Bitte warten...

[OBF-420105-001-01]
Briefkorpus

[Saloniki,] Montag, d. 5. Januar 1942

Herzallerliebste! Mein liebes, teures Herz! Du! Du!!!

Endlich! Endlich! Oh, Du hast doch auch so warten müssen wie Dein Mannerli! Oh Geliebte! Es fehlt doch alles, wenn Du nicht zu mir kommst, das Liebste, die Sonne! Alles! Alles! Du! Ich glaube, wir haben einander sehr lieb — sind einander ganz ent unentbehrlich — und sind noch sooo verliebt wie ein ganz junges Paar — ja? Herzelein!! Das noch täglich sich seiner Liebe ganz fest sich vergewissern muß — mit Küssen und Grüßen und — Liebhaben. Ach Herzelein! Es ist mir so leid darum, daß Du hast so warten müssen! Und so leid darum, daß Dich gerade auch der Heiligabendbote nicht erreichte.

Nun sind heute 3 liebe Boten zu mir gekommen, die mir alles berichten und sagen, worauf das Mannerli sooo wartet! Oh Herzelein! Es geht Dir nicht anders wie mir: es drängt Dich mir alles mitzuteilen — eine Pflicht ist es uns, eine Liebespflicht — und nur unserem Liebsten gestehen wir das Recht ein zu, alles und zuerst zu erfahren. Ein Bote kam doch heute mittag, und zwei heute am Abend.

Oh Du! Wie ich darauf warte! Ich hatte heute so großen Hunger zum Abendbrot — aber der war ganz vergessen — erst habe ich die lieben Boten vorgelassen und habe sie zweimal gelesen.

Tiefer Winter schaut mich aus allen an. Und der liebe Vater hat doch überhaupt keinen richtigen Feiertag gehabt! Und Ihr beiden Verlassenen waret ganz unhäuslich trotz des Wintersturmes. Wenn das Mannerli daheim gewesen wäre und der liebe Pappsch, hätten wohl unsre lieben Frauensleute auch ein wenig mehr Sitzfleisch und Geduld gehabt — oh, von meinem Weiberl weiß ich das ganz sicher: die Kussel schmecken doch am feinsten ganz zu Hause! Aber so hat Euch beide, Ihr armen Lieben, die Ungeduld getrieben, die Stunden zu kürzen. Ach Herzelein! Ich könnte ganz tieftraurig werden, wenn ich Dich mir vorstelle: am 2. Weihnachtsfeiertag in der unwohnlichen Küche, eingespannt in das Gasthausgetriebe — allein — verlassen! Oh Herzelein! Geliebte! Du!!! Du!!!!! !!!!! !!! Viel schöner und lieber sollst du es doch bei mir haben!

Oh Du! Die Weihnachtstage sollen doch alle Traute und Innigkeit uns[e]rer Liebe ins rechte Licht rücken! Oh Du weißt, daß ich alles ganz anders will — ich kann nur nicht — ich kann jetzt nicht! Oh Herzelein. Möchte Dir immer die Kraft werden, das zu ertragen! Möchte Dir dazu die Gewißheit meiner Liebe immer zur rechten Zeit helfend zur Seite stehen! Ein wenig mehr Freude brachte doch der erste Weihnachtsfeiertag! Die schenkende Liebe der Eltern strahlt aus Kinderaugen so dankbar zurück. Oh Geliebte! Wenn ich nicht wüßte, daß Du mich liebst, so unendlich liebst, müßte ich darum bangen, daß Unzufriedenheit und Ungeduld unsre Liebe schwächen könnten. Da seid Ihr nun eingekehrt in einem Hause, daßs von diesem Kriege kaum noch etwas gespürt hat! Kinderglück, Familienglück — wenn wir es uns auch noch viel schöner träumen — sie sind doch da! Oh Herzelein! Ein Versprechen muß all mein Lieben noch sein — ein Versprechen! Aber Du glaubst mir, vertraust, Du liebst mich und hältst mich fest und wartest mein auf den Tag des Beginns gemeinsamen Schaffens. Und dieses Warten ist Dir eine Liebespflicht ebenso wie das Liebhaben selber, Geliebte! Dein Mannerli empfindet ebenso. Oh, nur ein paar Häuser weiter, das ist der Krieg doppelt und dreifach eingebrochen mit Kummer und Not.

