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[OBF-420105-002-01]
Briefkorpus

Montag, am 5. Januar 1942.

Herzallerliebster! Mein geliebter [Roland]!
Du!!

Gestern und heute ging der Postbote vorbei. Es stimmt schon mit der unpassierbaren Brücke, ich spüre es doch schon bis hierher, Herzlieb! Ob Du auch so sparsam nur Post bekommst? Du, ich freue mich schon auf den Packen, der ankommen muß, wenn alles wieder im alten Geleis läuft! Denke doch, was mir alles noch fehlt! Das heißt, wenn Du täglich geschrieben hast,: Vom 22., 23., 27, [sic] 28., 30. – also mehr will ich vorderhand noch garnicht in Händen halten.

Doch wenn der übliche Postverkehr herrschte, wo ein Zwischenraum von 4 – 6 Tagen herrscht, da müßte ich diese Briefe schon haben. Ich wollte auch ganz geduldig sein, wenn ich genau wüßte, es geht kein einziger Brief verloren! Aber das weiß ich ja nicht! Heute, eben vorhin war eine junge Frau bei mir, deren Mann ist auch in Saloniki, sie bekommt schon seit reichlich 14 Tagen keine Post und er hat sonst auch oft geschrieben. Sie war ganz ratlos und wollte nun mal sehen, ob es bei mir besser wäre. Ich tröstete sie mit dem, was Du mir schriebst.

[Seitenverwirrung]

dazwischen. Vom 2. und 3. Januar. Ach Du! Die
zwei Briefe vom 22. u. 23. Dezember, worin Du mir den Erhalt meines
Geburtstagsbriefes bestätigen mußt, die habe ich doch immer noch nicht! Ob sie
wohl noch kommen?

Ach Du! Ich kann doch ganz traurig werden bei
dem Gedanken, daß sie verloren gegangen sind. Du! Sicher ist wieder so ein verflixter Spekulant
hinterher und hat geöffnet, denn da kommen die Briefe immer mit soviel
Verspätung an. Ich will nur warten, vielleicht sind doch eines Tages mal die
beiden Nachzügler dabei.

Herzelein! Deinen Sonntagsboten beginnst Du so froh und geheimnisvoll! „Voll Fragen und Spannung und Erwartung ist doch Dein Mannerli – ganz voll, daß es ihm beinah das Herzlein beklemmen will: ob ich denn zu Dir kommen dass darf? Du! Zu Dir? Ob es denn über kurzem schon wahr werden soll, daß wir einander wiedersehen?“

Oh Du! Herzelein! Du spürst es, wie ich warte
mit Dir, wie ich frage mit Dir, wie ich bete mit Dir. Oh Du!! Du!!! Du!!!!!
Geduldig wollen wir bleiben, demütig ergeben in Gottes Willen, bei ihm ist alles
beschlossen! O Du! Sag, Du!

Was läßt so tief uns fragen? Was macht unser
Herz erzittern? Worauf wartet es so im tiefsten bewegt?

[Seitenverwirrung]

Oh Du!! Du!!! Daß wir einander wiederhaben
sollen. Und voreinanderstehen mit einem Herzen voll Liebe und Liebessehnen. Oh
Du! Herzlieb! Mir ergeht es ja so wie Dir: ich darf die große Seligkeit
garnicht  zu Ende denken, garnicht
näher berühren, sonst werde ich doch ganz ungeduldig und es schmerzt mich die
Ungeduld, Du! Und das ist Unrecht!

Oh Herzlein! Laß uns die Hände falten!
Es ist eine unendliche Gnade und ein großes Geschenk, wenn wir uns wiedersehen
dürfen. Es muß in uns tiefste und dankbarste Freude auslösen.

Oh Herzelein! Gott ist so reich! Er schenkt
aus vollen Händen. Und wir wollen nicht bang fragen und dem Zweifel Raum geben.

Wir wollen ihn lieben und ihm uns in
kindlicher Gläubigkeit anbefehlen. Ach Herzelein! Du hast mir so lieb und gut
geantwortet in einem Boten, auf mein banges Zagen, als ich vom Sterben redete.
Ich muß Dir so herzinnig danken noch dafür! Ach Du! Du verstehst mich doch sooo
lieb! Du kannst mir alle Sorge vertreiben, weil Du so lieb und so ganz echt mich
trösten kannst, weil Du mich hinführst zum allein Seligmachenden, zum Glauben.
Und wenn uns einmal das Herz schwer werden will von all der irdischen Not und
Bedrängnis, dann wollen wir stille werden und über uns schauen. Es ist einer
dort oben, der sich um uns sorgt, der über uns wacht, der uns liebhat und der
uns leitet. Er verläßt uns nicht.

Oh Herzelein! Deine Worte kommen auch mir aus
dem Herzen. Wem möchten wir die Entscheidung darüber, wann die Stunde unsrer
gmeinsamen Lebensfahrt anbrechen soll, vertrauensvoller in die Hände legen
als dem Vater im Himmel? Wir dürfen uns nur stets recht an ihn halten. Er ist
der Lotse, der unser Lebensschiff durch alle Klippen und Fährnisse sicher
leiten kann. In seinen Händen liegt unser Leben, in seinen Händen reift es –
und wenn es Gottes Wille ist, reift entgegen den Tagen uns[e]rer kommenden
Lebensfahrt. Darüber sollten wir ganz stille werden. Immer. Auch dann, wenn
Stürme uns bange machen wollen. Auch die Stürme müssen Gott gehorsam sein, ihm
untertan und ihm dienstba. Oh Geliebter! Wir wollen einander zu solchem
Glauben helfen, jetzt und immer! Damit uns[e]re Herzen stark werden. Nur mit
starken Herzen können wir lange Zeit glücklich miteinander leben.

