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[OBF-420110-001-01]
Briefkorpus

Sonnabend, den 10.Januar 1942

Herzallerliebste! Meine liebe, liebe [Hilde]. Du! Mein! Mein!!!

Sonnabend ist. Um 5 Uhr haben wir Listen, Akten und Schränke zugeklappt – Feierabend. Am Sonnabend ist dieser Feierabend doch um ein paar Grad freundlicher, einmal ein wenig früher und dann mit der Aussicht auf ein paar Stunden Freizeit mehr.

Ach Herzelein! Ich hatte erst vor, mit Kamerad H. ein Kino zu besuchen, gleich d nach dem Dienst. Aber ich hatte gar keine Lust. [Ich] Bin zu Hause geblieben, habe unseren Ofen in Gang gesetzt – und habe gewartet – auf etwas viel, viel Lieberes als im Kino – ja gewartet – auf wen? Auf wen sonst als auf mein Herzensschätzelein! Die Post kommt doch jetzt immer erst am Abend, weil der Zug meist später einläuft. Und ich habe doch nicht umsonst gewartet - Du! Du!! Du!!!

Siehst Du mich denn nicht sitzen hier? Allein, bei der Tischlampe im warmen Stübchen – allein mit meiner ganzen Freude und Seligkeit! Oh Geliebte! Allein mit all der reichen Liebe, die zu mir gekommen ist!!! Drei Briefe habe ich bekommen. Ja! Dein Mannerli hat einen Anfang, einen Ankratz, einen Briefwechsel! Der eine kommt von Oberfrohna, Schröderstraße 18 II (den Ort kannst Du ja gar nicht kennen), der andere von Frau [Hilde Nordhoff] (die Vorzüge dieser Frau kann ich Dir nicht schildern, Du möchtest sonst arg eifersüchtig werden), und der dritte, nun der ist von Dir. Ach Du! Du!!! Du!!!!! Herzelein!

Schätzelein! Liebes ! Liebstes! Du! Geliebte! Ich muß Dich doch gleich einmal ganz lieb an mich drücken, oh Du! Du!!! ganz fest, ganz lieb! Ach Du! ganz wild!!! Das ist doch all ein und dasselbe Haus, derselbe Ort – einunddasselbe Schloß – einunddasselbe Herz, aus dem sooo reiche Liebe quillt! Oh Du! Du!!! Mein Herzlieb! Mein Weib! Mein liebes, treues, einziges Weib!!! Wie kannst Du mich so glücklich machen! Sooo glücklich!!! Oh Du! Ganz überglücklich und närrisch vor lauter Liebe! „Ich bin ganz Dein! Dein Weib! Deine [Hilde]! So ganz Dein bin ich!“

Oh Herzlieb! Erhalte Gott uns dieses Glück! Bleib mir gesund! Oh Du! Warte mein!!! Halt mir die Heimat! Damit ich heimkehren kann! Du bist meine Heimat! Ohne Dich wäre ich heimatlos! Oh Du! All mein Reichtum! Mein Glück! Oh Herzelein! Wie will ich sie hüten, diese köstliche Quelle! Niemandem sie sagen – wie ein Grab will ich schweigen, Du! Das Mannerli kann es! – oh Du! ganz, ganz heimlich will ich immer zur Quelle gehen! Oh Schätzelein, will ihre Gunst, ihre Huld mir erhalten mit allem, was ich nur habe: mit meiner Herzensfreude, mit meiner heimlichsten, innigsten Liebe, mit meine großen Vertrauen, meiner Treue! Oh Du! Wie will ich sie hegen! Oh Herzelein! Ich will sie fassen und umarmen mit aller Herzensliebe! Oh Schätzelein! Und will zur Quelle kommen! Oh Du! Will kommen wieder und wieder – seligste Stunde!  Will bei ihr liegen, will mich an ihr laben – ach, wie das Kindlein an der Mutterbrust –  will mich so satt trinken – oh Herzelein! Dank! Dank!!! Ach Geliebte! Ich will Dir doch nur sagen, wie glücklich ich bin und wie ich Dich sooo lieb habe!

Ach Du! Nun ist Sonntag bei mir!

Herzelein! Du! Du!!! Daß Du meine Liebe magst! Daß Du sie annimmst! Ach Du!, daß sie Dich beglückt und beseli[g]t und ganz erfüllt! Daß wir einander sooo reich beglücken können und so innig liebenDu!!! Du!!!!! !!!!! !!!

