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[OBF-420108-001-01]
Briefkorpus

[Saloniki] Donnerstag, den 8. Januar 1942

Geliebtes, teures Herz! Du mein liebes, treues Weib!

Ob Du denn nun im Besitze meiner Boten bist, Herzensschätzelein? Du armes, liebes Weib! Weißt nicht recht warum und mußt sooo sehr warten! Ich kann mir doch auch fast es nicht erklären. Kurz vor Weihnachten ist eine Brücke des Wardar so unterspült worden, daß sie unpassierbar war für den Zug. Mit Lastwagen mußte unsre Post etwa 100 km weit geholt und auch weggebracht werden. Nur so scheint mir die Verzögerung erklärlich. Damals war es, daß auch wir so lange warteten.

Ach Herzelein! Ich habe stets treulich Dein gedacht. Am Heiligabend nur habe ich nicht geschrieben, sonst immer, Du! Ach, Du zweifelst nicht an meiner Liebe und Treue – Herzelein, so wie nimmer ich glauben kann, daß Du mir untreu wirst. Ach, nun wirst Du doch alle Zeichen meiner Liebe bei Dir haben, einen großen dicken Strauß, daß mein Feinslieb ihn kaum mit seinen langen Armen umfassen kann, und daß es ihn ganz fest an sich pressen muß, an sein Herzelein, Du!!! Oh Geliebte! Daß Du meine Liebe magst! Daß Du mein wartest! Daß ich Dir soviel bedeute! Oh Herzelein! Du! Geliebte! Heimat, Geborgenheit! Bei Dir bin ich daheim! Du hast mich lieb, Du!!! Herzlieb! Dein Mannerli wollte schon als Bub nirgends einkehren und verweilen, bei Tanten nicht, bei der Großmutter. Verreisen – ja! Und mit dem Zug fahren! Aber anderswo bleiben – nicht, nicht! Eine Not war's. Wie ein Hündlein, das man nicht verkaufen kann, weil es immer wieder kommt, wie ein Blümlein, das man nicht verpflanzen kann, so war Dein Herzbüberle. Ach Du! Bei Dir mag es nun bleiben – immer, immer, Du! Du!!! Weil Du es sooooooo lieb hast, sooooooooooooo lieb! Oh Geliebte! Und so wie als Bub weiß Dein Mannerli so sicher, so aus dem Herzen bestimmt, wo seine Heimat ist, wohin es gehört – zu Dir! Zu Dir!!!!! !!!!! !!! Du mein liebes, liebes Weib! Ach, in dieser Bestimmtheit hängt es Dir an, wie ein Kindlein seiner lieben Mutter! Bist Du wohl glücklich darum? Du! Du!!!!!

Ach Schätzelein! Wenn meine Boten nun alle verlorengegangen wären, es täte mir sooo leid um Dich! Und daß Du nun nicht erhieltest, was ich Dir Liebes sagen wollte! Jeden Tag muß ich Dir doch Liebes sagen! Ach Du! Und manchen Tag kann ich´s doch gar nicht alles sagen!!! Aber viel trauriger wäre ich, würden mir Deine lieben Boten verloren gehen! Ich mag doch keinen verlieren und hergeben! Bis jetzt vermisse ich doch nur einen, vom April oder Mai. Und nun erst neuerdings zwei, die vom 15. und 16. Dezember. An diesen Tagen hast Du nach den folgenden Briefen mir geschrieben. Sie werden noch zu mir finden!

Zwei liebe, liebe Boten sind heute zu mir gekommen! Ach Herzelein! Sie künden mir all dein Sehnen und Lieben – und Warten! Sie künden mir, was mich allein ganz froh und glücklich machen kann – oh Geliebte! Kraft meinem Herzen! Sonnenschein meinem Leben! Nahrung meiner Liebe!!! Du! Du!!! Ich danke Dir aus tiefstem Herzen für alle Liebe und Treue!