Herzlieb! Es gibt eigentlich keine größere und
schönere Liebespflicht, als einander zu solchem Glauben zu helfen. Du!!!!!

Herzallerliebster! Von Deinem ersten Sonntag im neuen Jahre erzählst Du mir dann! Ach, ich bin recht froh, daß Dein Dienst so ist, daß Sonntag und Wochentag sich unterscheiden lassen! Bei vielen Soldaten ist das ja nicht der Fall. Und in Eurer angenehmen Behausung könnt Ihr es Euch schon ganz hübsch sonntäglich machen. Ich möchte doch gleich mal leise gucken kommen, wenn mein liebes Mannerli sich nach Mittag langstreckt zum Schläfchen! Möchte leise zu ihm an’s Bettlein treten – ihm schnell die Hände über die Augen decken und fragen mit verstellter Stimme: „Wer mag’s wohl sein?“ Und wenn Du fein geraten hast! Richtig! Dann gäbs'  eine Belohnung! Wie die wohl ausfiele? Du!!! Ein ganz, ganz liebes Kussel, Du! Eines nur?

Ach Herzlieb! Was Dich auf Deinem kleinen
Spaziergang durch die Straßen bewegte, das erzählst Du mir. Ich kann mich nach
Deiner Schilderung so lebhaft in Deine Umgebung versetzen, ach – in
Wirklichkeit würde mir alles noch viel fremder erscheinen, als in Gedanken
heute. Und ich kann nur zu gut verstehen, daß Du nicht für Dein ganzes Leben
dort bleiben möchtest. Ein Fremdling würdest Du da immer bleiben und diese
Fremde würde sich lastend auf’s Herz legen. O ich kann es nachempfinden, auch
wenn ich noch nicht aus meinem Heimatland hinauskam. Gegensätze in der Natur,
unter den Menschen, in der Kultur. Kurz – alles wirkt befremdend. Und vor allem
kann sich ein Mensch, der so wie Du mit seiner Heimat Land und Leuten
verwurzelt ist, schwer einleben. Auch im Osten würdest Du kaum warm werden. Ich
hänge auch an meiner Heimat, mehr als ein andrer vielleicht. Aber ich weiß
es: wenn es das Schicksal so wollte, daß es uns irgendwohin verschlägt im
Reich, weil es die Neuzeit so will – ich würde mich einleben, weil ich Dich
habe, mein Herz! Wo Du mir zur Seite gehst, da ist für mich überall Heimat. Und
mehr denn je würde ich dann darauf bedacht sein, Dir ein Zuhause zu schaffen,
das Dich mit allem aussöhnen könnte. Du! Du!!! Ich denke zwar, daß sich genug
Menschen finden werden, die freiwillig woanders siedeln wollen. Und Du wirst
alles daransetzen, den Wünschen unsrer Herzen Erfüllung werden zu lassen!
Du! Herzensmannerli! Herzelein! Wir schauen vor uns ein Leben, so reich und
verheißungsvoll. Wir fühlen in uns soviel gutes Wollen. Oh Du! Solchen Hunger nach
diesem Leben! Gott sei uns gnädig! Er segne unser Wollen mit gutem Vollbringen!
Oh Herzelein! Mit Dir durch dieses Leben gehen! Mit Dir dünkt es mier so
reich und lebenswert! Behüte Dich Gott! Du! Ich denke ganz fest und innig Dein!

Kehre mir heim! Ich warte auf Dich! Ich liebe
Dich!

Ewig Deine [Hilde].

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Kommentare

drew.bergerson

Mo., 21.01.2019 - 15:50

Briefe fehlen wegen einer gesprengten Brücke in Griechenland [siehe OBF-420103-002-01]. Hilde äußert den Verdacht, dass Rolands Briefe geöffnet wurden und daher verspätet sind. Es handelt sich in dem Brief möglicherweise sich um 2 verschiedene Briefe, da Wortfluss und Sinn nach der 1. Seite abrupt abbrechen. Zuerst schreibt Hilde, dass sie noch keine Briefe von Roland vom Jahresende bekommen hat. Auf Seite 2 und 3 nimmt sie dann Bezug auf Rolands Brief vom ersten Sonntag im neuen Jahr. Ab Seite 2 scheint der Inhalt logisch zusammenpassend.

Einordnung
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Autor Hilde Nordhoff
Korrespondenz Oberfrohna
Gesendet nach
Erwähnte Orte
Über den Autor

Hilde Nordhoff

Foto von Hilde Nordhoff. Nahaufnahme, Person im Sommerkleid, im Hintergrund Bäume.
Ba-OBF K01.Ff2_.A12. Hilde Nordhoff, 1940, Oberfrohna, Fotograf unbekannt, Ausschnitt aus Fotoalbum.

Hilde Nordhoff wurde 1920 als Hilde Laube in eine Arbeiterfamilie in Oberfrohna, eine Kleinstadt in Sachsen, hineingeboren. Sie arbeitete ein Jahr lang als Hausangestellte, dann in einem Trikotagenwerk.

Sie kannte Roland Nordhoff aus der Kantorei in Oberfrohna und trat sogar der evangelischen

Über die Korrespondenz

Oberfrohna

Fotografie des Brautpaars Nordhoff am Tag ihrer Hochzeit vor dem Portal der Kirche.

Das Konvolut aus Oberfrohna befindet sich gut erhalten in privaten Händen in Deutschland. Es umfasst 24 Aktenordner mit ca. 2600 Briefen, die zwischen 1 und 20 Seiten lang sind. Der Briefwechsel beginnt im Mai 1938 und dauert, mit einigen kurzen (Urlaubs bedingten) Unterbrechungen, bis Februar 1946