkmenes Haus, findet das Schlafzimmer nicht, kriegt seine Rüstung nicht herunter – und trinkt reichlich von dem Samos, sodaß er trunken einschläft und Alkmene enttäuscht. Währenddem kehren die Thebaner aus der Schlacht zurück. Merkur und Jupiter haben höchste Eile, aus dem Haus zu kommen. Jupiter läßt seine Rüstung stehen. Sie wohnen nun beide in ihrer Wandrergestalt dem Einzug der Sieger bei. Alkmene ist nicht beim Empfang. Ihr Amphitrion ist ja schon daheim und schläft seinen Rausch aus. Amphitrion schaut vergebens und besorgt nach seiner Gattin aus. Jupiter und Merkur haben ihre Freude dabei. Amphitrion kehrt erwartungsvoll heim, aber Alkmene ist kühl und abweisend, die Enttäuschung vom Vorabend ist noch in ihr. Und nun beginnen die Verwicklungen. Eines mißversteht das andere. Alkmenes Diener ist ganz außerm Häuschen: „Wir sind doppelt!“ Amphitrion verfällt in Raserei – bezichtigt seine Frau des Treubruchs, Alkmene kennt sich nicht mehr aus. Amphitrion sucht mit der Rüstung, die er in seinem Hause fand, einen Rechtsanwalt auf. Jupiter und Merkur selber haben dieses Rechtsbüro inne. Sie erschrecken beide über ihre Nachlässigkeit, daß sie die Rüstung stehen ließen – wollten doch nur ihren Scherz treiben mit den Menschen – sehen nun tragische Verkettungen sich bilden – und um alles wieder einzurenken, verwandeln sie sich noch einmal in ihre alten Ro[ll]en. Jupiters Frau selber kommt herbei, sie entlarvt ihren Mann: „Komm Du nur heim! Unsterblich hast du dich blamiert.[“] Es ist unmöglich, alle Einzelheiten wiederzugeben. Schlußbild: Himmelfahrt – mit dem Fallschirm. (!) Das ganze Spiel flott, gut, sehr gut gemimt, frauliches Wesen oft treffend gekennzeichnet und konterfeit, auch karikiert.

Aber einen Nachgeschmack hat der Film. Dieser Nachgeschmack kommt von dem Schwanken zwischen Ernst und Scherz. Es kommt dazu von ganz gefährlichen Verzerrungen des Verhältnisses von Mensch zu Gott. Ein Wagnis schon, den Göttern – und seien es die heidnischen Griechengötter – so menschliche Schwächen anzudichten und so niedrige Regungen zu unterstellen. Ganz unmöglich einige Szenen, die dem Gläubigen Heiliges ganz teuflisch karikieren und ironisieren, die eine Blasphemie (Verhöhnung) den Gläubigen heiliger Vorstellungen bedeuten. Ganz unmöglich die Filmerei von dem Gebet der Alkmene und dessen Erhörung. Das ist offener Hohn. Ganz unmöglich auch die Himmelfahrt am Schluß. Gefährlich und unmöglich immer auch gesehen auf die große Menge der Zuschauer, die hier nicht sofort zu scheiden weiß zwischen künstlerischer Freiheit, und Kunst der Ironie und einer irgendwie gültigen Meinung, die sie hinter jedem Film sucht. Und das merkte man auch an dem Gelächter. Nein, dieser Film ist doch ein ganz übler, gefährlicher Zwitter – trotz allem – in seiner Mischung von Ernst und Ironie und Komik. Ach Herzelein! Ein paar ganz ernste Szenen, das Gebet der Alkmene, die Heimkehr des Amphitrion, die ließen doch mein Herz ganz wild schlagen – Du! Du!!! So lieb und treu, so voll Sehnen und Erwartung, ganz übervoll das Herz und bereit, ganz eins zu sein mit mir und Dein Mannerli mit dem Größten und Liebsten zu beschenken – so schaust auch Du aus nach mir – Du! Du!!! Oh Geliebte! Ich weiß es, ich fühle es! Wie reich bin ich! Wie glücklich! Wer kann noch so heimkehren wie Dein Mannerli? Wem wird noch solch lieber Empfang? Wer wird noch so lieb und sehnlich erwartet? Oh Geliebte! Geliebte!!! Du sollst an mir auch den liebsten und glücklichsten und dankbarsten Heimkehrer haben – Du! Du!!! Oh Geliebte! Die Liebe hat uns sooo ganz eingenommen! Sie beseelt uns ganz! Sie hat uns ganz in ihren Bann geschlagen. Oh Herzelein! Alles in mir ist auf Dich gerichtet! Du bist mein Herzschlag, mein Leben! Oh Herzelein! Ich habe nichts, das mir nicht entbehrlich wäre. Der Mensch braucht nicht viel zum reinem guten Leben, nicht viel an äußeren Gütern. Aber Du, Du Geliebte! bist mir ans Herz gewachsen, an Dich habe ich mich verloren, an Dich habe ich mein Herz gehängt – Du bist mein Schatz! mein kostbarer, einziger Schatz auf dieser Welt!!!