Ach Herzelein! Du! Wie jauchzt und springt mir der Quell Deiner Liebe entgegen! Raunt mir heimlich soviel Dunkles, Tiefes, Liebes! Und macht mich, fröhlich und übermütig, spritzt das Mannerli naß!  Und packt mich und verpackt sich dann und will mir entfliehen!

Du! Du!

Wenn nur das Mannerli bei Dir wäre, es läßt nicht zweimal sich einladen zum fröhlichen Spiel, Du! Ich hasche Dich doch! Ich krieg Dich ein, wildes Bächlein! Und ich necke Dich wieder, Du! Halte Dich fest am Schürzenband, und wenn Du das Schürzel nimmer um hast, am Kleidel! Und wenn auch kein Kleidel mehr da ist, am Zöpflein, Du! Du!!! Ach, so wild läuft mir mein Schätzelein doch gar nicht davon! Ich soll es doch einkriegen! So sehr schließt es doch seine Tür gar nicht zu! Das Mannerli soll doch hereinkommen! Sogar ins Badestübel! Du! Du!!! Du!!!!! !!!!! !!! Oh Geliebte! Ich muß doch ganz tief Atem holen. Ganz aus der Tiefe, wo die Sehnsucht wohnt, die schwere! Oh Geliebte! Die Sehnsucht nach deinem Bilde – nach Deiner Schönheit, nach meinem Weibe! Oh Herzelein! Du kennst doch das Bild Lied von der Meermuschel. „Du milchjunger Knabe, wie schaust Du mich an? Was haben Deine Augen für eine Frage getan? Alle Ratsherrn der Stadt, alle Weisen der Welt bleiben stumm auf die Frage, die Deine Augen gestellt. Eine Meermuschel liegt auf dem Schrank meiner Bas', da halte Dein Ohr dran, dann hörst Du etwas.“ Ich wüßte kein schöneres Lied, keine besseren Worte, die noch so keusch und zart und leis und tiefdunkel berühren, was ich empfinde bei dieser Sehnsucht. Oh Geliebte! Siehst Du Dein Mannerli? Ganz still und groß und ernst schaut es Dich an! Schaut im Geist das Bild Deiner Schönheit, Weib! Mein Weib! Du!!! Oh wie sehne ich mich nach Dir! Wie sehne ich mich nach Dir! Nie in meinem Leben werde ich die Stunden vergessen! Herzelein, die Stunde, die das Heimlichste offenbar werden läßt. Um die mein Sehnen zittert vor Schmerz und Freude! Sehnen, zutiefst verborgen im Herzen – Stunde, die gar nicht heimlich genug sein kann! Oh Herzelein! Wie irrig alle, die diese Stunde ihrer Heimlichkeit, der Liebe Innigkeit und Geborgenheit  entkleiden. Ich verstehe den Maler nicht, den Bildhauer nicht, der sie preisgibt der Öffentlichkeit. Ich mag kein Bild, das so billig und willig preisgibt und darum nur lüstern macht und entweiht.

Oh Herzlieb! Nur bei Dir kann und mag ich weiter Schönheit schauen – Geschenk höchster Liebe! Nur dem Geliebten kann sie sich entschleiern – nur der von Herzen Liebende kann sie recht schauen! Es ist doch gar kein Entschleiern und Darbieten und Schauen – einen dichteren Schleier, eine größere Heimlichkeit und tiefere Geborgenheit gibt es doch gar nicht als das Einssein zweier Menschenkinder, als die Einsamkeit zweier Liebenden – ach Du! Geliebte! Mein liebes, einziges Weib! Du verstehst Dein Mannerli darin sooo ganz aus Deinem Herzen! Niemandem als Dir allein hätte ich mich so von Herzen verständlich machen können – nur Du allein kannst mich so ganz verstehen. Ach, Du wundersames Weib entlockst mir jedes Bekenntnis! Willst mich ganz aufnehmen und einnehmen und willst ganz erfüllt sein, willst ganz einssein mit mir – und am tiefsten und liebsten im Kindlein!!! Oh Du! Du!!! Wundersame Liebe! Wundersames Weib! Oh Du! Fühlst Du wohl auch so wunderselig Mannes Art im Wesen Deines Mannerli, der dem Weibe sich neigen muß, die sich sehnt, um Liebe und Huld zu werben und zu dienen; die Zuflucht sucht, Geborgenheit, Vertrauen, die bedrängen muß und erfüllen will! Geliebte! Holde mein! Ich liebe Dich! Du bist Erfüllung all meines tiefen Sehnens! All mein Reichtum! Mein Glück!

