Bitte warten...

[OBF-420106-001-01]
Briefkorpus

[Saloniki], Dienstag, den 6. Januar 1942

Herzlieb! Du! Meine liebe [Hilde]! Mein Weib!

Heute will ich mich doch mit Deinen lieben Boten von gestern befassen. Es sind die vom Sonnabend, Sonntag und Montag. Wenn ich nun, verwandelt, meinem Schätzelein begegnet wäre, als es so enttäuscht und richtig traurig von der Post ging zur Kirche, da hätte ich doch denken können, es grollt  mir, es schmollt mit seinem Liebsten, es ist ihm böse. Ach Du! Hast mich doch sooo lieb! Auch Dir ist die Liebe, meine Liebe, aller Sonnenschein — ach Herzelein, ist  doch kein besseres Zeichen als Dein Traurigsein, daß Du mich so lieb hast. Du! Du!!! Wir sind einander Sonne und Glück! Sonne und Glück! Herzensschätzelein! Es tut mir noch sooo leid, daß Du gerade an den Feiertagen sooo warten mußtest. Und ich weiß, daß ich Dir diese Feiertage hätte übersonnen können, und daß Du so lange Feiertagsstunden in Mittelfrohna nur verbrachtest, um Deine Ungeduld zu vergessen. Geliebtes Herz! Du weißt, ich habe es nicht so gewollt. Ach Herzlieb! Ich will Dich nimmermehr so allein lassen! Ich möchte immer um Dich sein! Weil ich Dich so lieb habe!!!

Deine lieben Äugelein seh ich ganz groß und lieb auf mich gerichtet, wenn Du mich fragst: „Du! Herzelein! Wir müssen auch mal mindestens zwei Kinder haben, gelt?“ Du! Du!!! Magst Du denn soviel von mir? Hast Du mich denn sooooooooooooo lieb? Du! Du!!! Oh Herzelein! Ich weiß es doch! Und ich glaub, wir brauchen darüber später garnicht zu reden — ich kann Dir alle Wünsche aus dem Herzen lesen, weil das meine so schlägt wie das Deine! Oh Du liebe Kindlmutter! Wenn es Dir zu wenig sind, oder wenn Du den Kindelein zu gut bist, geselle ich mich gleich zu ihnen. Du! Herzelein! Wenn es zu viel sind, dann bleibt für das Mannerli immer weniger Zeit, immer weniger Zeit für einander! Und ich glaube, Du und ich, auch Du, wir brauchen füreinander eine gewisse Zeit, eine gewisse Freiheit. Ach Du! Schätzelein! Das werden wir beide noch zu rechten Zeit gewahr werden, ja? Du!!! Ein Kindlein allein ist in der Tat nicht gut, in vielerlei Hinsicht. Nicht nur wegen des Spielens, Du! Wirst Mühe haben, Dein Mannerli vom Spielen abzuziehen. Weil Du eben die Kinderstube vom Spielen her betrachtest: Wenn ich ans Spielen und Mitspielen denke, da wünscht ich mir doch gleich ein paar Buben, erst einen, und dann noch einen, Du!!! Weil Buben viel schöner spielen können, und weil ich eben darin auch ein richtiger Bub bin — Dein herziger Lausbub, ja? Du!!! Ach Schätzelein, Du merkst wohl, daß ich jetzt nur lieb plausche. Aus Gottes Händen nehmen wir ganz gläubig und dankbar, was er uns schenkt. Oh Herzelein! Wir nehmen dankbar beides als ein großes Gnadengeschen. Und das sollst Du wissen jetzt schon, daß unsre Kindlein die Liebe zu Dir nur vertiefen werden! Oh Herzelein! Wenn Du mich damit beschenken willst, Du! Du!!! Und wenn Gott uns dieses Glück versagte — oh Du! Dann wollen wir einander nur desto lieber haben!!! Oh Schätzelein! Geliebtes Weib! Und wenn es ein Mägdlein wäre, das Gott uns schenkte, ich würde es erst recht als ein liebes Wunder betrachten — weiß nicht warum — vielleicht, weil ich ein Bub bin. Ach Du, wenn ich jetzt eben wünschen dürfte — ich will es Dir sagen — Du! Du!!! Du!!!!! !!!!! !!! zwei Buben und ein Mädel möcht ich haben. Zwei Buben — die könnt[‘] ich als Vater recht gut in den Augen behalten und  würden sich selber fördern gegenseitig. Und ein Mägdlein, das diese Buben von Anbeginn die Hochachtung, Liebe und Verehrung vor der Frau, vor dem Weibe lehrte. Geliebte! Geliebte!! Wir wollen nicht müde werden, Gott recht zu bitten und ihm zu danken. Oh Herzelein! Zuerst, daß wir demütig bleiben in unserem großen, reichen Glücke!!! Du! Du!!!!! !!!!! !!!