Geliebte! Ich war doch richtig bös und aufgebracht darüber: in mehreren Abwandlungen und Tonarten hört man jetzt sagen, die Heimat bringe keine Opfer. Was sie beisteure, sei, gemessen an den Leistungen der Soldaten, gar kein Opfer. In dieser Tonart geht es auch in einem Aufsatz des „Reiches“ von Dr. Goebbels. Das Bangen und Sorgen um die Lieben draußen, das nervenspannende Gedulden und Warten müssen wird überhaupt nicht gewürdigt. Ach Geliebte! Wir wissen selbst am besten, was dieser Krieg von uns beiden fordert und was er uns auferlegt. Laß auch Du Dich von solchem Gerede nicht beirren. Ach Du! Du!!! Nun schaust Du mich aus allen Zeichen so lieb, sooo unendlich lieb an, und ich fühle es: Du liebst mich! Du hältst mich ganz fest mit den ganz großen, starken und den feinsten, zartesten Herzfasern — Du! Du!!! Wie glücklich bin ich darum! Oh Geliebte! Ich kann nicht mehr sein ohne diesen Halt!

Nun will ich aber sehen, wo mein Herzensschätzelein auf Antwort wartet in seinen Boten, in den Einzelheiten, denn Antwort ist ja alles, oh Du! und Liebe ist auch alles! Alles! Herzelein! Ich kann mir nichts denken zwischen uns, was nicht Liebe wäre, aus dieser Liebe geboren. Auch die Sorge, auch der Zweifel, auch vielleicht einmal die Eifersucht. Du!!!!! O ja! Liebe ist alles, Du! Täglich kommt sie zu mir! Und sooo reich! Sooooo reich! Du! Du!!! Ich muß Dir ganz sehr danken darum!!!  Ach, und Dich ganz sehr wiederlieben! Aber nicht nur Antwort will meine Liebe sein, ist es auch nicht. Ach Du! Du weißt es doch, wie meine Liebe oft Dich auch bedrängen will — wie sie fragt, Antwort heischend — Du! Du!!! Weißt Du es nicht? Nicht mehr? — Oh wart, wart! Wird bald einmal kommen, das böse Schulmeisterlein, ein strenges  Examen anstellen — und fragen — fragen! Und Du wirst antworten müssen — müssen! Ja, Trotz wird gebrochen, wenn es sein muß mit der Waffe des Schulmeisterleins! Oh ich weiß doch! Mein Herzelein kann fragen und auch antworten — auch antworten. Du! Du!!!!! Du!!!!! Ich habe Dich sooooooooooooo lieb!!!! Oh Herzelein! Es mag Liebende geben, die nicht so reich und strahlend sich lieben können, deren Liebe unter Schmerzen immer wieder geboren wird. Du! Du!!! Wie glücklich sind wir beide darin! Unsre Herzen sind ganz einander aufgetan! Unsre Temperamente und Naturen stimmen sooo gut zusammen. Ach Herzelein, es ist keine Scheu, auch nicht ein Spur von Ablehnung und Widerspruch unsrer Wesen! Das ist doch ein ganz seltenes, reiches Geschenk. Oh Herzelein! Wenn ich daran denke und es bedenke, da könnte ich laut aufjubeln vor Glück, und Dich totdrücken vor lauter Liebe! Aber das läßt Du nicht zu! Du drückst mich ebenso jubelnd wieder — und nun wird daraus ein ganz mächtiges Liebhaben, Du! Mein ganzes Glück! Mein Herzelein! Mein Ein und Alles!