Oh Herzlieb! Deine Boten künden mir von Deinem, von unserem Glück! Herzelein! Wir lieben einander! Und dieses Lieben erfüllt uns ganz, unser ganzes Leben – es quillt aus unsrer Herzen und Wesen Mitte. Oh Geliebte! Wie soll ich dir sagen, wieviel mir diese Liebe bedeutet! Sie gehört nun zu meinem Leben wie der Schlag meines Herzens, so notwendig, so selbstverständlich, und doch über alle Maßen beglückend wie ein ganz seltener, köstlicher Schatz! Oh Herzelein! Diese Liebe hat mich ganz eingenommen, tausendfach ist sie veranert in meinem Herzen. Oh Herzlieb Sie ist mir der gewisseste Besitz. Mein Herz ist voll Liebe zu Dir! Voll Liebe einzig zu Dir! Und diese Liebe ist ein Sauerteig, ist ein Wirken und Leben, will nur schenken und beglücken und verströmen und schwellt das Herz oft so übervoll! Oh Herzelein! Es hat nichts anderes Raum mehr in meinem Herzen als diese Liebe! Meine Liebe gehört Dir sooo ganz! Sie kann nur ein Ganzes sein!

Und so liebst auch Du! Es kann nicht anders sein – und ist nie anders gewesen! Oh Herzelein! Du hast mich zuerst geliebt! Hast mich ganz heiß und leidenschaftlich geliebt! Und diese Liebe ist nicht vergangen, ist nicht kleiner geworden! Oh Herzelein! Du! Sag[‘] mir's! Ist's auch, ein klein wenig nur, die Liebe Deines Mannerli gewesen, die sie wachsen ließ?

Oh ja! ja!!! ja!!!!! Ja! So gewiß Dein Herzelein größer geworden ist und unsre Brünnlein ineinanderfließen – Du!!! Du!!!!! Du!!!!! !!!!! !!! So gewiß schlagen die Wellen der Liebe von mir zu Dir! Von Dir zu mir! So gewiß können wir nimmer voneinander lassen, nimmer einander verlieren!

Oh! Gott im Himmel! Sei uns gnädig! Segne unsre Liebe! Er behüte Dich auf allen Wegen!

Ich will nun schlafen gehen! Es ist schon ganz spät – und still im Haus! Oh Du! Ich bin doch ganz allein mit Dir! Ich wird wohl gar nicht schlafen können! Wird mich so nach Dir sehnen müssen! Ich liebe dich! Du! Herzlieb! Mein Ein und Alles! Meine Liebe! Meine Sonne!

Ewig Dein [Roland]!

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Autor Roland Nordhoff
Korrespondenz Oberfrohna
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Über den Autor

Roland Nordhoff

Foto von Roland Nordhoff. Nahaufnahme, Person sitzend in einem Fensterrahmen.
Ba-OBF K01.Ff2_.A39, Roland Nordhoff, 1940, wahrscheinlich Bülk, Fotograf unbekannt, Ausschnitt.

 

Roland Nordhoff wurde 1907 in eine bürgerliche Familie in einem ländlichen Dorf im östlichen Sachsen, Kamenz, hineingeboren. Nachdem er ein Musikstudium aufgegeben hatte, arbeitete er als Dorflehrer in Oberfrohna, nahe Chemnitz. Im Frühjahr 1938 wurde er nach Lichtenhain in Sachsen versetzt

Über die Korrespondenz

Oberfrohna

Fotografie des Brautpaars Nordhoff am Tag ihrer Hochzeit vor dem Portal der Kirche.

Das Konvolut aus Oberfrohna befindet sich gut erhalten in privaten Händen in Deutschland. Es umfasst 24 Aktenordner mit ca. 2600 Briefen, die zwischen 1 und 20 Seiten lang sind. Der Briefwechsel beginnt im Mai 1938 und dauert, mit einigen kurzen (Urlaubs bedingten) Unterbrechungen, bis Februar 1946