Ach Herzelein! Die Frage, die Du da gestellt hast, sollst Du längst nicht als beantwortet ansehen. Die können wir einander doch nur Aug in Auge und Herz an Herz beantworten, ja? Du!!!!! Du!!!!! Aug in Auge und Herz an Herz — wann wieder wird das sein? Oh Geliebte! Sei zuversichtlich mit mir — wenn ich nur irgend kann — Du weißt es — komme ich zu Dir!!!!!

Der Spieß ist heute noch nicht zurückgekehrt. Er ist in B. [sic] aufgehalten worden wie alle Soldaten gegenwärtig. Er wird morgen kommen. Heute erhielten wir Nachricht, daß die Urlaubssperre vorläufig bis zum 18. dieses Monats verlängert wurde. Herzelein! Geliebte! Wir müssen uns gedulden — vielleicht nur kurze Zeit, vielleicht länger — Gott weiß es. Und ich will mit Dir ganz froh und zuversichtlich aushalten,  will Dir auch immer getreulich berichten, wie die Aussichten sind. Herzallerliebste! Neben dieser enttäuschenden eine bessere Nachricht: Die Aufforderung zur Meldung von Fachkräften, darunter auch den Lehrern, wird nun auch für unseren Bereich unverzüglich angeordnet. Morgen schon nehme ich die Sache in Arbeit. Ich werde dabei doch ganz lieb und innig Dein denken! Ach Du! Geliebte! Wirst Du denn sehr traurig sein? Hoffe mit mir! Sei zuversichtlich mit mir! Es wird Rat werden zur rechten Zeit, wie immer bisher! Du! Zunächst ist doch alles erst nur um acht Tage aufgeschoben. — Oh, ich glaub, das nächste ist gar keine Frage, das ist ein dicker Punkt, Türe zu! Und ein längerer Strich „Selbstverständlich“.

Siehst Du, der hier zur zweifeln wagte, ganz leise nur, das ist der Onkel Doktor, der Sanitätsrat, den Du enttäuschtest, dem Du nicht folgtest. Aber nun will auch ich unter dieses Kapitel einen dicken Punkt setzen, und will die starken Worte „keine Rücksicht“ und „fuchsteufelswild“ für Zeichen völliger Genesung nehmen — verstehst Du mich, Herzelein? Ich habe Dich doch ganz lieb verstanden. Oh Du! Ich weiß, wie Du Dich für mich einsetzen kannst, wie Du Dein darüber sollst nicht achten würdest — aus unendlicher, starker Liebe! Und ich verstehe doch auch, wie wir zwischen Pflicht und Neigung immer den gerechten Ausgleich suchen müssen. Ich habe mir doch auch schon ausgedacht, daß ich einmal mit Dir zusammen zur Scharstunde gehe — und unter Deinen vielen Büblein sitze, selber ein Bub, Dein Bub — daß ich dann den Buben etwas erzähle von den großen Schiffen und mich mit ihnen unterhalte — und daß die Buben uns nebeneinander stehen sehen — Du, Herzlieb! Dann magst 2 Stunden getrost mal ausfallen lassen.

So, nun aber. * [der Punkt ist hier sehr dick uns ausgemalt, wie zur Betonung des Punktes; siehe Ausschnitt aus dem Brief]



Weiß nicht Herzelein, ich glaub, jetzt muss ich die kleinen Buchstaben nehmen, Du!!! Meine Wollprobe hast bekommen. Die Wolle ist weicher als die blaue. Aber sie ist nicht sehr fest. Ob das ein großer Nachteil ist? Das Gelb ist nicht häßlich. Ob es Dich gar kleidet, kann ich aus dem Gedächtnis nicht beurteilen. Hemdeln und Höseln aus der Wolle? Ja, magst Du denn wollene haben? Aber Du fragst ja, ob ich mag.  Bringst das Mannerli in Verwirrung (glaubst das?), Du! Darum hat das Mannerli sich doch noch gar nicht gekümmert —100 Kussel Buße zahl ich, wenn Du mir das Gegenteil beweisen kannst! Daß mein Schätzelein ganz war[m] steckt — bei Tage — das mag ich schon. Aber eifersüchtig werd ich wohl sein — auf die Hemdeln und Höseln — dann magst vielleicht das Mannerli gar nimmer? Du!!! Oh dann müßt es in seiner eignen Glut verbrennen! Und wer soll dann Maß nehmen, Du?!!! — Ja, jetzt weiß ich´s: Ich mag schon — das Mannerli mag schon — aber es will Maß nehmen und die Hemdeln und Höseln müßten sein Eigentum bleiben!, nein, dieses Mannerli!  Ist doch aus lauter Eifersucht und Mißtrauen zusammengebacken — und eingebildet obendrein, hab doch nur gefragt, ob ich von der Wolle auch Hemdeln und Höseln stricken darf! Ja, Du hast gut Entrüsten! Sei nur erstmal das Mannerli von meinem herzigen Weiberl, dann wirst Du erleben, wie närrisch die Liebe machen kann!