Oh Herzelein! Ich glaube, ich komme heute doch nicht mehr dazu, Dir zu antworten. Es bleibt bei der Antwort im Großen! Du! Ich habe Dich lieb! Ich bin heute schon ein wenig müde. Ich habe die letzten Nächte etwas unruhig geschlafen — nicht vor Sorgen — ach Du! Sorgen, recht tief sorgen kann ich mich doch nur um uns[e]re Liebe — aber ich brauche es doch nicht, weil Du mir sooo treu bist, goldiges, herziges Schätzelein! Nein. Am Sonnabend hatte ich am Abend ein wenig zu viel getrunken — vom Tee, versteht sich — und am Sonntagabend noch eine Tasse Bohnenkaffee. Ist beides nicht gut. Der Bohnenkaffee macht Dein Manli leicht munter. Wenn Du mal ein munteres Mannerli brauchst, Du!! Du!!! Und wenn ich mal ein munteres Weiberl brauche, was nehm ich dann da? — Ach Du Ich glaub, diese Mittel sind in den nächsten zehn Jahren noch nicht vonnöten!!! Eher zwei andere, zum Stillesein! Ja? Du!!!!!

Oh Schätzelein! Nun wirst Du auch meine Boten erhalten haben, die Dir sagen, daß ich ganz lieb Dein dachte, immer, Du!!! Ach Du! Darin haben wir doch voneinander überhaupt keine Neuigkeiten zu erwarten, keine Überraschungen, daß es etwa eine Tages hieße, ich denke Dein nicht mehr. Oh Du! Du!!! Du!!!!! Herzelein! So treu wie Gold müssen wir einander sein, einander ganz liebhaben — —

Ich habe Dich sooo sooooooooooooo lieb! Du! Du!!!

Immer und ewig! Gott schütze Dich!

Ich bin ganz Dein! Dein Mannerli!

Dein [Roland]! Du! Du!!!!! !!!!! !!!

Ich küsse dich, Du!

Aufs Mündelein! Und aufs Herzelein! Darf ich dann das? Du!!!

Mein liebes Weib!

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Kommentare

Mehrheitlich Äußerungen über ihre Liebe. Roland klagte darüber, dass allgemein Parolen verbreitet werden, die Heimat würde, verglichen mit den Opfern der Soldaten, nicht genügend Opfer bringen. Er meinte, die Sorgen und Nöte der Menschen in der Heimat würden nicht genügend anerkannt und gewürdigt.

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Autor Roland Nordhoff
Korrespondenz Oberfrohna
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Über den Autor

Roland Nordhoff

Foto von Roland Nordhoff. Nahaufnahme, Person sitzend in einem Fensterrahmen.
Ba-OBF K01.Ff2_.A39, Roland Nordhoff, 1940, wahrscheinlich Bülk, Fotograf unbekannt, Ausschnitt.

 

Roland Nordhoff wurde 1907 in eine bürgerliche Familie in einem ländlichen Dorf im östlichen Sachsen, Kamenz, hineingeboren. Nachdem er ein Musikstudium aufgegeben hatte, arbeitete er als Dorflehrer in Oberfrohna, nahe Chemnitz. Im Frühjahr 1938 wurde er nach Lichtenhain in Sachsen versetzt

Über die Korrespondenz

Oberfrohna

Fotografie des Brautpaars Nordhoff am Tag ihrer Hochzeit vor dem Portal der Kirche.

Das Konvolut aus Oberfrohna befindet sich gut erhalten in privaten Händen in Deutschland. Es umfasst 24 Aktenordner mit ca. 2600 Briefen, die zwischen 1 und 20 Seiten lang sind. Der Briefwechsel beginnt im Mai 1938 und dauert, mit einigen kurzen (Urlaubs bedingten) Unterbrechungen, bis Februar 1946