Oh Schätzelein! Du mußt Dich so sehnen wie Dein Mannerli! Und manchmal wird sie übermächtig – reißt alle Schranken der Selbstherrschaft und Selbstzucht nieder – oh Geliebte!!! – Der Strom der Liebe, einmal entbunden und befreit, kennt keine Schranken! Oh Du! Mein liebes Weib! Und wenn wir für ganz umeinander wären – Du! Du!!!!! Dann brauchten wir doch solche Schranken gar nicht! Oh Du! Zwischen uns sollen doch gar keine Schranken mehr sein – sie sind doch alle gefallen – Du!!! Eins sind wir! Ganz eins! Und nur die böse Trennung hat sie wieder aufgerichtet. Oh Herzlieb! Dein Mannerli hat oft schon strenge Selbstzucht geübt – aber die Sehnsucht nach Dir vermag sie nicht niederzuhalten. Oh Herzlieb! Wir müssen uns dennoch stark und tapfer machen, sie hintanzuhalten. Ach Geliebte! Es ist eine Not. Aber von dieser Not wollen wir uns nicht beugen lassen. Nach Kräften wollen wir ihr wehren! Aber nie und nimmermehr könnte sie uns zur Untreue verleiten, zum Verrat an unsrer Liebe – nimmermehr!!! Oh Herzelein! Du befreitest den Strom meiner Liebe – nun eilt er Dir zu, unaufhaltsam, ungestüm – zu Dir, allein zu Dir! Oh Herzelein! Bei Dir erhalte ich zuerst die Wonne und Seligkeit und die Schauer seiner Befreiung wachen Sinnes. Kein anderes Menschenkind wird ihn je befreien. Er würde sogleich versiegen! Oh Geliebte! Ein wenig bin ich froh darum, daß auch Dir Befreiung werden kann vom ärgsten Druck des Sehnens. Herzlieb! Um Deinetwillen! Um unsrer Liebe willen will ich ganz stark und tapfer sein! Oh Herzelein! Ich werde nicht nachlassen in der Strenge zu mir! Aber gelt, geliebtes Weib, untreu sind wir deshalb einander nicht – und wenn wir werden für immer umeinander sein, wird bald alle Not vergessen sein und alles ins rechte Gleis kommen. Oh ja! Unsre Liebe wird uns auch darin helfen! Daß sie uns bleibt, ganz rein und gläubig, ist und bleibt die Hauptsache! Oh Geliebte! Unsre Liebe vermag alles zu überwinden: Not und Ferne und Kummer! Oh Herzelein! Ich werde Dich immer liebbehalten, sooooooooooooo lieb! Meine Liebe zu Dir wird immer größer und tiefer werden! Unsre Liebe kann gar nicht verlöschen! So treu, wie Du mir bist, so muß ich auch Dir sein! Oh Geliebte! Solange in mir Leben ist, wird auch die Hoffnung in meinem Herzen wohnen, mit Dir einst glücklich vereint zu sein!

Oh Du, meine [Hilde]! Auch Dir sind unsre Boten der Liebe höchstes Unterpfand! Oh Geliebte, Du! Sie sind es wahrhaftig! In unsrer Bücherei befindet sich ein Buch, betitelt:  „Und eines Tages öffnet sich das Tor!", Briefe zweier Liebenden. Es wird oft entliehen. Auch ich las schon einmal darin. Herzelein! Du!!! Dicker und lieber und reicher noch ist das Buch unsrer Liebe! Herzelein! Bewahr sie mir recht gut, Deine lieben Boten, Du!!!

Vorbei der Festtagszauber – auch bei Euch daheim! Vorbei – vorbei! Oh Herzelein! Halb wünschen wir es, halb erschrecken wir vor der Eile, mit der unser Leben abläuft. Schenke Gott uns in Gnaden noch viele Jahre gemeinsamen Lebens, in denen unsre Herzen auch noch einmal zur Ruhe kommen nach all dem Schrecken und Jagen jetzt.