Oh! Gott sei uns gnädig! Er segne unsre Liebe!

Schätzelein! Ich will Dir doch bald, ganz bald heimkehren! – und über 8 Tage, wenn dieser Bote zu Dir kommt – vielleicht darf dann Dein Mannerli schon zur Heimkehr rüsten – Du! Du!!! Ich bin doch schon ganz bereit! Muß ich aber noch ganz brav sein! Und mein Herzensschätzelein auch! Ja? Du! Du!!!!! Oh Geliebte! Soll es wieder Wirklichkeit werden? Du! Du!!! Helfe uns Gott dazu!

Ich liebe Dich! Ich muß mich so nach Dir sehnen! Ich möchte ganz Dein Eigen sein, ganz Dir gehören! Ganz einssein mit Dir!

Sagst Du's denn auch schon meinem lieben Herzelein? Oh, mein Herzelein! Ich will sooo lieb es küssen und umfangen! Du!!!

Mein liebes Weib! –

Ewig Dein [Roland]!

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Kommentare

drew.bergerson

Mo., 21.01.2019 - 17:58

Roland beschreibt den Spielfilm "Amphitryon". Obwohl der Film 1935 gedreht wurde, reagiert Roland darauf aus seinem jetzigen Zustand heraus: als Soldat, der auch weit von seinem Heimat entfernt war sowie als Mitglieder der Deutsche Besatzung von modernen Griechenland Januar 1942.

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Autor Roland Nordhoff
Korrespondenz Oberfrohna
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Über den Autor

Roland Nordhoff

Foto von Roland Nordhoff. Nahaufnahme, Person sitzend in einem Fensterrahmen.
Ba-OBF K01.Ff2_.A39, Roland Nordhoff, 1940, wahrscheinlich Bülk, Fotograf unbekannt, Ausschnitt.

 

Roland Nordhoff wurde 1907 in eine bürgerliche Familie in einem ländlichen Dorf im östlichen Sachsen, Kamenz, hineingeboren. Nachdem er ein Musikstudium aufgegeben hatte, arbeitete er als Dorflehrer in Oberfrohna, nahe Chemnitz. Im Frühjahr 1938 wurde er nach Lichtenhain in Sachsen versetzt

Über die Korrespondenz

Oberfrohna

Fotografie des Brautpaars Nordhoff am Tag ihrer Hochzeit vor dem Portal der Kirche.

Das Konvolut aus Oberfrohna befindet sich gut erhalten in privaten Händen in Deutschland. Es umfasst 24 Aktenordner mit ca. 2600 Briefen, die zwischen 1 und 20 Seiten lang sind. Der Briefwechsel beginnt im Mai 1938 und dauert, mit einigen kurzen (Urlaubs bedingten) Unterbrechungen, bis Februar 1946