Ach Du! Herzelein! Wir sind doch beide ganz in unsre Liebe schon verstrickt — und Du fühlst mit mir, wie zaubermächtig das ist, wie wundersam auch und süß! Du! Du!!! So, daß wir nimmer voneinander lassen können, ohne nicht in den tiefsten Schmerz zu versinken.

Oh Geliebte! Ich darf doch gar nicht daran denken, daß auch Du Dich so sehnst — nach dem Herzallerliebsten! Du hast mich sooo lieb! Du mußt mich lieben — und ich habe Deine Liebe! Du!!! Du!!!!! „Auf dem Bord stand ein Tannenstrauß, davor aber mein Herzelein im Bild.“ Du! Geliebtes, teures Weib! Oh, daß ich so vieler Liebe mich immer wert erzeigen möchte!

Herzlieb! Der Ilse S. will ich doch in den nächsten Tagen mal ein paar Zeilen zugehen lassen — aus Dankbarkeit — sie nimmt so lieb Teil an unserem Glücke — sie ahnt seinen Reichtum, Du!!! Eine Anzahl lieber Bekannter hatte ich mir vorgenommen — bis jetzt habe ich nur an H.s geschrieben. „Verkaufen sie Ihr Glückshäusl nicht, wir wollen doch noch manchmal es aufsuchen!“ Ist das auch in Deinem Sinne, Du? Du!!!!!

Die Uhr geht auf 11 Uhr. Draußen plätschert der Regen. Seit Langem wieder einmal Regen. Kamerad H. hat sich zu einem Versch [sic] auf sein Bett gestreckt, wenn ich den nicht wecke, liegt er so bis morgenfrüh. Unser Tannenbaum steht noch. Bald wird seine Zeit umsein! Heute, am 6. Januar ist das russische Weihnachten, wohl auch das serbische und bulgarische. Auch hier war Feiertag, so wie bei uns früher Hohneujahr.

Nun will auch ich ins Bettlein steigen. Sehr warm ists in unsrer Stube. Aber die Betten liegen tief, und früh wird es ziemlich kühl, muß ich mich richtig in die Decken mummeln, und die Beineln anziehen. Weil mein Nachthemdl in der Wäsche ist, zieh ich jetzt die Hösel vom Nachtanzug an, die helfen auch warmhalten. Halt Dich nur auch immer fein warm! Bis das Mannerli kommt! Dann möchtest schon frieren wollen — aber ich laß Dich nicht! Du!!! Nicht ans Nasel — auch an die Beinel nicht — gar nirgends — Du!!!

Ach Schätzelein! Du! Am Herzen darfst Du mir überhaupt nicht frieren! Schlägt das Deine auch so stark und warm — vor Freude, vor Glück, vor Liebe? Du! Du!!!

Oh Geliebte! Du nimmst meine Liebe an! Ich darf Dir Sonne sein, die es warm macht und licht im Herzen! Dir Sonne sein!!! Oh Geliebte! Ich bin das glücklichste Mannerli auf der Welt — Dein Mannerli! Ganz Dein!!!

Gott behüte Dich auf allen Wegen! Er segne unsre Liebe!

Ich bleibe in Liebe und Treue allzeit

Dein [Roland]!

Ich habe Dich sooooooooooooo lieb! [Im doppelten Herzzeichnung:] Dein! Mein

Du mein liebes Weib!

Karte
Kommentare
Einordnung
Ausschnitt aus dem Brief. Zeichnung eines Herzens am Ende des Textes.

Ba-OBF K02.Pf1.420106-001-01b.jpg. Ausschnitt aus dem Brief.

Gesendet am
Gesendet aus
Autor Roland Nordhoff
Korrespondenz Oberfrohna
Gesendet nach
Erwähnte Orte
Über den Autor

Roland Nordhoff

Foto von Roland Nordhoff. Nahaufnahme, Person sitzend in einem Fensterrahmen.
Ba-OBF K01.Ff2_.A39, Roland Nordhoff, 1940, wahrscheinlich Bülk, Fotograf unbekannt, Ausschnitt.

 

Roland Nordhoff wurde 1907 in eine bürgerliche Familie in einem ländlichen Dorf im östlichen Sachsen, Kamenz, hineingeboren. Nachdem er ein Musikstudium aufgegeben hatte, arbeitete er als Dorflehrer in Oberfrohna, nahe Chemnitz. Im Frühjahr 1938 wurde er nach Lichtenhain in Sachsen versetzt

Über die Korrespondenz

Oberfrohna

Fotografie des Brautpaars Nordhoff am Tag ihrer Hochzeit vor dem Portal der Kirche.

Das Konvolut aus Oberfrohna befindet sich gut erhalten in privaten Händen in Deutschland. Es umfasst 24 Aktenordner mit ca. 2600 Briefen, die zwischen 1 und 20 Seiten lang sind. Der Briefwechsel beginnt im Mai 1938 und dauert, mit einigen kurzen (Urlaubs bedingten) Unterbrechungen, bis Februar 1946