Heute abend muß Kamerad K. wieder an Aufbrechen denken. Und Du schreibst auch von Hellmut. Auch ich bin in Sorge um Siegfried: vor Moskau gibt es laufend schwere Kämpfe. Gott sei mit ihm! Hast mir geschrieben, daß auch Herr G. ins Lazarett S. überführt wurde. Er hat gewiß auch noch wenig ruhige Stunden in seinem Leben gehabt. Oh Geliebte! Wem in dieser Zeit nicht das ganze Elend, aber auch die ganze Kostbarkeit unsres Erdenlebens aufgeht, der ist wohl ewig verloren. Eine gewaltige Predigt ist diese Zeit. Unsre Zeit, die über Lärmen, Betäuben, Betriebsamkeit und Hochmut fast taub geworden ist, sie braucht wohl so eindringliche Predigt!

Heute ist nun auch d[er] Spieß zurückgekehrt. Mit zwei Tagen Verspätung infolge Zwangsaufenthaltes in Wien und Belgrad.

Ach Geliebte, Du! Ich bin doch trotz der augenblicklichen Sperre ganz zuversichtlich, daß ich Dir bald einmal heimkehren darf! Du weißt, wie ich ganz sehr aufpasse, oh Du! Weil ich doch soooooo gerne Dir heimkehren will und Dich liebhabe! Bleib auch Du froh und zuversichtlich. Seit zwei Tagen ist es hier ganz milde und grau und regnerisch. Schmutzig sind die Straßen. Dein Mannerli hat heute seinen freien Nachmittag genommen, hat gebürstet und gebügelt, Knöpfe angenäht, Strümpfe gewaschen – und bei aller Arbeit war es ganz bei Dir! Bei meinem Herzelein! Und mit den heimlichsten Gedanken doch auch beim Urlaub!

Gott im Himmel füge es gnädig! Er segne unsern Bund! Er erhalte Dich froh und gesund!

Herzelein! Ich danke auch herzlich für alle lieben Grüße von den Großmüttern und ihren Anverwandten! Sage ihnen nur herzliche Grüße auch zurück. So gern ich möchte, ich komme nicht zum Schreiben jetzt.

Brauch alle meine freie Zeit für meinen Herzensschatz, mein Goldherzelein! Für meine Herzallerliebste!

Geliebtes Weib! Meine [Hilde]! Ich drücke Dich an mich, Dein glückliches, seliges Mannerli! Weil ich Deine Liebe habe, weil Du mein bist, darum bin ich sooo glücklich! Gott behüte Dich!

Ich bleibe ewig Dein [Roland]

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Kommentare

drew.bergerson

So., 20.01.2019 - 16:59

Verzögerung der Post; Sorge, sie könne verloren gehen; Selbstzucht und Ermutigung, tapfer zu sein; kurze Erwähnung heftiger Kämpfe um Moskau; Sorge um Hellmut und Siegfried; Liebesbezeugungen

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Autor Roland Nordhoff
Korrespondenz Oberfrohna
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Über den Autor

Roland Nordhoff

Foto von Roland Nordhoff. Nahaufnahme, Person sitzend in einem Fensterrahmen.
Ba-OBF K01.Ff2_.A39, Roland Nordhoff, 1940, wahrscheinlich Bülk, Fotograf unbekannt, Ausschnitt.

 

Roland Nordhoff wurde 1907 in eine bürgerliche Familie in einem ländlichen Dorf im östlichen Sachsen, Kamenz, hineingeboren. Nachdem er ein Musikstudium aufgegeben hatte, arbeitete er als Dorflehrer in Oberfrohna, nahe Chemnitz. Im Frühjahr 1938 wurde er nach Lichtenhain in Sachsen versetzt

Über die Korrespondenz

Oberfrohna

Fotografie des Brautpaars Nordhoff am Tag ihrer Hochzeit vor dem Portal der Kirche.

Das Konvolut aus Oberfrohna befindet sich gut erhalten in privaten Händen in Deutschland. Es umfasst 24 Aktenordner mit ca. 2600 Briefen, die zwischen 1 und 20 Seiten lang sind. Der Briefwechsel beginnt im Mai 1938 und dauert, mit einigen kurzen (Urlaubs bedingten) Unterbrechungen, bis Februar 1946

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